Zu viel an Lager?

Wie Sie Überbestände abbauen


Karin Wahl

Je größer Ihr Warenlager, desto größer auch Ihre Kapitalbindung. Deswegen sollten Sie dem Warenlager Ihre ganz besondere Aufmerksamkeit schenken – zumal die Ware bei zu langer Lagerung verfallen und damit zu großen Verlusten führen kann.

Erstaunlicherweise ist gerade das Herzstück "Warenlager" in vielen Apotheken der am wenigsten beliebte Tätigkeitsbereich. Sofern optimal programmiert, nehmen die Apotheken-EDV bzw. der Kommissionierer zwar einen Teil der notwendigen Aufgaben ab, indem diese bei Großhandelsbestellungen konsequent Vorgaben befolgen wie:

  • "First in, first out",
  • ältestes Verfalldatum zuerst (schließlich liefert der Großhandel immer wieder Artikel mit kürzerer Laufzeit als die der Packungen an Lager),
  • Bestelloptimierung nach Gängigkeit oder auch
  • Bestelloptimierung nach saisonalen Gesichtspunkten.

Gründe für Überbestände

Direkt beim Hersteller wird aber immer noch von Menschen bestellt. Und hierfür haben die Firmen Konditionen entwickelt, um die Bestellenden trickreich zu beeinflussen, wie beispielsweise durch

  • verlockende Preisstaffelungen,
  • Rücknahmemöglichkeiten unter bestimmten Bedingungen (wenn auch leider oft mit Abschlag),
  • Zahlungsziele,
  • Incentives für Kunden und Mitarbeiter,
  • Proben ("Kennenlern-Größen"),
  • Dekorationsmaterialen sowie
  • Themen- und Produkt-Schulungen.

Weil solche Angebote sehr verlockend sind, wird mancher sorgfältig erarbeitete Bestellplan über den Haufen geworfen. Und in der Folge nimmt das Warenlager dann stark zu: Platz wird benötigt, die Kapitalbindung steigt und es besteht die Gefahr, dass Verfalldaten überschritten werden. Ein Problem, das sich insbesondere auch bei saisonalen Präparaten ergeben kann, z.B. beim Erkältungs-, Sommer- oder Reiseapothekensortiment.

Was Sie tun können, um einzelne Artikel abzuverkaufen

Bemerken Sie, dass sich ein Überbestand von einzelnen Artikeln gebildet hat, können Sie versuchen, ihn über Preisaktionen abzubauen. Dafür sollten Sie durchaus auch mal auf den Webseiten der Konkurrenz aus dem Internet oder auf Preisvergleichsportalen recherchieren. Denn wenn Ihr vermeintliches "Angebot" (wesentlich) teurer ist als der Preis im Internet, dann fühlt sich der Kunde, sofern er ebenfalls recherchiert, von Ihnen hinters Licht geführt. Will heißen: Wenn Sie lediglich den (direkt vergleichbaren) Preis einzelner Produkte reduzieren, müssen Sie für den Abverkauf die meisten Federn lassen.

Cleverer für die Preisbildung ist es da, den abzuverkaufenden Artikel kombiniert mit einem anderen Artikel anzubieten, dessen Wert der Kunde nicht einschätzen kann. Vorteilhaft dabei: Mancher Artikel, der sich allein nicht so gut verkauft, kann in einer nützlichen Kombination zum sinnvollen "Add-on" werden, das die Kunden anschließend womöglich erneut kaufen. Mit dieser Methode bleibt dann mehr Ertrag in der Apotheke als beim reinen Preisdumping.

Weiterhin können Sie natürlich auch ein Incentive anbieten, wenn Kunden die entsprechenden Präparate kaufen, so z.B. Lutschpastillen zu einem Hustenpräparat oder Lippenpflegestifte zu einer Lippenherpes-Creme. Ihrer Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt!

Wenn der Artikel, bei vielen Alternativen, nicht zu den gängigsten Präparaten gehört, besteht natürlich auch die Möglichkeit, ihn – so indiziert – im nächsten Notdienst verstärkt zu empfehlen.

Gelingt der Abverkauf nicht, bleibt, das Präparat an den Hersteller zurückzugeben. Das ist natürlich die schlechteste Option, da Ihnen dann nur der Netto-Netto-Einkaufspreis – womöglich noch mit Abschlag – erstattet wird.

Ein Sonderfall

Wenn eine Bestellung angeliefert und ausgepackt wurde, stellen Sie fest, dass sich das Design von bestimmten Packungen geändert hat – allerdings sind noch Packungen mit altem Design auf Lager. Was machen Sie dann?

Hier sollten Sie die Parole ausgeben, die Sichtwahl zunächst nur mit diesen Altbeständen zu bestücken und diese bevorzugt zu empfehlen. Wenn der Artikel vom Hersteller stark medial beworben wird, birgt dies allerdings das Risiko, die Kunden zu verärgern. Hier bleiben Ihnen dann wiederum spezielle Aktionen, der verstärke Abverkauf im Notdienst und die Rückgabe an den Hersteller.

Wenn es nicht nur um einzelne Artikel geht

Natürlich kann es auch vorkommen, dass etwa der Frühsommer verregnet ist und Sie gleich das gesamte Sommersortiment forcieren müssen, um nicht darauf sitzen zu bleiben. In diesem Fall können Sie für beispielsweise jedes einzelne Sonnenschutzmittel oder jedes einzelne Medikament aus der Reiseapotheke einen bestimmten Aktionspreis ausloben, der dem Kunden deutlich vorteilhaft erscheint. Wenn Sie diese Preise kalkulieren, gilt es allerdings, die Netto-Netto-Einkaufspreise möglichst nicht zu unterschreiten.

Eine weitere Möglichkeit: Sie bieten einen prozentualen "Sommerrabatt" etwa für das gesamte Sonnenschutz- und Reisesortiment an. Hier ist natürlich vorher besonders sorgfältig zu kalkulieren, damit Sie nicht in die Verlustzone geraten.

Alternativ können Sie den prozentualen Rabatt auch für ausgewählte, extra positionierte Artikel gewähren. Diese sollten Sie dann z.B. mit einem roten Etikett kennzeichnen, damit beim Einscannen an der Kasse nichts schief geht. Außerdem sollten Sie für jeden einzelnen dieser Artikel vorab einen Mindestbestand definieren. Sobald dieser unterschritten wird, ist der Artikel sofort aus der Aktion zu nehmen.

Eine besondere Aktion

Eine etwas aufwendigere Aktion, bei der Sie sich allerdings von Computerprogrammen unterstützen lassen können: Bieten Sie rechtzeitig vor der Reisezeit eine Reiseimpfberatung an, die Sie auch bepreisen. Machen Sie Ihre Kunden aber – z.B. im Schaufenster oder auf Flyern – darauf aufmerksam, dass sie den entsprechenden Betrag angerechnet bekommen, wenn sie im Anschluss noch Produkte für die Reiseapotheke bei Ihnen erwerben.

Vorbereitend sollten Sie aus Ihren Bestandsartikeln für alle beliebten Urlaubsziele Reiseapotheken zusammenstellen. Weil jedes Ziel eine etwas andere Reiseapotheke erfordert, haben Sie dadurch gute Chancen, Ihre Produkte gezielt abzuverkaufen.

Bei solch einer Aktion stellen Sie Ihre Fachkompetenz unter Beweis. Dankbare und zufriedene Kunde sollten Ihnen dann sicher sein.

Grundsätzliches am Schluss

Um Überbestände zu vermeiden, sollten Sie grundsätzlich einen besonders kompetenten Mitarbeiter mit der Pflege des Warenlagers betrauen. Besonders geeignet sind dafür z.B. PTAs mit der Zusatzqualifikation "Pharmazieökonom" oder erfahrene PKAs mit ökonomischem Verstand.

Diese Person sollte dann die Bestände von saisonalen Produkten wie Heuschnupfenpräparaten und Sonnenschutzmitteln sowie von Artikeln mit einer kurzen Haltbarkeit wöchentlich kontrollieren. Wenn sie dann erkennt, dass die Saison ungünstig verläuft, muss sie auch schnell reagieren, beispielsweise eben, indem sie kurzfristig Preisaktionen durchkalkuliert oder Waren in der Sicht- und Freiwahl rasch umplatziert.

Wenn Sie auf Preisaktionen hinweisen, darf übrigens der Vermerk "Nur so lange wie Vorrat reicht!" niemals fehlen. Ansonsten müssten Sie gegebenenfalls neue Ware über den Großhandel nachbestellen, um sie dann mit Verlust zu verkaufen.

Ein schöner Nebeneffekt des Vermerks: Aus dem Marketing wissen wir, dass es sich in der Regel positiv auf den Abverkauf auswirkt, wenn man auf eine Verknappung oder zeitliche Befristung hinweist – das machen sich beispielsweise auch die Discounter in ihrer Radiowerbung zunutze.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(08):8-8