Apothekenwerbegaben bei Rezepteinlösung

Was deutsche Apotheken alles (nicht) abgeben dürfen


Dr. Bettina Mecking

Zwei aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) manifestieren noch einmal die ungleichen Privilegien von ausländischen und inländischen Apotheken. Die Urteile werfen zudem viele Fragen zu Werbegaben auf. Was dürfen Sie wann abgeben?

Laut den beiden BGH-Urteilen vom 06.06.2019 ist es wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen- oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren (vgl. BGH-Pressemitteilung Nr. 076/2019 und AWA 12/2019). Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Soweit sich daraus allerdings nichts anderes ergibt, heißt das für die Praxis: Wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel in Apotheken abgegeben werden, sind jegliche Beigaben verboten – es sei denn, der Katalog in §7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) führt sie als ausnahmsweise zulässig auf.

Alles bleibt beim Alten

Die beiden Entscheidungen fassen aus Sicht des BGH nur die aktuelle Rechtslage zusammen – und an der hat sich nichts geändert. Denn bereits seit 2013 sind auch Kleinigkeiten als Werbegaben zu rezeptpflichtigen Arzneien unzulässig. Nur war diese "Null-Toleranz-Grenze" bisher nicht höchstrichterlich bestätigt.

Unmittelbar wird das Urteil nur zwischen den beteiligten Parteien wirken. Jedoch: Mitbewerber oder die Aufsichtsbehörde werden sich möglicherweise stärker als zuvor ermutigt fühlen, in entsprechenden Fällen rechtlich gegen (andere) Apotheken vorzugehen.

Produkt- oder Imagewerbung?

Kaum eine Norm im HWG sorgt für so viel Rechtsstreit wie §7: Hier geht es um Werbegaben für Arzneimittel, Arzneimittelgruppen sowie sonstige in §1 HWG genannten Produkte. Unter Werbegaben werden dabei Rabatte, Gutscheine, Bonustaler, Werbegeschenke, Warenmuster etc. verstanden. Apotheker dürfen Werbegaben weder anbieten, ankündigen, gewähren noch selbst annehmen, wenn ein Produktbezug vorliegt.

In diesem Rahmen ist auch eine Rx-sortimentsweite Bonusreklame nicht erlaubt. Sie liegt vor, sofern Sie Kunden bei Einlösung einer Verschreibung etwa jene für die beiden Urteile zentralen Gutscheine oder auch Kuschelsocken versprechen – und Ihre Apotheke dadurch besonders attraktiv erscheinen lassen. Unter Umständen reicht es dann schon aus, wenn Sie in der Werbung ein Rezeptformular abbilden – und nicht in Textform darauf verweisen, dass für die Werbegabe ein Rezept eingelöst werden muss.

Bei bloßer Imagewerbung hingegen gilt das Boniverbot des HWG nicht. Beispiele dafür sind:

  • Anlässlich eines Apothekenjubiläums schenken Sie allen Kunden, die die Apotheke aufsuchen, eine Rose.
  • Sie bieten allen Kunden zum Jahreswechsel einen Kalender an.
  • Sie stellen am Eingang eine Schütte mit Taschentüchern oder Traubenzucker auf, und jeder Kunde darf zugreifen.

Vorsicht: Grenzen für die Zulässigkeit von Imagewerbung können sich etwa bei irreführenden oder berufsrechtlich übertriebenen Werbemaßnahmen ergeben.

Welche Ausnahmen auch bei Rx-Arzneimitteln gelten

Handelsübliches Zubehör und handelsübliche Nebenleistungen sind nach §7 HWG generell, d.h. auch bei Rx-Arzneimitteln, als "Werbegaben" erlaubt. "Handelsüblich" bedeutet dabei letztlich "kaufmännisch angemessen". So dürfen Sie Ihren Kunden – je nach Wert der gekauften Ware – z.B. die Fahrtkosten für den öffentlichen Personennahverkehr ebenso wie die Parkkosten teilweise bzw. vollständig erstatten. Gleichfalls dürfen Sie die Kosten für den Arzneimittelversand übernehmen. Auch ein Botendienst ist (zumindest aus Kostensicht) zulässig.

Noch ungeklärt ist, ob Taschentücher als Beigabe zu entsprechenden Arzneimitteln in der Grippesaison auch "handelsübliches Zubehör" sein könnten. Argumentieren ließe sich hier gegebenenfalls, dass Kunden Taschentücher aus der Apotheke als so "normal" ansehen, dass sie keine Verbindung mit dem eingelösten Rezept sehen.

Achtung: Ein kostenloses oder stark vergünstigtes Verblistern bei der Heimbelieferung ist bereits als verbotene Beigabe bewertet worden und steht auch im Lichte der Anti-Korruptions-Regeln kritisch da.

Kundenzeitschriften sind ebenfalls – auch für Rx-Arzneimittel – vom Werbegabenverbot ausgenommen, wenn sie

  • für die Kunden kostenlos sind,
  • gleich schon durch ihre Titelseite als Imagewerbung der Apotheke wahrgenommen werden und
  • geringwertig hergestellt worden sind. Hierbei orientiert sich die Rechtsprechung an den Herstellungskosten einer üblichen, im Handel erhältlichen Illustrierten.

Oft liegen die Zeitschriften so aus, dass sie auch Kunden mitnehmen können, die nichts kaufen. Dann müssen Sie diese Vorgaben ohnehin nicht berücksichtigen.

Welche weiteren Ausnahmen es für Nicht-Rx-Arzneimittel gibt

Geringwertige Kleinigkeiten, deren Wertobergrenze laut BGH immer noch bei einem Euro liegt, dürfen Sie bei einem Nicht-Rx-Kauf abgeben. Dabei sind Kleinigkeiten Gegenstände, die auf dem Markt nicht besonders "beachtet" werden, wie z.B. einzelne Luftballons, Bonbons etc.

Wichtig: Genau mit diesen geringwertigen Kleinigkeiten hat sich der BGH in seinen beiden aktuellen Urteilen beschäftigt und klargestellt, dass sie als Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel unzulässig sind, soweit dies den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes entgegensteht.

Typische Merchandising-Artikel, wie einfache Kugelschreiber, schlichte Kalender oder Papiertaschentücher, sind nach §7 HWG als Werbegaben bei Nicht-Rx-Käufen grundsätzlich zulässig – sofern der Name der Apotheke, eines Herstellers oder eines Heilmittels darauf zu lesen ist (vgl. den Absatz "Produkt- oder Imagewerbung?"). Auf der sicheren Seite sind Sie auch hier bei der Wertgrenze von einem Euro. Wer wertigere Gaben mit Unternehmenswerbung abgeben will, sollte das unter Umständen unabhängig von einem bestimmten Produkt tun.

Ebenfalls vom Boniverbot ausgenommen sind Rabatte für Nicht-Rx-Arzneimittel in Form eines Geldbetrags, der entweder direkt bestimmt oder auf bestimmte Art zu berechnen ist. So ist es etwa zulässig, 10% Preisrabatt auf bestimmte Over-the-Counter (OTC)-Arzneimittel zu gewähren – und auch damit zu werben. Denn OTC-Arzneimittel dürfen Sie im Gegensatz zu Rx-Arzneimiteln ja schließlich selbst bepreisen.

Naturalrabatte – verstanden als zusätzliche Menge gleicher Ware – dürfen Sie zwar grundsätzlich gewähren. Aber Vorsicht: Von dieser Regelung sind nicht nur verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgenommen, sondern auch apothekenpflichtige.

Wichtig: Somit dürfen Sie den Verkauf von zwei OTC-Arzneimittel-Packungen mit einem Preis bewerben, der dem Preis von einer einzigen Packung entspricht. Der Slogan "Eine Packung gratis!" ist hingegen nicht erlaubt.

Was beim OTC-Rx-Mix gilt

Vieldiskutiert ist der Mischverkauf aus OTC- und Rx-Arzneien: Ihr Kunde könnte ja theoretisch zuerst ein Rezept vorlegen, nach Abgabe des Rx-Arzneimittels dann – quasi als zweiter Vorgang – ein OTC-Präparat verlangen und dabei nach Taschentüchern oder Ähnlichem fragen. Das wäre zwar gekünstelt, aber kein Verstoß gegen das HWG. Wenn Sie solch einen "Doppelkauf" allerdings aktiv bewerben, dürfte das als Umgehung des HWG verstanden werden.

Wie es mit Werbegaben an andere Heilberufler aussieht

Wenn Sie z.B. Ärzten Praxisbedarf liefern, können Werbegaben auch zulässig sein. Sie müssen sich dann jedoch beruflich verwenden lassen, wie z.B. Kalender, Notizbücher oder Schreibmaterialien für die Praxis.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(13):14-14