Illusion oder Realität?

Kostendegression und Skaleneffekte


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Von Skaleneffekten bzw. einer Kostendegression infolge solcher Skaleneffekte sprechen wir, wenn mit steigendem Absatz die spezifischen Kosten z.B. je abgesetzte Einheit sinken. Idealerweise steigt dann die Rentabilität, wenn man sich nicht den steigenden Absatz durch übermäßige Preissenkungen oder hohe Aufwendungen z.B. für Marketing (bzw. schlimmstenfalls beides zusammen) erkauft hat. In letztere Falle hat sich der Arzneimittel-Versandhandel hinein manövriert: Seine steigenden Absatzzahlen beruhen auf teils ruinösen Preisnachlässen (bzw. Boni in den preisgebundenen Segmenten) einerseits und teils grotesken Werbeaufwendungen andererseits. Oft treten noch erhebliche Investitionen in die Logistik hinzu, die sehr auf Zuwachs angelegt sind. Doch Zuwachs von was und wohin? "An der einzelnen Packung machen wir heute schon kaufmännisch Verlust, die Masse bringt dann künftig den Gewinn" – dieses betriebswirtschaftliche Bonmot scheint die Drehbuchvorlage zu sein.

Bei den stationären Apotheken werden positive Skaleneffekte von manchen Experten ebenfalls weitgehend negiert. Schaut man sich diverse Bilanzen an, geben diese den Zweiflern recht. Nicht selten steigen die Kosten sogar ab einer gewissen Betriebsgröße in allen relevanten Kennzahlendimensionen (Kosten in Umsatz- wie Rohertragsprozenten, Kosten je Packung) an. Doch ganz so einfach sollten wir es uns nicht machen.

Tatsächlich sind Kostendegressionseffekte in weiten Teilen der Wirtschaft auszumachen und belegt. Einige Beispiele mögen das zeigen. Nehmen wir an, Sie wären Verleger. Für jedes künftige Buch haben Sie einen mehr oder weniger großen, festen Aufwand an Vorwegkosten, so für das Lektorat, die Gestaltung des Layouts oder kalkulatorische Fix- und Overheadkosten des Verlags. Diese Kosten fallen bei einer Auflage von 1.000 Stück genauso an wie bei 100.000. Wenn Sie mit der Druckerei verhandeln, bekommen Sie für größere Stückzahlen günstigere Preise. Schon dies zeigt die erheblichen Skaleneffekte. In der Tat spülen Bestseller viel Geld in die Kasse, womit dann die ganzen Fehlschläge und Ladenhüter subventioniert werden können.

In der Produktion fast aller Waren haben Sie mehr oder weniger große Fixkosten für den Anlagenpark, welche sich mit steigenden Mengen auf das einzelne Stück gerechnet reduzieren. Branchen wie die Autoindustrie oder Halbleiterfertigung stechen besonders hervor, sind die Investitionen in die Werke doch gigantisch. Hohe Auslastung ist dann alles. Selbst in Ihrem Apothekenlabor wird der Degressionseffekt beim Unterscheid zwischen einer Einzelrezeptur und einer Defektur sehr schön sichtbar.

Warum profitieren Apotheken nicht stärker von solchen Effekten? Nach den "Parkinsonschen Gesetzen" (gemäß dem britischen Soziologen C.N. Parkinson aus den 1950er Jahren) dehnt Arbeit sich in genau dem Maße aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. Zudem schaffen Angestellte sich gegenseitig Arbeit. Wir haben also mit wachsender Mitarbeiterzahl ökonomisch negative Struktureffekte: steigende Managementkosten, einen anschwellenden "Wasserkopf", mehr Verwaltung und Reibungsverluste, Delegationsprobleme und manches mehr. Größere Betriebe laufen aufgrund steigender Komplexität mit der Konsequenz mangelnder Übersicht in die Gefahr, ihre Kostendisziplin schleifen zu lassen. Man leistet sich Vieles, gerade die B- und C-Kosten neigen dann zum Ausufern. Etliches muss man sich auch leisten, um den Laden am Laufen und die Stimmung hoch zu halten.

Auf der Habenseite sollten mehr Routine, eingespielte Arbeitsabläufe, eine insgesamt höhere Leistungsfähigkeit aufgrund der Personal- und Sachressourcen, etliche Bündelungseffekte und eine höhere Auslastung mit weniger Leerzeiten erzielbar ein. Die Fixkosten (wie Raumkosten, EDV, diverse Sachkosten, Beiträge usw.) verteilen sich zudem in großen, absatzstarken Betrieben auf mehr Packungen, also sehen wir tatsächlich an dieser Stelle typische Kostendegressionseffekte.

Das bedeutet letztlich: Positive Skaleneffekte sind zu einem hohen Teil Managementleistungen. Es liegt an Ihnen, ob Sie dem "Parkinsonschen Prinzip" zum Opfer fallen oder die positiven Aspekte Ihrer Größe herausarbeiten. Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(07):19-19