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Wie Sie sich auf Familien als Zielgruppe spezialisieren können


Andreas Kinzel

Familien als Zielgruppen bieten viele Chancen. Allerdings ist das klassische Familienbild mittlerweile in vielen Fällen überholt. Doch was zeichnet eine Familie heutzutage aus? Und wie kann sich die Apotheke gezielt darauf ausrichten?

Wie definieren Sie "Familie"? Als Vater, Mutter und Kind(er)? Mit dem Vater als Alleinverdiener, während die Mutter daheim bleibt und sich sowohl um Kinder als auch Haushalt kümmert? Dieses klassische Familienbild weicht immer stärker neuen Formen wie z.B.

  • Patchworkfamilien mit Kindern aus früheren Beziehungen,
  • Familien, in denen sich die traditionellen Rollen umgekehrt haben,
  • Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern oder
  • Alleinerziehende.

Was typisch für heutige Familien ist

Familien werden heute im Schnitt später gegründet als noch vor einigen Jahren. Das hat zur Folge, dass sie dann häufig ein gesichertes Einkommen haben, mehr Erfahrungen sammeln konnten sowie möglicherweise qualifizierter und gebildeter sind. Gleichzeitig gehören diese Familien zur sogenannten "Sandwichgeneration". Will heißen: Ihre Kinder sind noch nicht selbstständig, ihre Eltern indes nicht mehr. Die Angehörigen dieser Sandwichgeneration koordinieren also die Gesundheitsversorgung der gesamten Familie – und somit von vielen potenziellen Kunden.

Und was hat sich an den einzelnen Rollen geändert? Männer übernehmen oft nicht nur mehr Verantwortung im Familienleben, sondern kaufen auch verstärkt ein – nicht zuletzt in der Apotheke. Dazu können Sie mehr im AWA 8/2018, lesen.

Frauen sind heute häufiger und in stärkerem Ausmaß als früher berufstätig. Oftmals müssen sie zwischen Beruf, Kindergarten und Haushalt hin und her hetzen. Bei Alleinerziehenden – egal, ob weiblich oder männlich – kommt noch erschwerend hinzu, dass sie die Verantwortung und Organisation nicht teilen können. Diese Personen haben also in der Regel wenig Zeit, oft reicht es allenfalls für einen kurzen Zwischenstopp in der Apotheke.

Warum sich Familien als Zielgruppe anbieten

Was macht die Familie im Vergleich zu anderen Zielgruppen besonders? Zunächst bestehen Familien aus mehreren Personen – wenn Sie ein Familienmitglied an Ihre Apotheke binden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch die anderen Mitglieder zu Ihren Kunden werden.

Weiterhin benötigen gerade Säuglinge bzw. Kinder sowie ältere Menschen häufig und in größerem Umfang Arzneimittel und sonstige Produkte aus Ihrer Apotheke. Familien erhöhen somit regelmäßig den Ab- und Umsatz.

Und schließlich sind Familien gute "Multiplikatoren": Sie haben viele Kontakte und können somit ebenso ihre guten wie ihre schlechten Erfahrungen weitergeben – auch diejenigen, die sie mit Ihrer Apotheke gemacht haben. Durch Smartphone, Tablet und Co. ist dieser Multiplikatoreffekt heute stärker ausgeprägt als vor einigen Jahren, da sich die Bewertungen z.B. über soziale Netzwerke noch schneller verbreiten lassen.

Wie Sie strategisch vorgehen können

Falls Sie in Ihrer Apotheke die Kernkompetenz "Familie" etablieren möchten, müssen Sie ein Gesamtkonzept bieten, das unter anderem eine optimale Beratung wie auch ein entsprechend ausgerichtetes, qualitativ hochwertiges Sortiment umfasst. Binden Sie Ihr Team mit ein, wenn Sie das Konzept entwickeln. Schließlich soll es auch dahinter stehen.

Sinnvoll ist es, schrittweise vorzugehen. Beispielsweise können Sie zunächst die Ernährung während der Schwangerschaft angehen, später kommen der wunde Baby-Po und dann die ersten Hautunreinheiten hinzu. So kann das Team seine Beratungskompetenz durch Schulungen etc. peu à peu vertiefen und an die Kunden weitergeben.

Überlegen Sie, welche Produkte bzw. Dienstleistungen noch in Ihrem Angebot fehlen – und ob es sich lohnt, sie aufzunehmen. Vielleicht würde ja Babynahrung Ihr Sortiment sinnvoll ergänzen? Oder Sie könnten Milchpumpen verleihen?

Wie Sie Familien konkret ansprechen können

In der Apotheke können (und müssen) wir unseren Kunden mehr Empathie, Freundlichkeit und fachliche Beratungskompetenz bieten als Supermärkte, Drogerien oder das Internet. Insbesondere bei der Zielgruppe Familie ist das wichtig. Denn wenn man sich Sorgen um ein erkranktes Familienmitglied macht und überdies vielleicht noch überfordert ist, weil man sich um Partner, Eltern, Kinder oder gleich um alle kümmern muss, erweist sich ein vertrauensvoller und verlässlicher Partner beim komplizierten Thema "Gesundheit" als unerlässlich.

Es kann zur Unsicherheit beitragen, wenn Sie der Mutter für eine Indikation Präparat A, dem Vater Präparat B und den Großeltern etwas ganz anderes empfehlen: Die Familie wird sich anschließend fragen, welches Präparat denn nun das Richtige ist. So sind standardisierte Empfehlungen gerade für Familien essenziell – zumal nicht alle Familienmitglieder immer von ein und demselben Mitarbeiter beraten werden. Diese Empfehlungen sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Team erarbeiten und schriftlich festhalten, sodass alle sie im Zweifelsfall nachlesen können. Natürlich ist dabei trotzdem wichtig, dass Sie auf die individuellen Kundenwünsche und -bedürfnisse eingehen, die Sie im Beratungsgespräch erkennen können.

Wenn ein Familienmitglied in die Apotheke kommt, möchte es oftmals gleich auch für den Rest der Familie einkaufen. Allerdings werden Sie nur selten alle gewünschten Präparate vorrätig haben. Damit Ihnen die gesamte Familie dann nicht frei nach dem Motto "Die haben eh nichts!" den Rücken kehrt, sollten Sie dennoch eine schnelle und umfangreiche Versorgung anbieten können – gerade auch für solche Familienmitglieder, die wenig Zeit haben. Mittel dazu sind ein optimiertes Sortiment, kurze Lieferfrequenzen Ihrer Großhändler sowie ein Botendienst.

Und dann ist da noch die Einrichtung: Über das aus dem Supermarkt bekannte "Quengelregal" mit seinen auf Augenhöhe der Kinder platzierten Süßigkeiten können Sie zwar vielleicht den Umsatz steigern – die Eltern machen Sie damit allerdings meistens nicht glücklich. Versuchen Sie es doch stattdessen einmal mit einer Spielecke. Die Kinder lassen sich so bei Modellautos, Bauklötzen oder Bilderbüchern "parken", während Sie die Eltern in Ruhe beraten können.

Den Kindern können Sie natürlich auch noch eine Süßigkeit oder ein anderes "Goodie" in die Hand drücken – das hinterlässt bei ihnen zusätzlich einen positiven Eindruck von der Apotheke. Allerdings sollten Sie das nicht gegen den Willen der Eltern tun, sondern sich vielmehr deren Erlaubnis einholen, z.B. durch einen Blickkontakt.

Auf welche Familien Sie setzen sollten

Sprechen Sie vor allem solche Familien gezielt an, die regional mit Ihrer Apotheke verbunden sind, die Sicherheit suchen und die Ihre Beratungskompetenz wie auch Ihren Service zu schätzen wissen – ohne laufend um den Preis zu feilschen.

Berücksichtigen Sie allerdings, dass sich nicht alle Familienmitglieder gleich verhalten und dass jedes Verhalten überdies situationsabhängig ist: Wenn etwa die schwangere Ehefrau krank ist oder man sich einen Fehltag im Job nur schwer erlauben kann, können Kauf- und Zahlungsbereitschaft wesentlich höher sein, als wenn die Kinder in den großen Ferien eine leichte Erkältung haben.

Literatur

Jurczyk, K., Klinkhardt, J.: Vater, Mutter, Kind? Acht Trends in Familien, die Politik heute kennen sollte, Verlag Bertelsmann Stiftung: Gütersloh 2014

Barth, B., et al. (Hrsg.): Praxis der Sinus-Milieus®: Gegenwart und Zukunft eines modernen Gesellschafts- und Zielgruppenmodells, Springer VS: Wiesbaden 2018

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(07):10-10