Apotheken prädestiniert

Klimaschutz als Profilierungschance


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Man mag als Naturwissenschaftler von der Klimawandeldiskussion halten, was man will, zumal hier mehr und mehr eine Ideologisierung stattfindet. Gleichwohl ist dieses auch rein sachlogisch sehr ernste Thema in den Köpfen der Kunden – und darauf sollten Sie reagieren.

Möglicherweise flaut der momentane Hype um den Klimawandel bald wieder ab. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Thema noch lange hochpräsent bleibt. Denn zu viele gesellschaftliche Gruppen haben sich darauf "eingeschossen". Auch das Großkapital geht mit dem Trend ("Green money"), und viele Firmen haben sich für die kommenden Jahren Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben.

Während der Temperaturanstieg in der Welt unbestritten ist, wird es bei den konkreten Auswirkungen von durchschnittlich plus zwei, drei oder mehr Grad schon dünner. Hier dominieren Katastrophenszenarien. Aber ist mehr Wärme wirklich nur problematisch? Und wie sieht die Bilanz unter dem Strich aus? Wer sich als Naturwissenschaftler dem Thema nähern will, dem seien die Hintergrund-Infos am Ende des Beitrags ans Herz gelegt. Ungeachtet dessen: Der mediale und politische Klima-Zug rollt, und Sie sollten als zukunftsgerichtete Apotheke drinsitzen.

Tue Gutes und rede darüber!

Taten sollten stets vor wohlfeilen Worten kommen. Hier einige Anregungen (siehe auch Abbildung 1):

  • Den Elektro-Hype nehmen Sie am besten mit einem gegebenenfalls entsprechend auffällig beklebten E-Auto als Botenfahrzeug auf (zu den Kostenbetrachtungen siehe den Artikel im AWA 23/2019). Ergänzend kommen E-Bikes oder Lastenfahrräder in Betracht, die allesamt staatlich gefördert werden.
  • Wechseln Sie zu einem 100%-Ökostrom-Anbieter, und rühren Sie die Werbetrommel. Vergleichen Sie dazu nur die omnipräsente Bahn-Werbung. Zwar arbeitet auch hier wieder die Verdummungsmaschine auf Hochtouren (am Strommix der Republik ändert sich ja nichts), aber trotzdem ist so etwas eben sehr öffentlichkeitswirksam.
  • Führen Sie ein Energiemanagement ein: Stromsparende Beleuchtung (LED), energieoptimierte EDV, Heizung und Klimatisierung mit Verstand, eventuell (bei eigener Immobilie) eigene Energiegewinnung via Fotovoltaik, Sonnenkollektoren, Wärmepumpe usw.
  • Schauen Sie bei Ihrer Produktauswahl, vor allem im Freiwahlbereich (Körperpflege, Kosmetik, Nahrungsergänzung), auf die Nachhaltigkeit: Ökokriterien bei der Herstellung, vegane Produkte etc. Denken Sie nicht nur an Treibhausgase, sondern auch an sonstige Themen wie den Tierschutz oder faire Arbeitsbedingungen ("Fair trade").
  • Legen Sie ein Augenmerk auf das Thema Packmittel, auch wenn das Plastiktüten-Thema ja bereits entschärft ist, u.a. aufgrund des weitestgehenden Verbots noch 2020.
  • Fördern Sie umweltfreundliche Arbeitswege Ihrer Mitarbeiter, und kommunizieren Sie das nach außen.
  • Wer sich tiefer hineinknien möchte, der stelle eine CO2-Bilanz im Betrieb auf und arbeite an einer eigenen, veröffentlichungsfähigen Umwelterklärung.

Leider bleiben in der Apotheke systemimmanente Klima- und Umweltsünden nicht aus, u.a. durch die Erfordernis von energieintensiven Klimaanlagen (25°C-Grenze) oder durch den Chemikalienverbrauch für so manch sinnarme Prüfungen. Damit müssen Sie leben und dies gegebenenfalls in Ihrer Umwelterklärung mit den gegenwärtigen Vorgaben und dem Gesundheitsschutz einigermaßen plausibel begründen.

Marketing

Gerade Apotheken sind prädestiniert, neben Gesundheitsthemen auch Umweltbelange aufzugreifen, gehört beides doch untrennbar zusammen. Überlegen Sie in diesem Zusammenhang auch, wie umweltverträglich Ihre Werbung ist: Müssen es wirklich so viele Flyer sein? Kann man das nicht fokussieren und Streuverluste minimieren? Auf welchem Papier wird gedruckt, mit welchen Farben? Können Sie hier ein Umweltsiegel aufbringen?

Hinterfragen Sie Ihre Prämien. Hier gilt immer mehr: Nützlich, hochwertig und nachhaltig statt billigem "Massenschrott", der gleich in der nächsten Rundablage entsorgt wird. Und: Weniger ist mehr! Über eine wirklich nette Aufmerksamkeit freut sich jeder. Das kann z.B. auch frisches Obst sein, ein hippes Probegetränk, eine Prämie aus lokalen Geschäften, mit denen Sie kooperieren, oder vielleicht ein interessanter Samen bzw. eine Pflanze.

Überlegen Sie, ob Sie nicht gezielt "Öko-Prämien", gern in Kooperation mit lokalen Energieanbietern, Handwerkern etc., ausloben möchten. Ein weitere Möglichkeit: Kunden können ihre Punkte gezielt für einen guten Zweckspenden, statt den fünften Reisewecker zu erhalten. Vielleicht geben Sie künftig eine "Klima-Bonuskarte" aus: Punkte gibt es, wenn sich Kunden gezielt für nachhaltige Produkte entschieden haben. Bei Ihrem Sponsoring sollten Sie (unverfängliche) Umweltaktivitäten berücksichtigen, wie z.B. eine Baumpflanz- oder Begrünungsaktion.

Zu guter Letzt: Werfen Sie einen Blick auf Ihren Einrichtungsstil. Immer noch sehen wir viele steril-helle, "kalte" Apotheken. Mit gar nicht viel Aufwand können Sie dem Ganzen einen wärmeren sowie "grünen" Anstrich geben, u.a. durch die fantastischen Möglichkeiten der heutigen LED-Beleuchtungstechnik.

Fazit

Mit etwas "Out-of-the-Box"-Denken und kreativen Ideen eröffnen sich gerade Apotheken beim Megathema "Umwelt und Klima" enorme Chancen – bei überschaubarem Aufwand: Wenn Sie Ihre heutigen Werbeausgaben hinsichtlich Nutzen und Nachhaltigkeit überprüfen, winkt Einsparpotenzial, ohne die Kunden zu vergraulen.

Eines sei noch angemerkt: Machen Sie nicht den Fehler, eine sektiererische bzw. politische Position gegenüber Ihren Kunden einzunehmen. Gestalten Sie alles möglichst politik- und ideologiefrei sowie parteienübergreifend. Orientieren Sie sich an der Sach- und Faktenlage, so wie man das von Naturwissenschaftlern und vertrauenswürdigen Beratungsinstitutionen wie Apotheken erwartet. Sonst besteht die Gefahr, Ihre Kundschaft zu polarisieren und zu spalten: In diejenigen, die Ihnen zustimmen, und in diejenigen, die Ihr Vorgehen harsch ablehnen. Letzteres bedeutet Kundenverlust – und genau den wollen Sie ja nicht erreichen!

Hintergrund-Infos

Ein aktuelles Abbild der Welt: www.worldometers.info

Klimasimulationen online: klimafolgenonline.com, mscm.dkrz.de, en-roads.climateinteractive.org

Individueller CO2-Zähler: uba.co2-rechner.de

Zum klassischen Lesen: Schönwiese, C.: Klimawandel kompakt, Borntraeger: Stuttgart 2019

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(01):4-4