Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 1)

Die Entwicklung zur kundenorientierten Apothekenführung


Frank Weißenfeldt

Heribert Meffert, der erste Marketing-Lehrstuhlinhaber Deutschlands, definiert Marketing als bewusst marktorientierte Unternehmensführung. Was aber heißt das genau – auch für Ihre Apotheke? Ein kleiner historischer Rückblick soll diese Frage einleitend zu unserer Serie klären.

Marketing ist mehr als nur Werbung – Marketing ist eine Denkhaltung, die den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Aber woher kommt das Marketing-Selbstverständnis?

Die ersten Nachkriegsjahre

Der Wiederaufbau Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg stand unter dem Credo "Wohlstand für alle", das Ludwig Erhard als Vater der sozialen Marktwirtschaft geprägt hatte. Für die Mittelstandsgesellschaft war der Konsum das dominierende Lebensgefühl. Die Märkte entwickelten sich mehr und mehr von Verkäufer- zu Käufermärkten, auf denen das Angebot die Nachfrage übersteigt. Die Nachfrage wurde somit zum Engpass, und die Unternehmen begannen, ihre absatzpolitischen Aktivitäten zu professionalisieren.

Anfang der 1960er Jahre versuchte der amerikanische Marketing-Professor Jerome McCarthy, konkrete Marketing-Aktionen zu systematisieren. Zu diesem Zweck führte er den sogenannten Marketing-Mix bzw. das Management-Konzept der vier P ein. Diese vier P stehen für Produkt, Preis, Distribution/Standort/Verfügbarkeit (Place) und Kommunikation (Promotion). Dazu aber in späteren Beiträgen mehr. Hier sei nur grundsätzlich angemerkt, dass sich der Marketing-Mix von den Zielen und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens bzw. – in unserem Fall – der Apotheke ableitet.

Zeitgleich stieg die Bedeutung von Pull-Strategien (Abbildung 1): Der Handel sah sich mit Kunden konfrontiert, die selbst aktiv nach Produkten fragten.

Von den 70er Jahren bis heute

Die 1970er Jahre waren geprägt von zwei Ölkrisen (1973 und 1979) und Nullwachstum. Verlierer der beiden Ölkrisen waren insbesondere Unternehmen ohne oder mit unterentwickeltem Marketing. Kennzeichnend für das Jahrzehnt war ferner der Übergang von einer Verkaufs- zu einer Marketing-Konzeption. Treffend wiedergegeben hat das der deutschamerikanische Wirtschaftswissenschaftler Theodore Levitt, seines Zeichens Professor an der Harvard Business School: "Beim Verkaufen stehen die Bedürfnisse des Verkäufers im Mittelpunkt; beim Marketing die Bedürfnisse des Käufers. Das Verkaufen ist beseelt vom Wunsch des Verkäufers, sein Produkt zu Geld zu machen; Marketing ist beseelt von der Idee, die Wünsche des Kunden zu erfüllen, und zwar durch das Produkt und alle dazugehörigen Handlungen – von seiner Kreation und Bereitstellung bis hin zu seinem Verbrauch."

Während in den 1960er Jahren Marketing noch primär mit Werbung und Verkaufsförderung gleichgesetzt worden war, lernten immer mehr Hersteller, Händler, Banken und weitere Organisationen in den 1970er und 1980er Jahren "zu lächeln". Will heißen: Die Unternehmen erkannten, dass es wirtschaftlich interessanter ist, einen loyalen Kundenstamm aufzubauen und zu pflegen, als immer wieder neue Zielgruppen zu kontaktieren. Während dieser Phase erfand z.B. die Dresdner Bank ihr unverkennbares Logo, das sogenannte "grüne Band der Sympathie" – diese Bezeichnung zeigt, wie sehr die gegenseitige Verbundenheit in den Fokus rückte. Auch für die Apotheke ist diese Entwicklung von besonderer Bedeutung. So zeigen Studien, dass Freundlichkeit eine spezielle Stärke des Apothekenteams ist.

Die 1990er Jahre und die aktuelle Entwicklung waren bzw. sind geprägt durch die Globalisierung, die Verlagerung des Geschäfts in das Internet und den sogenannten "Hyperwettbewerb": Wettbewerbsvorteile werden schnell geschaffen, können aber auch ebenso schnell wieder verloren gehen – der nächste Anbieter ist nur einen Klick entfernt.

Warum Marketing wichtiger als früher für Apotheken ist

In den Apotheken stand das Marketing bzw. die richtige Mischung der absatzpolitischen Instrumente lange Zeit hinten an. Denn durch gesetzliche Vorgaben war eine aktive Gestaltung im Wesentlichen nur für das Randsortiment möglich. Die Situation änderte sich 2004: Seit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes sind die rezeptfreien, apothekenpflichtigen Arzneimittel bekanntlich in der Regel von der Erstattung durch die Krankenkassen ausgeschlossen – und zugleich nicht mehr von den Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung erfasst. Somit hat der Gesetzgeber die Verkaufspreise für Over-the-Counter (OTC)-Präparate freigegeben. Jede einzelne Apotheke kann die Preise dieser Artikel frei gestalten. Verkaufsförderung am Point-of-Sale (POS), Frequenzwerbung und Aktionstage etc. haben damit an Bedeutung gewonnen.

Parallel wurde der Versandhandel mit Arzneimitteln grundsätzlich erlaubt. Gerade auch, um sich von der neuen Konkurrenz aus dem Internet abzugrenzen, gilt es seither, aktives Marketing zu betreiben und die Apotheke damit kundenorientiert zu führen.

Was das im Einzelnen bedeutet, erfahren Sie in den nächsten AWA-Ausgaben. Vorbereitend kön- nen Sie sich aber schon einmal die folgenden Fragen stellen. Sie sind die Basis für ein aktives Marketing:

  • Welche Stärken und Schwächen habe ich?
  • Welche Chancen und Risiken sehe ich für meine Apotheke?
  • Welche Ziele (u.a. Umsatz, Ertrag) will ich erreichen?
  • Mit welchen Akteuren stehe ich im Wettbewerb?
  • Wie möchte ich meine Apotheke positionieren?
  • Welche Möglichkeiten zur Differenzierung sehe ich?
  • Wie gestalte ich die große Stärke der Vor-Ort-Apotheke, nämlich den persönlichen Kontakt zum Kunden?
  • Wer sind überhaupt meine Kunden?
  • Welche weiteren Zielgruppen möchte ich adressieren?
  • Welche Instrumente (u.a. Preisgestaltung, Leistungsportfolio und Kommunikation) bieten sich an, um Kunden zu binden?
  • Welche Möglichkeiten habe ich, meine Kunden – und auch mein Apothekenteam – Tag für Tag zu begeistern?
  • Wie kann ich die Frequenz in der Apotheke erhöhen?
  • Welche Cross-Selling-Potenziale sollte ich stärker nutzen?
  • Wie und von wem werden die Sicht- und Freiwahl gestaltet?
  • Welche Bedeutung haben Sonderplatzierungen (Displays)?
  • Wie nutze ich das Schaufenster der Apotheke?
  • Brauche ich Partner, die mich auf dem Weg der Digitalisierung begleiten?
  • Welche online-affinen Mitarbeiter können mich z.B. bei Social-Media-Aktivitäten unterstützen?
  • Wie kann ich mich in meinem Umfeld stärker engagieren?
  • Wie stärke ich meine Apotheke als lokale Marke?

Fazit: Im heutigen veränderten Gesundheitsmarkt gilt es, sich noch stärker an den Kunden zu orientieren. Angesichts gesättigter Märkte müssen die begrenzten Ressourcen dabei möglichst optimal eingesetzt werden.

Hinweis

Dieser Beitrag bildet den Auftakt zu einer neuen Serie: In den nächsten AWA-Ausgaben werden Ihnen Frank Weißenfeldt und Emanuel Winklhofer ein umfassendes Marketing-Konzept für Ihre Apotheke vorstellen!

Frank Weißenfeldt, Diplom-Betriebswirt und MBA, Associate Director, IQVIA Commercial, Frankfurt/Main, E-Mail: Frank.Weissenfeldt@iqvia.com

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(08):6-6