Computer als Vermögensverwalter

Was es mit Robo-Advisors auf sich hat


Thomas Hammer

Entscheidungen von einem Algorithmus treffen zu lassen – das ist mittlerweile auch ein Trend bei der Kapitalanlage: Sogenannte "Robo-Advisors" machen klassischen Vermögensverwaltern Konkurrenz. Das neue Modell bringt Vor- und Nachteile mit sich.

Computerprogramme entwickeln sich immer häufiger vom reinen Ausführungswerkzeug hin zur künstlichen Intelligenz, die auf Basis umfangreicher Daten eigene Entscheidungen trifft. Denken Sie z.B. an autonome Fahrzeuge. Auch Kapitalanlageentscheidungen können mittlerweile von Computerprogrammen, sogenannten "Robo-Advisors", getroffen werden. Robo-Advisors sollen Investoren eine Alternative zu klassischen Vermögensverwaltern bieten. Allerdings managen sie nicht das Gesamtvermögen, sondern ausschließlich die Aktivitäten im Wertpapierdepot.

Mittlerweile haben Anleger in Deutschland die Wahl zwischen mehr als 20 Anbietern. Marktführer Scalable Capital verwaltet inzwischen mehr als eine Mrd. € an Kundengeldern. Mit gehörigem Abstand folgt der Commerzbank-Anlageroboter Cominvest mit rund 400 Mio. €. Experten schätzen, dass deutsche Anleger den digitalen Vermögensverwaltern bislang insgesamt gut zwei Mrd. € anvertraut haben. Deutlich weiter entwickelt ist der Markt in der USA mit einem Anlagevolumen von umgerechnet rund 200 Mrd. €.

Wie die Advisors funktionieren

Voraussetzung für eine fundierte digitale Kapitalmarktprognose ist, dass die Software zuvor mit einer großen Menge an Wirtschafts- und Finanzdaten gefüttert wurde. Auf Basis historischer Erfahrungswerte errechnet der Robo-Advisor dann mithilfe komplexer Algorithmen, ob innerhalb eines Aktien- oder Anleihenportfolios Umschichtungen erforderlich sind oder ob die einzelnen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe neu gewichtet werden sollen. Die Ergebnisse lösen entweder gleich die entsprechenden Kauf- und Verkaufsaufträge aus oder werden an ein Investment-Team weitergeleitet, das die Aufträge zusammenfasst und an der Börse platziert.

Ein Sonderfall sind passive Robo-Advisors. Während ihre aktiven Äquivalente die Zusammensetzung des Portfolios ständig an die Marktgegebenheiten anpassen, teilen die passiven Robo-Advisors eine Anlage nur zu Beginn auf unterschiedliche Anlageklassen auf. Diese Mischung bleibt dann unverändert – es sei denn, der Anleger selbst schichtet um. Anleger können einen passiven Robo-Advisor auch daran erkennen, dass er sich nicht als "Vermögensverwalter", sondern lediglich als "Anlagevermittler" bezeichnet – diese Begriffe fordert nämlich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), damit das Leistungsangebot exakt beschrieben wird.

Die meisten Robo-Advisors nutzen börsennotierte Indexfonds (ETFs), um die Portfolios für ihre Kunden zusammenzustellen. Weil ein einzelner Fonds bereits einen kompletten Wertpapierindex abbildet, lässt sich schon mit wenigen einzelnen ETFs ein breit diversifizierter Anlagemix aufbauen. Ein weiterer Vorteil: Weil ETFs auf ein aktives Fondsmanagement verzichten, sind sie mit geringeren Nebenkosten verbunden als aktiv gemanagte Investmentfonds (vgl. auch AWA 13/2016).

Was die Advisors von Ihnen wissen wollen

Wer Geld bei einem Robo-Advisor anlegen will, muss zunächst einmal einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten. Im Regelfall werden Sie zu

  • Ihren finanziellen Kenntnissen,
  • Ihren Vermögensverhältnissen und
  • Ihrer Risikobereitschaft

befragt, bevor der digitale Vermögensverwalter Ihnen ein bestimmtes Portfolio vorschlägt.

Gerade die Risikobereitschaft können Anleger nicht immer einfach einschätzen. Orientieren können sie sich dabei z.B. am sogenannten Value at Risk (VaR), mit dem einige Anbieter ihre Produkte nach deren Risiko klassifizieren. Der VaR gibt den maximalen Verlust an, der mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 95% nicht überschritten werden soll. Anders ausgedrückt: Der VaR ist das Limit des wahrscheinlichen Maximalverlustes im Zeitraum von 20 Jahren. Wer also z.B. einen VaR von 10% angibt, akzeptiert höchstens alle 20 Jahre einen Verlust von mehr als 10%. Allerdings ist damit keine Garantie verbunden – wenn kurze Zeit nach der Anlage ein "Jahrhundertverlust" von 25% eintritt, hat der Anleger Pech gehabt.

Auf der sicheren Seite sind Anleger hingegen, wenn ein Robo-Advisor zahlungsunfähig werden sollte. Bei der Verwaltung der Kundengelder arbeiten die bankenunabhängigen Anbieter mit Partnerbanken zusammen, während die bankeigenen Anbieter die Depotverwaltung ihres Stammhauses nutzen. Dort werden die Kundenportfolios als geschützte Sondervermögen geführt, auf die die Gläubiger des Finanzinstituts im Insolvenzfall keinen Zugriff haben.

Was Sie mindestens anlegen müssen

Als Vorteile im Vergleich zur klassischen Vermögensverwaltung sind die Mindestanlagen bei Robo-Advisors verhältnismäßig niedrig. So können Sie bei Cominvest schon ab 3.000 € einsteigen. Bei Robin, dem Robo-Advisor der Deutschen Bank, beträgt das Einstiegsvolumen 5.000 €. Allerdings ist die Hürde bei einzelnen Anbietern deutlich höher – so etwas bei Liqid: Wer die digitalen Anlagestrategien der Milliardärsfamilie Quandt mitnutzen will, muss mindestens 100.000 € mitbringen (Tabelle 1).

Bei den Kosten profitieren Anleger derzeit noch vom harten Wettbewerb um die Führerschaft im jungen Markt. Wer bei Quirion 10.000 € anlegt, zahlt pro Jahr lediglich 26 € als externe Fondskosten, die Verwaltungsgebühr von 0,48% fällt erst für darüber hinausgehende Beträge an. Das Gros der Anbieter verlangt Gebühren zwischen 0,7 und 1,0% des Anlagebetrags, was als Entgelt für eine aktive Vermögensverwaltung durchaus günstig erscheint.

Was Sie auch bedenken sollten

Allerdings ist die digitale Verwaltung des Wertpapierportfolios kein Ersatz für die ganzheitliche Vermögensplanung. Welcher Wertpapieranteil angesichts der Lebens- und Finanzsituation insgesamt sinnvoll ist, ob vermietete Immobilien mit in den Vermögensmix aufgenommen werden sollten, wie viel Kapital es für kurz- bis mittelfristig geplante Anschaffungen aufzubauen gilt – all diese Fragen kann ein Robo-Advisor nicht beantworten.

Ob die digitale Vermögensverwaltung unterm Strich mehr Rendite bringt als eine klassische, lässt sich derzeit noch nicht einschätzen. Die meisten Anbieter sind erst seit wenigen Jahren auf dem Markt und mussten noch keine existenziellen Bewährungsproben wie etwa nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder nach der Lehman-Pleite 2008 bestehen. Derartige Ereignisse dürften die Anlage-Algorithmen vor große Herausforderungen stellen.

Daher ist es ratsam, beim Einstieg in die Vermögensverwaltung durch einen Robo-Advisor nicht gleich alles auf eine Karte zu setzen. Dank der überschaubaren Mindestanlagen können Investoren zunächst einmal einen kleinen Teil ihres Vermögens beim Anbieter ihrer Wahl investieren und dann einige Jahre beobachten, wie sich das Portfolio in guten und schlechten Börsenzeiten entwickelt.

Thomas Hammer, Freier Wirtschaftsjournalist, 75443 Ötisheim, E-Mail: th@hammertext.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(02):14-14