Wer fragt, der führt

Warum es sich lohnt, kluge Fragen zu stellen


Viktor Vehreschild

Gespräche mit Mitarbeitern sind das wichtigste Führungsinstrument, das Sie haben. Fragen spielen hierbei eine herausragende Rolle. Sie eröffnen neue Perspektiven, laden zum Umdenken ein und fördern die Motivation ebenso wie die Leistungsbereitschaft.

Wenn Sie als Führungskraft Wert darauf legen, kluge Fragen zu stellen, profitieren Sie gleich in mehrfacher Hinsicht:

  • Mit Fragen drücken Sie Wertschätzung aus und zeigen Interesse. Wenn Sie einem Mitarbeiter Fragen stellen, senden Sie die Botschaft: "Mir ist wichtig, was Du denkst. Deine Meinung interessiert mich."
  • Durch Fragen lernen Sie selbst hinzu. Sie erfahren nämlich beispielsweise, wie Ihre Mitarbeiter die Welt sehen, und auch, wo sie zusätzliche, von Ihnen selbst bisher nicht in Erwägung gezogene Potenziale erkennen. Ihre Mitarbeiter haben viel Erfahrung in ihrem Job und können Ihnen viele neue Ideen liefern – wenn sie denn gefragt werden.
  • Mit Fragen regen Sie Ihre Mitarbeiter zum Mitdenken an. Denn wenn ein Mitarbeiter versteht, dass Sie ihm nicht alles abnehmen, sondern vielmehr Wert auf seine Meinung legen, kann er nach und nach mehr Verantwortung übernehmen. Darüber hinaus werden Ideen und Lösungsansätze, auf die man selbst gekommen ist, automatisch mit mehr Motivation und Engagement umgesetzt als solche, die von außen kommen.
  • Fragen, die auf die Fähigkeiten und Stärken Ihrer Mitarbeiter abzielen, transportieren ein Lob. Streicheln Sie die Kompetenz Ihrer Mitarbeiter, indem Sie sie bei Problemlösungen aktiv zu Rate ziehen!

Es gibt unzählige Arten von Fragen. Drei davon seien Ihnen als Führungskraft ganz besonders ans Herz gelegt.

Zirkuläre Fragen laden zum Perspektivenwechsel ein

Wir sind es gewohnt, Fragen an das Gegenüber so zu formulieren, dass sie sich (implizit) auf dessen Perspektive beziehen. Wenn sich z.B. ein Kunde beschwert, weil er mit einem Beratungsgespräch nicht zufrieden war, könnte später Ihre erste Frage an den zuständigen Mitarbeiter womöglich lauten: "Was ist denn passiert?" Der Mitarbeiter beschreibt das Ereignis dann aus seiner Perspektive.

Zirkuläre Fragen hingegen beziehen weitere Perspektiven mit ein. So könnten Sie beispielsweise fragen: "Wie würde der Kunde das Beratungsgespräch denn wiedergeben? Was würde er genauso wie Sie beschreiben, was eher anders?" Diese Frage lädt Ihren Mitarbeiter zu einem bewussten Perspektivenwechsel ein. Er versetzt sich in die Situation des Kunden und beschreibt die Geschehnisse aus dessen Sicht. Oft ergeben sich dadurch neue Informationen, die hilfreich sind, um eine Lösung zu finden.

Sie können auch weitere Perspektiven einführen, z.B. Ihre eigene: "Wenn ich auch anwesend gewesen wäre und das Gespräch verfolgt hätte: Was wäre mir dann aufgefallen?" Hilfreiche Perspektiven ergeben sich auch, wenn Sie nach der Sichtweise eines guten Freundes, eines wichtigen Arbeitskollegen oder eines besonders geschätzten Kunden fragen.

Zirkuläre Fragen, die zum Perspektivenwechsel einladen, erweisen sich auch bei persönlichen Problemen Ihrer Mitarbeiter als hilfreich. Denken Sie an einen sehr engagierten und pflichtbewussten Mitarbeiter, der sich krank zur Arbeit schleppt. Im Gespräch berichtet er Ihnen, dass er heute eigentlich im Bett hätte bleiben sollen, um sich auszukurieren, dass er aber aus wichtigen Gründen dennoch in die Apotheke gekommen ist. Animieren Sie ihn z.B. so zu einem Perspektivenwechsel: "Wenn Ihre Lebenspartnerin nun hier wäre und unser Gespräch gehört hätte: Was würde sie Ihnen raten?" So können Sie dem Mitarbeiter helfen, sich darüber klar zu werden, dass er seine Krankheit doch lieber auskurieren statt verschleppen sollte.

Lösungsorientierte Fragen bringen Sie weiter

Wenn ein Mitarbeiter mit einem Problem zu Ihnen kommt, hat er sich häufig schon eine ganze Weile damit beschäftigt. Er hat sich bereits viele Gedanken gemacht und vielleicht erste Lösungsansätze ausprobiert, die jedoch nicht die gewünschte Verbesserung gebracht haben. Der Mitarbeiter kann nun zwar ganz genau beschreiben, was ihn stört, was nicht funktioniert und was sich verändern soll. Um ein Vielfaches schwieriger empfindet er es jedoch häufig, genauso konkret zu beschreiben, wie die gewünschte Veränderung denn aussehen soll.

Beispiel: Ein Mitarbeiter kommt zu Ihnen, weil er sich von seinem Kollegen Nörgel genervt fühlt. Dieser würde ihn ständig kritisieren und kein gutes Haar an ihm lassen. Wie reagieren Sie? Sie können den Blick auf das Problem nun sanft umlenken, indem Sie fragen: "Wie soll der Umgang zwischen Ihnen beiden Ihrer Meinung nach denn sein? Was könnte ein erster kleiner Schritt in diese Richtung sein?" Eine Antwort auf diese Frage mag dem Mitarbeiter zwar zunächst schwer fallen. Aber allein schon darüber nachzudenken kann bereits wesentlich dazu beitragen, Lösungsideen zu formulieren.

Treue Dienste erweist Ihnen hierbei das Wort "stattdessen". Wenn ein Mitarbeiter etwa sagt: "Ich möchte nicht immer an jedem Samstag arbeiten!", dann fragen Sie ihn: "Was möchten Sie denn stattdessen?" Die Richtung des Gesprächs ändert sich sofort: Sie beschäftigen sich nicht mehr mit Klagen und Beschwerden, sondern beginnen, eine mögliche Lösung zu suchen.

Wenn Sie Lösungsideen entwickeln, erweist es sich oft als besonders hilfreich, den Fragenfokus auf den nächsten kleinen, realistischen Schritt zu legen – und nicht direkt auf die große Gesamtlösung. Das nimmt Druck aus dem Gespräch und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Geplante tatsächlich erfolgreich umgesetzt wird. Für Veränderungsprozesse ist es nämlich wichtig, möglichst schnell erste Erfolge zu spüren. Das schafft Mut und Zuversicht für die nächsten Schritte.

Je länger der Blick auf das Nicht-Funktionierende oder Problematische gerichtet ist, desto eher gerät das Funktionierende aus dem Blickfeld. Hier können Sie dann vor allem nach Ausnahmen fragen. Basis dafür ist die Annahme, dass Probleme nicht immer – oder zumindest nicht immer so stark ausgeprägt wie gerade – bestehen. Fragen nach Ausnahmen bieten sich immer dann besonders an, wenn Sie Worte wie "immer", "nie", "ständig" oder "alle" hören.

Denken Sie z.B. wieder an den Mitarbeiter, der "ständig" von seinem Kollegen kritisiert wird. Hier könnten Sie fragen: "Bei welchen Themen kritisiert Herr Nörgel Sie häufig, bei welchen eher seltener?" Oder aber: "In welchen Momenten ist es für Sie ganz besonders schlimm? Und wann können Sie besser damit umgehen?" Wenn Sie gezielt nach diesen Momenten fragen, in denen es anders ist, helfen Sie dem Mitarbeiter dabei, genau hinzuschauen. Er kann die Situation differenzierter wahrnehmen – und es wird wahrscheinlicher, eine Lösung zu finden.

Hypothetische Fragen öffnen neue Wege

Fragen, die mit "Mal angenommen …" beginnen, öffnen die Tür ins Land der Möglichkeiten. Diese sogenannten hypothetischen Fragen bringen Ideen ins Gespräch, die weder Ihre Mitarbeiter noch Sie selbst bislang für möglich oder realistisch erachtet haben. Sie bieten sich vor allem an, wenn das Gespräch in eine Sackgasse gelaufen ist und partout keine Lösung gefunden wird. Eine hypothetische Frage könnte z.B. lauten: "Mal angenommen, wir können das Thema heute nicht aus der Welt schaffen: Was kann ich für Sie tun, damit Sie morgen dennoch erfolgreich Ihren Aufgaben nachkommen können?" Durch diese hypothetische Frage lenken Sie die Aufmerksamkeit des Mitarbeiters weg vom aktuellen Problem und hin zu möglichen nächsten Schritten in der Zukunft. Das Gespräch erhält eine neue Richtung, und das Team kann durch geäußerte Ideen wieder handlungsfähig werden.

Fragen zu stellen bedeutet auch, zuhören zu wollen

Mal angenommen, Sie haben diesen Beitrag gelesen und stellen einem Mitarbeiter im nächsten Gespräch entsprechende Fragen: Was – denken Sie – erwartet der Mitarbeiter dann vermutlich von Ihnen? Genau! Dass Sie ihm zuhören! Eine Frage zu stellen ist nämlich nur der erste Schritt. Der zweite Schritt besteht darin, anschließend die Ohren zu spitzen und dem Mitarbeiter aktiv Ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken!

Viktor Vehreschild, Psychologie in Düsseldorf, 40223 Düsseldorf, E-Mail: mail@psychologie-in-duesseldorf.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(13):12-12