Umbauen, verlegen – oder aufgeben?

Wie Sie mit dem potenziellen Existenzkiller Barrierefreiheit umgehen


Karin Wahl

Apotheken können oft auf eine lange Tradition in denkmalgeschützten Gebäuden zurückschauen. Doch manchem Inhaber droht gerade dahingehend ein Paragraf der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zum Existenzkiller zu werden: Was tun Sie, wenn Ihre Apotheke nicht barrierefrei ist?

Seit 2012 soll jede Offizin gemäß §4 Abs. 2a Satz 1 ApBetrO barrierefrei erreichbar sein. Inzwischen ist diese "Soll"-Formulierung allerdings als "Muss"- Formulierung auszulegen – was die Aufsichtsbehörden verschiedener Bundesländer sehr konsequent angehen. Selbst Betreiber von Apotheken in denkmalgeschützten Gebäuden können sich nicht auf eine Ausnahmeregelung verlassen. Entschieden wird von Fall zu Fall – was die Sache nicht unbedingt gerechter macht.

Prinzipielle Optionen

Ist auch Ihre Apotheke nicht barrierefrei? Dann sollten Sie sehr sorgfältig und möglichst zusammen mit

  • dem Hausbesitzer (so Sie es nicht selbst sind),
  • einem erfahrenen Architekten,
  • einem Vertreter der (von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich agierenden) Aufsichtsbehörde und womöglich
  • einem Vertreter des Amtes für Denkmalschutz

bei einem Termin vor Ort analysieren, welche Optionen für Sie prinzipiell infrage kommen. So lässt sich besser abschätzen, ob Sie überhaupt eine Genehmigung erhalten und wie kostenintensiv das Ganze werden könnte. Mögliche Optionen sind:

  • eine Rampe, die mit Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwagen befahren werden kann, die aber den allgemeinen, öffentlichen Verkehr nicht behindern darf,
  • ein kleiner Lift auf Eingangshöhe, der den Verkehr ebenfalls nicht behindern darf,
  • ein kleiner Anbau am Seiten- oder Hintereingang, durch den die Kunden die Offizin erreichen können, ohne durch die "nicht öffentlichen" Apothekenbereiche geleitet zu werden (eine Option, die wohl eher für großflächige Apotheken infrage kommt),
  • eine Gegensprechanlage mit Überdachung "am Fuß" der Apotheke als nicht unbedingt komfortable Lösung, die bislang auch nur in Ausnahmefällen – und abhängig von der zuständigen Behörde – genehmigt worden ist,
  • eine Verlegung der Apotheke in nahe gelegene, geeignete Räumlichkeiten,
  • eine Verlegung der Apotheke an einen weiter entfernten Standort sowie
  • die Schließung.

Die Ergebnisse des Termins sollten Sie gemeinsam schriftlich festhalten. Danach ist eine Kosten-Nutzen-Analyse nötig, um zu evaluieren, bis zu welchem Betrag sich welche der möglichen Maßnahmen rechnen würde.

Wenn bauliche Veränderungen nicht möglich sind

Nun sind bei denkmalgeschützten Objekten in der Regel keine baulichen Veränderungen zulässig. Und manches Mal erlaubt das direkte Umfeld solche Maßnahmen nicht. Wenn Sie in diesen Fällen erwägen, ob Sie die Apotheke verlegen sollten oder gar schließen müssen, gilt es, die folgenden Fragen zu berücksichtigen:

  • Wie alt sind Sie? Und wie lange planen Sie, noch aktiv in der Apotheke zu stehen?
  • Wie sieht Ihre finanzielle Situation aus? Haben Sie genügend Rücklagen? Würde Ihnen Ihre Hausbank das Geld für die nicht kleine Investition leihen? Haben Sie genügend Sicherheiten?
  • Können Sie Ihr derzeitiges, vielleicht sogar noch recht neues Inventar zumindest teilweise in den neuen Räumen weiterverwenden? Und wenn nicht: Können Sie es an einen Kollegen verkaufen?
  • Gehören Ihnen die Apothekenräume? Oder haben Sie sie gemietet?

Zur letzten Frage: Als Eigentümer können Sie die Räumlichkeiten ganz oder in Teilen mehr oder weniger sofort anderweitig vermieten bzw. verkaufen, um dadurch gegebenenfalls auch die Liquidität für ein anderes Objekt zu gewinnen. Als Mieter sind Sie hingegen durch den Mietvertrag eingeschränkt. Wenn Sie jedoch eine günstige Kündigungsfrist rechtzeitig nutzen, können Sie Ihre Verluste gegebenenfalls gering halten – und die Barrierefreiheit ist anschließend nicht mehr Ihr Problem!

Wichtig: Sobald Sie sich für eine Option entschieden haben, müssen Sie unbedingt eine Stellungnahme des Regierungspräsidiums bzw. des zuständigen Amtsapothekers einholen. Erst wenn diese positiv ausgefallen ist, können Sie die weitere Planung in Angriff nehmen.

Wie die Verlegung gelingt

Entscheiden Sie sich, die Apotheke zu verlegen, kommen Sie nicht um eine Standortanalyse herum: Auch wenn Sie in der Nähe bleiben möchten, müssen Sie überprüfen, ob Ihr derzeitiges Umfeld so zukunftsträchtig ist, dass sich eine größere Investition lohnt. Wesentlich sind dabei natürlich auch die Mieten möglicher Objekte am neuen Standort.

Es ist eine Kunst, den Betrieb in den alten Räumen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und die neue Apotheke parallel dazu revisionsfertig aufzustellen. Daher bietet es sich an, in einer eher umsatzschwachen (Jahres-)Zeit und möglichst am Wochenende umzuziehen – nicht aber in der Hauptsaison.

Ist der neue Standort fußläufig erreichbar, können Sie es mit optimaler Planung und vielen helfenden Händen sogar schaffen, den Betrieb in den alten Räumlichkeiten bis Samstag aufrecht zu halten. Falls Sie den Rest des Wochenendes für den Umzug nutzen und der Pharmazierat bzw. Amtsapotheker gleich am Montag Morgen die Revision durchführt, kann es in den neuen Räumlichkeiten fast nahtlos weitergehen. Der Vorteil: Die Kunden werden überhaupt nicht tangiert.

Falls Sie kein Jungspund mehr sind

Um solch eine große Sache wie eine Apothekenverlegung allein zu schultern, sollten Sie noch mindestens zehn Jahre beruflich aktiv sein. Sind Sie hingegen bereits im "Vor-Rentenalter", gibt es dennoch eine weitere, praxisbewährte Option. Dafür sollten Sie sich jetzt schon aktiv um einen vertrauenswürdigen Nachfolger kümmern. Grundvoraussetzung: Die Chemie zwischen Ihnen beiden muss stimmen!

Gemeinsam bilden Sie eine offene Handelsgesellschaft (OHG) auf Zeit – in der Regel für zehn bis 15 Jahre. Dadurch teilen Sie sich das Risiko, das sich durch eine gute Planung von vornherein minimieren lässt. Sie selbst können dann in Ihrer aktiven Zeit am Erfolg des Projekts partizipieren und danach vielleicht noch die ein oder andere Vertretung in Ihrer ehemaligen Apotheke übernehmen. Ihr Junior-Partner hat die Möglichkeit, sich ohne 100%iges Risiko mit finanzierbaren Beträgen langsam in die Selbstständigkeit einzuarbeiten – und kann dabei auch von Ihrer langjährigen Erfahrung profitieren. Solch einen "fließenden Übergang" wissen übrigens gerade treue Stammkunden zu schätzen.

Wenn nur noch eine Option bleibt

Bitter wird es, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass sich die Verlegung nicht lohnt. Dann gilt es, die Apotheke kostensparend abzuwickeln. Zunächst müssen Sie Ihr Vorhaben rechtzeitig Ihrer Landesapothekerkammer (LAK) melden, damit diese die Notdienste anders verteilen kann. Von der Kammer erhalten Sie Checklisten für die Schließung, die es abzuarbeiten gilt. Außerdem sollten Sie natürlich auch Ihre Mitarbeiter frühzeitig schriftlich informieren, damit sie sich nach einem neuen Job umsehen bzw. sich bei der Agentur für Arbeit melden können. Vielleicht haben Sie ja auch die Möglichkeit, Ihr Personal an Nachbarapotheken zu vermitteln?

Übrigens: Wenn Sie die Apotheke schließen müssen, lässt sich manchmal trotzdem zumindest noch etwas von der traditionsreichen Vergangenheit in die Gegenwart retten: Sofern beispielsweise ein Buchladen, ein Reformhaus oder ein Lokal die Räumlichkeiten mitsamt Möblierung übernimmt, kann das "Apothekenflair" auch in einem ganz anderen Zusammenhang durchaus reizvoll wirken – auch wenn das oft nur ein kleiner Trost sein mag.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Beraterin im Gesundheitswesen 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(01):8-8