Neuer Rahmenvertrag ab 1. Juli 2019

Was Sie im Apothekenalltag beachten müssen


Dr. Bettina Mecking

Der neue Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach §129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V gilt für alle Abgabevorgänge ab dem 1. Juli 2019. Wir stellen Ihnen diejenigen Neuerungen vor, die für Ihren Apothekenalltag bedeutsam sind.

Das neu zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband verhandelte Vertragswerk enthält sowohl Erleichterungen als auch Herausforderungen für die Apotheken. Apothekenteams sollten sich zeitnah mit den Regelungen vertraut machen.

Neue Definitionen

In §2 des Rahmenvertrages gibt es neue Definitionen. Beispielsweise gelten Importe als "preisgünstig", wenn der Preisabstand zum Referenzarzneimittel

  • bei einem Abgabepreis bis einschließlich 100 € mindestens 15%,
  • bei einem Abgabepreis von mehr als 100 € bis einschließlich 300 € mindestens 15 €,
  • bei einem Abgabepreis von mehr als 300 € mindestens 5% beträgt.

Als "nicht verfügbar" gilt ein Produkte zukünftig, wenn es "innerhalb angemessener Zeit" nicht beschafft werden kann. Nachweisen müssen Sie dies anhand von zwei Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel, die im "direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage der Verordnung" stehen. Hat die Apotheke nur einen Lieferanten, genügen zwei Verfügbarkeitsanfragen in "angemessenem zeitlichen Abstand". Dadurch sollen sich Unstimmigkeiten um Bestätigungen durch den Hersteller erübrigen. Der Großhandel muss die Anfragen zu Nachweiszwecken registrieren.

In den Lieferverträgen der einzelnen Kassen gibt es teilweise andere Vorgaben, die etwa nur einen Defektbeleg pro Rabattpartner verlangen. Der Beleg muss dabei Folgendes enthalten:

  • Angaben zum Großhandel, bei dem angefragt wurde,
  • Institutionskennzeichen der anfragenden Apotheke,
  • Zeitstempel der Anfrage mit Uhrzeit und Datum sowie
  • abgefragte Pharmazentralnummer (PZN).

Übrigens: Falls Ihnen das Rezept an einem anderen Tag vorgelegt wird als an dem, an dem Sie es beliefern, müssen Sie das Vorlagedatum darauf vermerken.

Rezepte selbst korrigieren?

Apotheker dürfen künftig nach §7 nicht ordnungsgemäß ausgestellte Verschreibungen selbst entsprechend den Vorgaben der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) korrigieren und ergänzen: Die Verordnung wird damit abgabefähig. Nur wenn das Arzneimittel nicht eindeutig bestimmt ist, müssen Sie vor der Korrektur Rücksprache mit dem Arzt halten. Alle Änderungen sind abzuzeichnen.

Welche Packungsgrößen dürfen wann abgegeben werden?

Nach §8 wird bei Verordnungen künftig jede Verordnungszeile einzeln betrachtet. Sie ist mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern. Dadurch, dass sich so mehrere Packungen eines Arzneimittels verordnen lassen, soll die Stückelungs-Problematik gelöst werden. Weitere wichtige Vorschriften des neuen Rahmenvertrages zu den Packungsgrößen sind:

  • Packungsgrößen oberhalb des größten N-Bereichs dürfen nicht zulasten der Krankenkassen abgegeben werden.
  • Bislang durfte die verordnete Menge durch Stückelung der größten N-Packung abgegeben werden. Dies ist jetzt gemäß §17 nur noch in dringenden Fällen möglich.
  • Ist eine N-Größe angegeben oder fällt die Packung in den N-Bereich, dürfen Sie weiterhin unter den verschiedenen Alternativen frei auswählen. Außerhalb des N-Bereichs muss auch in Zukunft die verordnete Stückzahl eingehalten werden.
  • Gibt es keine Packung mit der verordneten Stückzahl oder im angegebenen N-Bereich, ist die Verordnung nicht eindeutig. Hier müssen Sie nach §7 Rücksprache mit dem Arzt halten.
  • Das Gleiche gilt, wenn sich N-Größe und Stückzahl widersprechen – bislang war hier die angegebene Stückzahl maßgeblich. Diese Regelung ist künftig nach §17 nur in dringenden Fällen, etwa im Notdienst, maßgeblich.

Gut zu wissen: Neu unterschieden wird zwischen Generika-Verordnungen und Verordnungen von Arzneimitteln, bei denen

  • es außer Importen keine Alternative gibt,
  • der Austausch ausgeschlossen ist,
  • es sich um Biologicals handelt, die nicht in Anlage 1 als austauschbar genannt sind.

Welches Arzneimittel abgeben?

§11 regelt grundsätzlich, dass rabattbegünstigte Fertigarzneimittel vorrangig abzugeben sind. Stehen Ihnen mehrere begünstigte Alternativen zur Verfügung, dürfen Sie nach wie vor auswählen.

§12 regelt die Abgabe von generischen Arzneimitteln, für die keine Rabattverträge bestehen, gänzlich neu. Hier soll künftig eines der vier preisgünstigsten Fertigarzneimittel abgegeben werden. Dabei müssen Sie immer die Kriterien für den Auswahlbereich beachten: Maßgeblich sind die Rabattverkaufspreise, die somit sämtliche gesetzlichen Rabatte berücksichtigen.

Sind die entsprechenden Produkte nicht lieferbar, muss das nächst preisgünstige, verfügbare Fertigarzneimittel abgegeben werden. Allerdings darf das abzugebende Arzneimittel nicht teurer als das verordnete sein.

Wie hoch ist die Importquote?

Wenn es weder Rabattverträge noch Generika gibt, kann neben dem Original nur ein Import ausgewählt werden. Bisher mussten die Importe mindestens 5% Anteil am Umsatz der Fertigarzneimittel mit einer bestimmten Krankenkasse erreichen. Dies ließ sich mit der Zeit jedoch immer schwieriger erfüllen, da immer mehr Arzneimittel von Rabattverträgen erfasst wurden.

Für die neue Importquote soll nur noch der "importrelevante Markt" betrachtet werden, definiert als jene Fertigarzneimittel, die nicht unter Rabattverträge fallen. Für diesen Markt wird ein theoretischer Umsatz berechnet, der sich ergibt, wenn stets das Original abgegeben würde. Die Preisdifferenz zwischen dem Referenzarzneimittel und dem abgegebenen Import wird als "Einsparung" ermittelt. Laut Vorgabe des Vertrags soll dann die Summe der Einsparungen 2% des theoretischen Umsatzes betragen ("Einsparziel"). Die neue Importquote ist demnach ein Verhältnis aus Einsparungen und Umsatz.

Wenn das Einsparziel in einem Sechs-Monats-Zeitraum nicht erreicht wird, soll die Rechnung der Apotheke um die Differenz zwischen dem Einsparziel und der Summe der tatsächlichen Einsparungen gekürzt werden. Dabei sei "sicherzustellen, dass die Festlegung des Einsparziels adäquate Anreize für wirtschaftliche Abgaben setzt und dabei gleichzeitig die Apotheken nicht überfordert."

Übrigens: Der Sprechstundenbedarf ist weiterhin nicht in das Einsparziel einzubeziehen.

Welche Sonder-PZN gilt für Importe?

Bislang konnten Apotheker bei Importen nur die Sonder-PZN für Nicht-Verfügbarkeit angeben. Zukünftig allerdings sollen nach §14 alle Sonder-PZN auch für Importe oder andere nicht-rabattierte Arzneimittel gelten. Die jeweiligen Vorgänge werden dann bei der Berechnung des Einsparziels nicht berücksichtigt.

Beispielsweise wird es möglich, bei Importen die Sonder-PZN für pharmazeutische Bedenken anzugeben. Die Bedenken müssen hierbei zusätzlich auf dem Rezept konkretisiert werden. Sind mehrere pharmazeutische Mitarbeiter involviert, muss jeder die Bedenken separat abzeichnen. Nach §6 verliert die Apotheke auch in Zukunft den Erstattungsanspruch nicht, wenn entweder die Sonder-PZN oder die Konkretisierung fehlt.

Was müssen Sie bei der Auseinzelung beachten?

Die Vorgaben zur Abgabe von Teilmengen, z.B. bei einer Verblisterung, sind nun in einer gesonderten Vorschrift (§16) leicht verändert worden: Demzufolge muss der Arzt die Abgabe weiterhin ausdrücklich angeordnet haben. Zudem ist es notwendig, dass Sie sich zuvor mit der Krankenkasse über den Preis geeinigt haben. Auseinzeln dürfen Sie allerdings auch dann, wenn es von den maßgeblichen Organisationen an anderer Stelle vereinbart wurde.

Was tun, wenn Sie den Arzt im Notdienst nicht erreichen?

Grundsätzlich gelten die Abgabevorschriften auch bei der Akutversorgung und im Notdienst. Ist dann jedoch eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich, gibt es gemäß §17 einige Vereinfachungen:

  • Wenn sich etwa N-Größe und Stückzahl auf dem Rezept widersprechen, darf – wie schon angesprochen – die verordnete Stückzahl abgegeben werden.
  • Fehlen jegliche Angaben zur Menge, darf nicht mehr nur die kleinste im Handel befindliche, sondern die kleinste vorrätige Packung abgegeben werden, maximal aber die N1.
  • Haben Sie eine N-Größe nicht am Lager, dürfen Sie auf den nächst kleineren N-Bereich ausweichen. Fehlt auch dieser, können Sie auf die kleinste normierte oder schließlich sogar auf die kleinste vorrätige Packung zurückgreifen, sofern diese nicht größer als die verordnete ist.
  • Auch wenn eine nach Stückzahl verordnete Packung fehlt, dürfen Sie die nächst kleinere vorrätige Packung abgeben.
  • Bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dagegen ist es weiterhin möglich, auf diejenige vorrätige Packungsgröße auszuweichen, die der verordneten Menge am nächsten liegt.
  • Wurde eine Menge jenseits der N-Größen verordnet, dürfen Sie nur die N3 abgeben bzw. gegebenenfalls ein Vielfaches davon – sofern die verordnete Stückzahl nicht überschritten wird. Außerdem können Sie auf diejenige kleinere Packungsgröße am Lager zurückgreifen, die der verordneten Menge am nächsten liegt.

Welche Sonderfälle gibt es?

§18 listet einige Sonderfälle auf, so etwa, dass Packungsgrößen aufgrund unterschiedlicher Positionen in der Packungsverordnung mehr als einer N-Bezeichnung zugeordnet sind. Hier ist dann die Gruppe ausschlaggebend, die das Preis- und Produktverzeichnis zur verordneten PZN angibt. Als "unklar" gilt eine Wirkstoffverordnung, wenn der Arzt darauf nicht sowohl die Stückzahl als auch die zugehörige N-Bezeichnung vermerkt hat.

Ein weiterer Sonderfall: Ist ein Fertigarzneimittel verschreibungspflichtig, ein anderes hingegen nicht, dürfen Sie beide weiterhin nicht austauschen. Gleiches gilt auch für Medizinprodukte und Arzneimittel.

Ist schließlich die nach der Messzahl bestimmte größte Packung nicht in Vertrieb, können Sie ein Vielfaches der Packung mit der nächst kleineren Messzahl abgeben. Dabei allerdings dürfen Sie die verordnete Menge nicht überschreiten.

Was ist sonst noch wichtig?

Der neue Rahmenvertrag hat überdies für den Fall vorgesorgt, dass bei der Sterilherstellung künftig Rabattvereinbarungen zwischen Herstellern und Krankenkassen geschlossen werden: Denn nach §19 müssen Apotheken diese Verträge berücksichtigen.

Zudem wurden die 2018 separat verfassten ergänzenden Bestimmungen zum Entlassmanagement in den Rahmenvertrag überführt, nämlich in §31 und in die neue Anlage 8.

In den weiteren, ebenfalls teils neuen oder aber aktualisierten Anlagen finden Sie schließlich noch Informationen

  • zur Austauschbarkeit biotechnologisch hergestellter Arzneimittel (Anlage 1),
  • zur Meldung von Rabattverträgen (Anlage 2),
  • zur Meldung von Rabattverträgen für Fertigarzneimittel in Parenteralia (Anlage 3),
  • zur Meldung von Impfstoffabschlägen (Anlage 4),
  • zur Regelung zur Zuzahlungsfreistellung von Arzneimitteln (Anlage 5) und
  • zum Korrekturverfahren (Anlage 7).

Anlage 6 schließlich ist ein Muster für eine Haftungsfreistellungserklärung einer Krankenkasse gegenüber dem DAV.

Den kompletten Rahmenvertrag finden Sie auf der ABDA-Homepage.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(12):4-4