Gesetzliche Vorgaben und vertragliche (Zusatz-)Regelungen

Was Sie zu Urlaubsansprüchen wissen müssen


Thorben-Alexander Lommel

So einfach die gesetzlichen Regelungen scheinen: (Vermeintliche) Urlaubsansprüche führen regelmäßig zu Streitigkeiten, insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wann verfallen Urlaubsansprüche eigentlich? Und welche Regelungsmöglichkeiten haben Sie?

Arbeitnehmer sammeln über das Jahr, teilweise sogar über Jahre, fleißig Urlaubsansprüche. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, ist es den Arbeitgebern oft nicht möglich, den bestehenden Urlaubsanspruch zu gewähren. Deshalb verlangen die Arbeitnehmer dann meist die Abgeltung des Resturlaubs.

Grundsätzliche Regelungen

Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt bei einer Sechstagewoche jährlich 24 Werktage (§3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz, BUrlG). Sofern der Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) bzw. der Rahmentarifvertrag Nordrhein (RTV) gelten, stehen Apothekenmitarbeitern bei einer Sechstagewoche ab 01.01.2020 zunächst 34 bzw. 33 und – nach fünf Jahren Betriebszugehörigkeit – 35 bzw. 34 Werktage zu (Stand: 19.12.2019). Der Urlaubsanspruch entsteht unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter in Vollzeit, Teilzeit oder in Form eines Minijobs beschäftigt ist.

Der gesetzliche Mindesturlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden (§7 Abs. 3 BUrlG). Auf das nächste Kalenderjahr darf er nur aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen übertragen werden. Der Urlaub ist dann bis zum 31.03. des folgenden Kalenderjahrs zu gewähren und zu nehmen (Übertragungszeitraum).

Ein Arbeitnehmer erwirbt den vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch erstmalig nach einer Wartezeit von sechs Monaten (§4 BUrlG). Scheidet ein Mitarbeiter nach der Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres aus, kann er die Abgeltung des gesamten Jahresurlaubs verlangen.

Während der Wartezeit entsteht für jeden vollen Monat ein Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs (§5 Abs. 1 BUrlG). Scheidet ein neuer Mitarbeiter z.B. direkt nach dem ersten Monat aus, müssen Sie ihm ein Zwölftel seines Jahresurlaubs abgelten.

Die gesetzlichen Regelungen zum Mindesturlaub dürfen ebenso wenig angetastet werden wie die Regelungen des BRTV oder des RTV, wenn diese Anwendung finden.

Vertragliche Spielräume

Als Arbeitgeber haben Sie auch die Möglichkeit, Ihren Mitarbeitern einen "vertraglichen Mehrurlaub" zu gewähren. Findet z.B. der RTV keine Anwendung, lehnen sich die meisten Arbeitgeber an dessen Regelungen an und vereinbaren bei einer Sechstagewoche ebenfalls 33 Urlaubstage. Dann hat der Mitarbeiter einen vertraglichen Mehrurlaub von neun Werktagen gegenüber dem gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Tagen.

Über den vertraglichen Mehrurlaub können Sie im Arbeitsvertrag grundsätzlich auch Regelungen treffen, die von den gesetzlich vorgesehenen, strengen Schutzvorgaben abweichen. Tun Sie das nicht, gelten für den vertraglichen Mehrurlaub die gleichen Vorgaben wie für den gesetzlichen Mindesturlaub.

Sie können bereits regeln, wie der vertragliche Mehrurlaub überhaupt zustande kommt. Vereinbaren lässt sich z.B., dass er nur anteilig für jeden vollen Kalendermonat entsteht. Dadurch verhindern Sie, dass ein Mitarbeiter, der nach dem Ende der Wartezeit zur zweiten Jahreshälfte kündigt, die Abgeltung des kompletten vertraglichen Jahresmehrurlaubs verlangen kann.

Wenn ein nicht nach BRTV oder RTV beschäftigter Mitarbeiter z.B. mit neun Tagen vertraglichem Mehrurlaub zum 31.07. ausscheidet, müssten Sie ohne entsprechende Regelung den vollen vertraglichen und gesetzlichen Urlaubsanspruch abgelten. Mit einem abweichenden Passus im Vertrag hingegen wären es "nur" der gesetzliche Mindesturlaub (24 Tage) und 7/12 des vertraglichen Mehrurlaubs (7/12·9=5,25 Tage), insgesamt also 29,25 statt 33 Urlaubstage.

Darüber hinaus empfiehlt sich zu regeln, dass in Anspruch genommener Urlaub zuerst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet wird. Das garantiert Ihnen, dass der gesetzliche Mindesturlaub "vorrangig verbraucht" wird.

Damit korrespondierend können Sie auch vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Ihnen ein bereits erhaltenes Entgelt für den vertraglichen Mehrurlaub zurückerstattet, sofern er sich diesen Urlaub nicht bereits "verdient" hat. Immer wieder nämlich treten Arbeitnehmer zuerst ihren vollen Jahresurlaub an, um direkt danach aus dem Betrieb auszuscheiden. Sie als Arbeitgeber würden dann ohne entsprechende Regelung auf den Kosten der "bezahlten Freizeit" sitzenbleiben.

Verfall von Urlaubsansprüchen

In vielen Fällen sollten Sie auch den Verfall bzw. die Übertragbarkeit von Urlaubsansprüchen regeln. Nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gilt: Urlaubsansprüche können in der Regel nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Er muss ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen haben, dass der Urlaub andernfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erlischt (Urteil vom 06.11.2018, Aktenzeichen: C-684/16).

Daher ist zu empfehlen, dass Sie die Urlaubsrückstände Ihrer Mitarbeiter bereits vor dem vierten Quartal überprüfen und gegebenenfalls aktiv werden. Um dies später im Streitfall nachweisen zu können, sollten Sie die betroffenen Mitarbeiter in einem persönlichen Anschreiben informieren – und sich dieses Schreiben gegenzeichnen lassen.

Übrigens: Abweichend von der jüngsten EuGH-Rechtsprechung können Sie auch vereinbaren, dass der noch nicht genommene vertragliche Mehrurlaub auf jeden Fall am Ende des Jahres verfällt – unabhängig davon, ob Sie den Mitarbeiter entsprechend aufgeklärt und aufgefordert haben, die Resturlaubstage zu nehmen.

Langzeiterkrankten-Ansprüche

Langzeiterkrankte sind nicht in der Lage, auf eine entsprechende Aufforderung zu reagieren und den Urlaub zu nehmen. Ihre Urlaubsansprüche erlöschen 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, aus dem sie resultieren. Für Sie als Arbeitgeber besteht eine Belehrungspflicht erst wieder "nach Wiedergenesung bezogen auf die konkreten Ansprüche des Arbeitnehmers" (Landesarbeitsgericht Hamm/Westfalen, Urteil vom 24.07.2019, Aktenzeichen: 5 Sa 676/19).

War z.B. ein Arbeitnehmer im Jahr 2019 durchgängig erkrankt und konnte seinen Urlaub deswegen nicht nehmen, erlischt sein Anspruch für das Jahr 2019 frühestens am 31.03.2021. Folgerichtig können Sie diesen Arbeitnehmer auch erst nach seiner Genesung im Jahr 2020 auf den Verfall des Resturlaubs aus dem Jahr 2019 hinweisen und ihn auffordern, diesen Urlaub auch zu nehmen.

Dabei ist es wiederum möglich, zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Mehrurlaub zu unterscheiden. So lässt sich vereinbaren, dass der vertragliche Mehrurlaub – abweichend vom gesetzlichen Mindesturlaub – mit dem 31.03. des Folgejahres auch dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn bis dahin wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte.

Ansprüche aus der Elternzeit

Obwohl das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruht, entsteht währenddessen ein Urlaubsanspruch. Dieser Anspruch verfällt gemäß §7 Abs. 3 BUrlG auch nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2019, Aktenzeichen: 9 AZR 495/17). Allerdings dürfen Sie den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen (§17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, BEEG). Das allerdings müssen Sie dem Arbeitnehmer schriftlich erklären.

Die Kürzungserklärung können Sie vor, während und nach dem Ende der Elternzeit abgeben. Sie dürfen den Urlaubsanspruch allerdings nicht kürzen, bevor der Arbeitnehmer verkündet hat, dass er die Elternzeit in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus muss die Erklärung dem Arbeitnehmer zwingend zugehen, bevor das Arbeitsverhältnis endet – nachträglich können Sie nämlich nicht kürzen.

Thorben-Alexander Lommel, Rechtsanwalt, RST Beratungsgruppe, 45128 Essen E-Mail: talommel@rst-beratung.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(01):14-14