Seitenblicke

Neue Daten zur ärztlichen Versorgung


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ähnlich wie der Arzneimittelmarkt werden auch die anderen Sektoren des Gesundheitswesens laufend sorgfältigen Analysen unterzogen. Der jüngst erschienene BARMER Arztreport 2019 gibt eine Reihe aufschlussreicher Einblicke in die Welt der ärztlichen GKV-Versorgung.

Mit 11,1% GKV-Marktanteil kann der Versichertenbestand der BARMER Krankenkasse als repräsentativ gelten, auch wenn die BARMER in den bevölkerungsstarken südlichen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern mit 7,3% resp. 9,4% GKV-Marktanteil deutlich unterdurchschnittlich vertreten ist. Altersunterschiede lassen sich zudem durch eine statistische Altersstandardisierung eliminieren, was an den entsprechenden Stellen seitens der Autoren gemacht wurde.

93% der Bundesbürger gehen mindestens einmal im Jahr zum Arzt, was durch die "Behandlungsrate" ausgedrückt wird (Tabelle 1). Zahnärzte sind dabei gar nicht einmal umfasst. Die sparsamsten Arztgänger sind erwartungsgemäß junge Männer um die 30 Jahre, die aber immer noch auf 84% kommen. Bei den Senioren ab 80 werden durchwegs Werte über 98% erreicht. Allerdings gibt es selbst hier offenkundig 1% bis 2% zähe Vertreter, die ohne Arztbesuch über die Runden kommen.

Diese Raten führen unmittelbar zu den Behandlungsfällen, worunter die gesamte Behandlung bei einem Arzt (abrechnungstechnisch erfasst durch seine Arztnummer) in einem Quartal verstanden wird. Frauen imponieren regelhaft durch deutlich mehr Behandlungsfälle als Männer, erst im hohen Lebensalter kehrt sich das leicht um. Angesichts von durchschnittlich sieben bis zehn Behandlungsfällen pro Jahr verwundert es nicht, dass 2017 rund 60% der Patienten vier und mehr Praxen konsultiert haben. Daraus erklärt sich u.a., warum Apotheken mit traditionell vielen "Fremdgängern" zu kämpfen haben. Je nach Lage der einzelnen Facharztpraxen und der Konkurrenzapotheken bleiben andernorts eingelöste Rezepte nicht aus. Insoweit steht eine Apotheke also auch permanent im Wettbewerb.

Wie oft die Patienten tatsächlich in den Praxen aufschlagen, lässt sich nur indirekt abschätzen. Am ehesten eignen sich dafür die Tage mit Leistungsabrechnung, welche im Durchschnitt über die Gesamtbevölkerung bei rund 15 im Jahr liegen, bei Frauen wiederum mehr als bei Männern.

Dies dürfte aber nur eine Untergrenze für die reale Zahl der getätigten Besuche darstellen, da infolge der vielfach pauschalierten Arztvergütungen in der GKV nicht jeder Besuch zwangsläufig zu einer Abrechnung führt. Mit diesen Zahlen liegen wir in Deutschland international betrachtet im Spitzenfeld – die Deutschen sitzen rekordverdächtig oft in den Wartezimmern. Die Probleme, einen Facharzttermin zu erhalten, rühren auch aus dieser Besuchsmentalität her. Die Werte für Behandlungsrate, Behandlungstage und Abrechnungstage blieben dafür in den letzten Jahren einigermaßen konstant.

Die Kosten für die ambulante Arztbehandlung vervielfachen sich erwartungsgemäß mit dem Alter, wobei der Vervielfachungsfaktor etwas kleiner als bei den Medikamenten ausfällt. Überraschender ist vielleicht die Differenz zwischen Frauen und Männern: Im Durchschnitt über alle Lebensjahre hinweg sind die Frauen rund 30% teurer. Die Zusatzkosten infolge von Schwangerschaften, Geburten sowie die Wechseljahresproblematik erklären dies jedoch zu einem hohen Anteil. Als Kinder sowie Höchstbetagte sind die Frauen nämlich günstiger als Männer.

Welche Fachärzte werden wie häufig kontaktiert? Fast 64% der Versicherten haben 2017 mindestens einmal einen Hausarzt aufgesucht, rund 30% einen hausärztlichen Internisten. Weitere Werte zeigt die Abbildung 1. So geht immerhin jeder Vierte innerhalb eines Jahres zum Augenarzt, jeder Fünfte zum Orthopäden.

Was rechnen die Ärzte ab? Für den Bereich der GKV lassen sich die Fallwerte für ausgewählte Fachgruppen aus Abbildung 2 entnehmen.

Über alle Ärzte hinweg sind es rund 60 € Abrechnungsvolumen je Patient und Quartal. Die Psychotherapeuten sprengen mit 444 € gar den hiesigen Darstellungsrahmen (und sind deshalb nicht eingezeichnet), doch haben sie nur wenige, dafür sehr zeitaufwendige Fälle. Dagegen gelten Hautarztpraxen als die typischen "Taubenschlag-Praxen" mit einem sehr hohen Patientendurchsatz. Angesichts von 40 € Fallwert verwundert dies dann auch nicht – hier zählt schlicht die Masse.

Betrachtet man die Kostenanteile der einzelnen Facharztgruppen am Gesamthonorarvolumen, dann machen die hausärztlich tätigen Ärzte den größten Anteil aus, dies vor allem ihrer Anzahl geschuldet.

Die Fallwerte sollten die Dienstleistungs-Befürworter in unseren Reihen aufmerken lassen. Wenn ein Hausarzt gerade einmal knapp 60 € für seine Patientenbetreuung im Quartal erhält, wird es schwierig, für eine pharmazeutische Betreuung in der Breite auch nur näherungsweise solche Beträge anzudenken. Stellt man den möglichen Aufwand dagegen, limitiert sich das Gewinnpotenzial sehr rasch.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(08):4-4