Mit ungeahnten Konsequenzen

Klimawandel voraus


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wer schon etwas länger auf dieser Welt lebt, der kennt die Wellen, welche die Medienlandschaft durchzogen haben. Denn "only bad news are good news." So hatten wir bereits die "sichere", mit vielen Rechnungen und Diagrammen untermauerte Vorhersage, dass die Erde zur letzten Jahrtausendwende (also vor fast 20 Jahren) ein rohstoffgeplünderter Wüstenplanet sein sollte ("Die Grenzen des Wachstums", Club of Rome 1972). In den 1980er Jahren hieß es, dass das Waldsterben zumindest Mitteleuropa binnen weniger Jahre weitgehend versteppen lassen sollte. Zu dieser Zeit wurde ebenfalls prognostiziert, dass die Welt infolge einer zerstörten Ozonschicht lebensvernichtend UV-verstrahlt werden würde. Und das atomare Armageddon, sei es durch zivile Atomkraft oder einen militärischen Einsatz, stand (steht?) weiterhin im Raum. Der Weltuntergang als Geschäftsmodell! Denn eingetreten ist dies alles bekanntlich nicht, teils zugegebenermaßen durch schlichtes Glück, teils durch aktives Handeln (FCKW-Verbot) – oder eben als die sachlogische Konsequenz von Fehlprognosen.

Nun also der Klimawandel, ein keineswegs neues Thema, doch eines, welches einem tropischen Hurrikan gleich Fahrt aufzunehmen scheint und wie ein solcher nicht nur durch die Medien, sondern durch die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft wüten wird, mit womöglich namensentsprechender Zerstörungskraft. Bestenfalls resultiert daraus eine Schumpetersche kreative Zerstörung, aus der Neues erwächst. Schlimmstenfalls verspielen insbesondere die "First Mover" und vermeintlichen Weltenretter ihre Zukunft, während andere, noch zögernde Nationen erst auf diesen Zug aufspringen, wenn Ziel und Fahrplan absehbar sind. Jedenfalls bleiben uns in Deutschland als selbsternanntem Weltenretter noch 7 Gigatonnen (Gt) CO2-Restbudget. Diese sind, bei knapp 0,9 Gt Ausstoß jährlich, rasch aufgebraucht. Weltweit "dürfen" noch etwa 420 Gt CO2 anthropogen freigesetzt werden, soll das magische 1,5-Grad-Temperaturziel erreicht werden – bei rund 40 Gt Jahresausstoß ebenfalls ein überschaubarer Restzeitraum. Soweit die Prognosen hochangesehener Forscher, die regelhaft schon daran scheitern, das Wetter für zehn Tage oder den Verlauf des nächsten Winters vorherzusagen. Doch der Weltuntergang, das Kippen diverser "Tipping points", am besten gleichzeitig, das alles steht fest. 2030 ist es soweit. Spätestens. Es sei denn, wir legen jetzt alle Schalter um, läutern uns, lassen uns auf einen CO2-Ablasshandel ein und singen fleißig vorne in der Klimakirche mit – mit einer milliardenschweren Kollekte zur Umverteilung sowie mit Greta und Luisa auf der Kanzel.

Nun soll man das Thema nicht kleinreden. Gemäß der Erkenntnis, dass das einzig Sichere ist, dass es Veränderungen geben wird, hinterlässt die Überwucherung des Planeten Erde mit der Spezies Homo sapiens immer größere Spuren. Ökosysteme sind kybernetische, nicht-lineare Systeme mit tatsächlich diversen "Kipp-Punkten", die Sprungantworten in oft erstaunlich geringen Zeiträumen generieren. Es ist tatsächlich Vieles denkbar, der Vorhersagekorridor durchaus breit. Vergessen wir zudem nicht, dass wir erdgeschichtlich einfach wahnsinniges Glück haben, in einer solchen "Schönwetterperiode" existieren zu dürfen. Es gibt diverse Einflussfaktoren über unsere Aktivitäten hinaus, die uns einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Damit wäre es sicher nicht verkehrt, die Menschheit auf ungemütlichere Rahmenbedingungen vorzubereiten, statt enorme Ressourcen für vergleichsweise geringe Einspareffekte zu verpulvern. Letztlich ist es eine entscheidungstheoretische Herausforderung, hier die richtigen Weichen zu stellen und begrenzte Ressourcen klug einzusetzen. Das gelingt unseren westlichen, stark am Einzelwohl orientierten Gesellschaften aber ausgesprochen schlecht. Ohne echten Leidensdruck geschieht wenig.

Nichtsdestotrotz sind einschneidende Veränderungen absehbar – Panik ist ja erwünscht! Prioritäten dürften sich dramatisch verschieben. Für unsere Apothekenbranche, die dazu neigt, aus Mücken Elefanten zu machen, ist das keine gute Nachricht. Über unser detailversessenes, bisweilen spitzweghaft-groteskes Klein-Klein wird man alsbald nur noch müde lächeln – und die Branche womöglich kräftig aufräumen und entschlacken. So kann das Klimathema ein entscheidender Gamechanger werden, direkt oder indirekt infolge eines weitreichenden Umbaus der Wirtschaft.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(12):19-19