Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 5)

Marktforschung als notwendige Bedingung


Frank Weißenfeldt

Soziale und wirtschaftliche Faktoren haben einen erheblichen Einfluss auf das Kaufverhalten. So etwa muss der "richtige" Preis für eine Creme in einer stark frequentierten Stadtapotheke nicht der "richtige" Preis in einer Landapotheke sein. Wonach können Sie sich richten?

Der Apothekenmarkt und das unmittelbare Wettbewerbsumfeld der Apotheke befinden sich im Umbruch. Arztpraxen werden eröffnet oder geschlossen, mit der Digitalisierung ist ein weiterer Wettbewerber oft nur noch "einen Klick" entfernt, und die Politik tut ihr Übriges, um die Situation zu erschweren.

Kombinieren Sie interne mit externen Informationen

Mit Absatz-, Umsatz- und Preisinformationen von Beratungs- und Marktforschungsunternehmen erhalten Sie aussagekräftige Daten auf Basis einer Vollerhebung bzw. einer repräsentativen Stichprobe: Sie gewinnen einen klaren Anhaltspunkt, wo Sie mit Ihrer Apotheke im Wettbewerb stehen. Allerdings können Sie damit das unmittelbare Umfeld Ihrer Apotheke in der Regel nicht "1 zu 1" abbilden, wenn der Datenschutz, individuelle Besonderheiten oder mitunter auch statistische Gründe dem entgegenstehen. Deswegen ist es sinnvoll, Marktforschungsdaten immer auch durch interne Daten und eigene Erhebungen zu ergänzen (vgl. AWA 11/2019). Ausschließlich auf eigene Beobachtungen oder gar nur auf den Bauch sollten Sie sich aber nicht verlassen.

Gerade die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten gewinnen immer mehr an Bedeutung. Besonderen Wert sollten Sie deshalb auf die Analyse des Kundenverhaltens legen. Marketingexperten sprechen hier auch von "Shopper Insights".

Nutzen Sie Marktinformationen für die Sortimentsgestaltung, ...

Ärztehäuser bzw. (Fach-)Arztpraxen, Einkaufszentren, Fußgängerzonen, Parkplätze, Treppen, ja selbst Laufwege innerhalb der Innenstädte können den wirtschaftlichen Erfolg einer Vor-Ort-Apotheke massiv beeinflussen. Insofern sollten Sie die entsprechenden Marktinformationen nicht zuletzt dazu nutzen, die Sicht- und Freiwahl in Ihrer Apotheke zu gestalten. Wenn etwa der Dermatologe in der Nachbarschaft eine bestimmte Kosmetiklinie favorisiert, gilt es, ihr erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und sie adäquat zu platzieren.

... die Personalplanung sowie die Öffnungszeiten ...

Marktinformationen können Ihnen z.B. auch bei der Personalplanung helfen. So zeigen Analysen, dass bis 9 Uhr Eltern in die Apotheke gehen, die unmittelbar vorher Ihre Kinder zur Schule gebracht haben. Etwas später kommen vor allem Mütter mit ihren noch nicht schulpflichtigen Kindern sowie Rentner. Zwischen 12 und 13 Uhr ist die Zeit von Handwerkern, Freiberuflern, Verkäufern, Geschäftsleuten und weiteren Berufstätigen, die gerade eine Mittagspause einlegen. Der Nachmittag gehört wiederum den Rentnern. Und ab 16 Uhr kommen berufstätige Singles und junge Paare.

Tipp: Entsprechen diese Shopper Insights den Kundenfrequenzen in Ihrer Apotheke? Beobachten Sie das doch einmal über einen Zeitraum von jeweils drei bis vier Wochen im Frühjahr, im Sommer, im Herbst und im Winter. Wenn sich externe und interne Erfahrungen decken, sollten Sie sich fragen, ob die jeweils von Ihnen eingesetzten Mitarbeiter optimal geschult sind, um die jeweils erwarteten Kunden optimal zu beraten.

Passend zur Kundenklientel sollte eine moderne Apotheke attraktive Öffnungszeiten bieten. Auch hier gilt es, auf Marktinformationen zurückzugreifen: Apotheken in Berlin haben ihre Öffnungszeiten zum Beispiel komplett auf junge Familien, Singles, Touristen und die Start-up-Szene ausgerichtet. Letztere ist zwar ausgesprochen internetaffin, kann sich aber durch gute Beratung, schnelle Produktverfügbarkeiten und lange Öffnungszeiten für die "analoge" Vor-Ort-Apotheke begeistern.

Über Marktanalysen ließ sich außerdem zeigen, dass der Wochentag einen signifikanten Einfluss darauf hat, welche Produkte am häufigsten verkauft werden: An Montagen und Dienstagen suchen die Patienten verstärkt Arztpraxen auf. Daher werden rezeptpflichtige Arzneimittel überproportional häufig abgegeben. Insofern sollte sich das Apothekenteam zu Wochenbeginn auf Therapieergänzungen und Zusatzverkäufe konzentrieren. In diesem Kontext empfiehlt sich eine Liste mit Zusatzempfehlungen für die häufigsten Indikationen. Darüber hinaus sollten Sie mit Ihren Mitarbeitern die Beratung und Kundengespräche trainieren.

Am Wochenende hingegen schaut der Kunde eher beim "Shopping" in der Apotheke vorbei. Entsprechend hoch ist dann auch der Verkauf von Over-the-Counter (OTC)-Artikeln bzw. Kosmetika und Körperpflegeprodukten. Demzufolge könnte eine speziell auf Kosmetik geschulte PTA an Freitagen und Samstagen im Freiwahlbereich eine zusätzliche Beratung anbieten.

... und für die Preisbildung

Natürlich können Sie Marktinformationen auch für die Preisbildung nutzen. Marktanalysen von IQVIA zeigen u.a., dass die Kaufkraft einen entscheidenden Einfluss auf den Abverkauf von OTC-Arzneimitteln und weiteren rezeptfreien Produkten hat: Der Preis für hochwertige Anti-Aging-Kosmetika oder Inkontinenzprodukte variiert zum Beispiel deutlich zwischen einer Vor-Ort-Apotheke in Hamburg-Blankenese, Berlin-Dahlem oder München-Bogenhausen und einer Vor-Ort-Apotheke in Hamburg-Billstedt, Berlin-Marzahn oder München-Neuperlach. "Eine Creme unter 20,00 € Euro brauche ich gar nicht erst in die Freiwahl zu stellen", sagte einmal eine Apothekerin aus einer Villenkolonie im kaufkraftstarken Süden von Köln.

Wenn Sie ein (Online-)Preis-Analyse-Tool verwenden, können Sie z.B. auf einen Blick erkennen, wo Ihr Preis für ein Kopfschmerzmittel (jährlicher Absatz: 450 Packungen) verglichen mit dem Preis

  • im gesamten deutschen Markt,
  • in der Region oder auch
  • in Apotheken Ihrer Umsatzgrößenklasse (UGK) liegt.

Stellen Sie sich nun vor, Sie sind Inhaber einer Apotheke in der Innenstadt von Frankfurt am Main mit einem Netto-Jahresumsatz von über 4 Mio. €. Im Rahmen einer Preisanalyse vergleichen Sie sich mit den größeren Apotheken (UGK 3) Ihrer Region (sprich: Hessen). Dabei ermitteln Sie die folgenden Werte:

  • Durchschnittspreis: 6,15 €,
  • Preis unteres Quartil: 5,99 €,
  • Preis oberes Quartil: 6,20 € und
  • Median: 6,19 €.

Alle diese Werte geben Ihnen Hinweise für Ihre Preisgestaltung. Nun grenzen wir die Ergebnisse weiter ein: Nachdem Sie Mystery-Shopper-Testkäufe durchgeführt haben, wissen Sie, dass der Durchschnittspreis in der Frankfurter Innenstadt exakt auf dem Niveau des hessischen Medians liegt. Ihre Apotheke verkauft das Schmerzmittel jedoch zu einem Preis von 5,39 € und ist somit um rund 13% günstiger als der Median (= [5,39 € – 6,19 €] / 6,19 €∙100%]).

Daraufhin heben Sie den Preis auf Wettbewerbsniveau an. Vereinfachend angenommen, die Kunden kaufen weiterhin jährlich 450 Packungen bei Ihnen, obwohl Sie nun nicht mehr günstiger als die (durchschnittliche) Konkurrenz sind: Dann können Sie den Umsatz mit diesem einzelnen Produkt um jene 13% steigern – absolut sind das immerhin 360 € brutto (=0,80 € je Packung·450 Packungen).

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(12):8-8