Steuerfalle Onlinewerbung

Fiskus lenkt ein


Helmut Lehr

Insbesondere bayerische Finanzämter wollten in den letzten Monaten auch von kleinen und mittleren Unternehmen eine zusätzliche 15%-ige Quellensteuer erheben – für Werbeanzeigen auf Plattformen wie Facebook. Jetzt wurden sie zum Glück gestoppt. Der Vorstoß ist vom Tisch.

Während sich die (Steuer-)Politik an Konzernen wie Google etc. noch die Zähne ausbeißt, haben Finanzbehörden in Deutschland bereits einen "nationalen Alleingang" versucht.

Insbesondere die Finanzämter in Bayern, aber auch vereinzelt in Nordrhein-Westfalen sowie in Rheinland-Pfalz forderten in den letzten Monaten von deutschen Unternehmen Quellensteuernachzahlungen in beträchtlicher Höhe, weil sie auf Onlineplattformen ausländischer Betreiber Werbeanzeigen geschaltet hatten.

Die Steuernachforderungen kamen für die Betroffenen wie aus dem Nichts und beruhen auf einer eigenwilligen Auslegung der Regelungen über inländische Einkünfte im Ausland ansässiger Unternehmen. Diese sehen unter anderem eine Steuerabzugspflicht des inländischen Vergütungsschuldners ("Werbetreibender") vor.

Nach dieser Rechtsauffassung wäre z.B. ein Apothekeninhaber, der Onlinewerbung bei Google schaltet, verpflichtet, von seinen diesbezüglichen Werbeausgaben 15% einzubehalten und quasi im Vorgriff "für Google" an den Fiskus abzuführen. Ob er das Geld dann von Google erstattet bekommt, ist schon rein praktisch unwahrscheinlich.

Der Kniff der Finanzverwaltung

Dass für Onlinewerbung ggf. Quellensteuer einzubehalten ist, steht nicht explizit im Gesetz, sonst hätten die steuerlichen Berater ihre Mandanten darauf längst hingewiesen. Laut Finanzbehörden soll es sich hierbei um eine spezielle Form der Überlassung von Rechten handeln bzw. alternativ um eine Überlassung der Nutzung von Verfahren/Erfahrungen (Algorithmen). Um diese Auffassung zu untermauern, wurde seitens der Vertreter der Finanzverwaltung ein entsprechender Fachaufsatz veröffentlicht (vgl. Hruschka, Deutsches Steuerrecht 2019, S. 88).

Hinweis: Die Vorgehensweise der Steuerbehörden hat einen besonders bitteren Beigeschmack: Ob der Steuereinbehalt überhaupt beim deutschen Fiskus verbleiben darf, ist gar nicht sicher. Aufgrund entsprechender Regelungen in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen mit den betroffenen Staaten ist es denkbar, dass sich die ausländischen Konzerne die Steuer vom deutschen Fiskus erstatten lassen (dürfen).

Auffassung rechtlich umstritten

Die überraschenden Steuerfestsetzungen der Finanzämter haben nach einem Bericht des ZDF-Magazins Frontal 21 nicht nur in der breiten Öffentlichkeit für Entrüstung gesorgt, sie sind auch steuerrechtlich höchst fragwürdig. Es spricht nämlich viel dafür, dass die Finanzverwaltung mit ihrer Argumentation falsch liegt.

Betriebswirtschaftlich und steuerrechtlich betrachtet ist Onlinewerbung gekennzeichnet durch komplexe Algorithmen, deren Ziel darin besteht, die Effektivität der Werbemaßnahmen im Internet zu erhöhen. Dabei werden zwar unstreitig Rechte oder zumindest Erfahrungen des (ausländischen) Suchmaschinenbetreibers genutzt, um die Werbung möglichst sinnvoll mit den Nutzerinteressen zusammenzubringen. Diese Rechte und Erfahrungen werden wohl aber nicht dem inländischen Werbetreibenden überlassen. Vielmehr ist es der Plattformbetreiber selbst, der diese verwendet, um möglichst optimierte Dienstleistungen an seine inländischen Kunden zu erbringen (vgl. Linn, Deutsches Steuerrecht 2019, S. 418).

Hinweis: Vergütungen für bloße Werbedienstleistungen ausländischer Unternehmen an inländische Leistungsempfänger (Apotheken!) unterliegen keiner Quellensteuerabzugsverpflichtung.

Klärung auf Bund-Länder-Ebene

Weil die Vorgehensweise der Finanzverwaltung bundesweit gar nicht abgestimmt war, hat man inzwischen offenbar intern kontrovers diskutiert. Gemäß der Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat Nr. 053 vom 14. März 2019 ist das Thema jetzt zum Glück vom Tisch. Bayerns Finanzminister Albert Füracker hat hierzu erklärt, dass "inländische werbetreibende Unternehmen keinen Steuereinbehalt für ihre Onlinewerbung vornehmen müssen".

Offenbar kamen die Vertreter der Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder überein, dass eine solche Verpflichtung für die betroffenen Unternehmen eine völlig unnötige steuerliche Mehrbelastung bedeutet hätte und einen enormen bürokratischen Aufwand.

Hinweis: Bereits aufgegriffene Fälle werden nun zugunsten der Betroffenen erledigt bzw. wieder "fallen gelassen".

Vorsicht bei künstlerischen Darbietungen

In bestimmten Sonderfällen könnten Sie als Apotheker dennoch verpflichtet sein, Quellensteuer für "Steuerausländer" einzubehalten. Engagieren Sie z.B. für die Weihnachtsfeier einen Künstler, der im Inland keinen Wohnsitz (oder gewöhnlichen Aufenthalt) hat, sind Sie womöglich zum Quellensteuerabzug verpflichtet und dürfen ihm das Honorar nicht voll auszahlen. Die Gefahr besteht vor allem dann, wenn Sie Ihre Apotheke im grenznahen Bereich betreiben. Weil generell "unterhaltende" oder auch sportliche Darbietungen betroffen sind, könnte bereits die Verpflichtung eines DJ‘s für die musikalische Umrahmung Ihrer Feier problematisch sein, sofern dieser seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Hinweis: Informieren Sie vor Abschluss solcher Vereinbarungen vorsorglich Ihren steuerlichen Berater. Beträgt die Vergütung pro Darbietung maximal 250 €, verzichtet die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen auf die Quellensteuer.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(07):16-16