Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 19)

Der persönliche Kundenkontakt als Schlüssel zum Erfolg


Emanuel Winklhofer

Warum kaufen so viele Menschen ihre Lebensmittel auf dem Bauernhof oder dem Wochenmarkt ein? Weil sie den Vermarkter – meist schon lange – persönlich kennen, absolutes Vertrauen zu ihm haben, und weil die Qualität stimmt! Wie wird Ihre Apotheke zu solch einem "Kundenmagneten"?

Wie können wir eine echte Beziehung zu Kunden in einer Welt aufbauen, in der wir uns mit Fake News und globalen, gewinnorientierten Produktionsketten herumschlagen müssen?

Lange Leitung oder kurzer Draht?

Der Kunde von heute ist zwar digital und mobil, will aber doch als Persönlichkeit und Individuum wahrgenommen werden. Wie das gelingen kann und wie nicht, wollen wir an zwei ganz unterschiedlichen Kundensituationen verdeutlichen:

Situation 1: "Herzlich willkommen bei Ihrer Tralala-Krankenkasse! Geht es um eine Zahnbehandlung, dann sagen oder drücken Sie bitte 'Eins'. Geht es um andere Leistungen, dann sagen oder drücken Sie 'Zwei'. Für Auskünfte zu Ihrem Vertrag sagen oder drücken Sie 'Drei'. Kennen Sie schon die neue Tralala-App? Mit ihr können Sie mühelos Rechnungen über Ihr Handy einreichen. Zur Verbesserung der Servicequalität werden einige Gespräche am Telefon mitgeschnitten. Sollten Sie das nicht wünschen, sagen Sie jetzt 'Nein' oder drücken Sie 'Acht'. Übrigens freuen wir uns, wenn Sie nach dem Gespräch mit Ihrem Berater in der Leitung bleiben und das Gespräch bewerten!" – Musik – "Im Moment sind alle unsere Mitarbeiter im Gespräch. Die voraussichtliche Wartezeit beträgt vier Minuten und 23 Sekunden. Der nächste freie Mitarbeiter ist dann sofort für Sie da!" – Musik – "Sie können uns auch gern eine Mail an service@tralala.com schicken. Der nächste freie Servicemitarbeiter ist gleich für Sie da!" – Musik. Nach mehreren Minuten Wartezeit meldet sich eine genervte Stimme in irrwitziger Sprechgeschwindigkeit: "Schönengutentaghieristihretralalakrankenkassemeinnameistirgendwieundsowieso ..."

Situation 2: Sie betreten ein Bekleidungsfachgeschäft, in dem Sie schon seit vielen Jahren einkaufen. Hier treffen Sie auf Ihren Fachberater, den Sie bereits ebenso lange kennen und schätzen. Auch er kennt Sie und Ihren Geschmack genau. Er weiß daher aus dem Effeff, welche Konfektionsgrößen Ihnen bei unterschiedlichen Mode-Labels passen.

Sie müssen sicherlich nicht lange überlegen, in welcher dieser Situationen Sie sich wohler fühlen! Der persönliche Kundenkontakt, der vielleicht sogar schon über Jahre hinweg gewachsen ist, stellt wohl die wichtigste Säule in einer gut funktionierenden Kundenbeziehung dar – so auch in der Apotheke: Je näher Sie einen Kunden kennen und je mehr Sie von ihm wissen, desto persönlicher und vertrauensvoller können Sie mit ihm kommunizieren.

Vertrauen schafft Verbundenheit

Als Menschen sind wir von Natur aus soziale Wesen und versuchen, vorteilhafte Beziehungen zu anderen aufzubauen. Im Laufe von Jahrtausenden haben wir dieses Verhalten stark weiterentwickelt und optimiert. Wir suchen bei anderen nach kongruenten Signalen, gemeinsamen Werten und Wünschen, um unsere Entscheidungen zu treffen. Wir wollen von anderen verstanden, angenommen und wertgeschätzt werden.

Somit können wir Menschen keine rationalen Entscheidungen treffen. An jeder Entscheidung hängen eine ganze Menge an Emotionen – selbst wenn wir glauben, "immun" gegenüber externen Einflüssen zu sein. Wir reagieren nämlich immer auf Empfindungen unseres Körpers. Alles, was uns unangenehm erscheint, quittieren wir mit Ablehnung. Und alles, was wir als angenehm wahrnehmen, setzt ein Verlangen nach mehr in Gang. Situation 1 löst sicherlich bei vielen Menschen Ablehnung aus, wohingegen Situation 2 zu angenehmen Emotionen führt.

Wir leben heute in einer Zeit, in der wir uns die meisten Wünsche auf Knopfdruck erfüllen können. Die Entscheidung für oder gegen einen Geschäftspartner fällt daher beispielsweise viel schneller als noch vor 20 Jahren. Ein ganz wichtiger Faktor, der verhindert, dass ein Geschäftspartner gewechselt wird, ist die persönliche Beziehung auf Basis eines gegenseitigen Vertrauens. Der Onlinehandel z.B. bietet seinen Kunden wenig emotionale Bindung, er punktet fast ausschließlich über die Bequemlichkeit der Verbraucher und zum Teil über den Preis. Die persönliche Beziehung ist also ein ganz entscheidender Stellhebel für Vor-Ort-Apotheken.

Dabei gilt: Heute gibt es z.B. über die sozialen Medien oder auch über Apps schier unendlich viele Möglichkeiten, über die wir uns mit unseren Kunden vernetzen können. Doch befinden sich an beiden "Enden" dieses digital erweiterten Marketings immer noch Menschen mit Wünschen, Ängsten und Sorgen. Auch wenn uns die großartige Technik vieles vereinfacht, verbessert sie das Zwischenmenschliche in der Kommunikation (zumeist) nicht. Denn hierfür zeichnen sich immer noch unsere Emotionen bzw. das menschliche Gehirn als wohl sensibelstes Datenverarbeitungssystem der Welt verantwortlich.

Das Eisberg-Modell

Stellen Sie sich einen Eisberg vor: Vier Fünftel davon sind unter Wasser und werden damit gar nicht gesehen. Vergleichbar ist dieser Teil mit den allgemeinen Leistungen, die es in jeder Apotheke gibt, die also in der Regel nicht als etwas Besonderes wahrgenommen werden. Hierzu zählen etwa das gewöhnliche Rx-, Sicht- und Freiwahlsortiment, bestimmte Dienstleistungen (z.B. Blutdruckmessungen, ein Lieferservice oder der Verleih von Inhalationsgeräten), weiterhin Angebote, Rabatte und auch Kundenbindungssysteme. Aber dann gibt es beim Eisberg noch einen kleinen Teil über Wasser: Das "Herausragende" eben. Und analog sollten Sie genau das in Ihrer Apotheke nutzen!

Führen Sie dazu doch einmal eine ebenso wichtige wie interessante Übung mit Ihrem Team durch. Diskutieren Sie gemeinsam über die Frage: "Warum sollte ein Kunde genau in unsere Apotheke kommen – und nicht in irgendeine andere?" Was bietet Ihre Apotheke ganz Besonderes? Haben Sie wirklich – neben vielen anderen Vorteilen im Verkauf und Service – eine ganz besondere und persönliche Art, mit Ihren Kunden umzugehen?

Gerade ein Medikationsplan, den Sie mit und für den Kunden erstellen, bietet Ihnen eine tolle Möglichkeit "herauszuragen" – stellt er doch eine ganz spezielle Bindung zum Kunden her, die auf gegenseitigem Vertrauen wurzelt. Sie können aber auch alle Arten von Aktionen in der Apotheke nutzen, um immer wieder persönlich-emotionale Bindungen zu Kunden aufzubauen. Nicht zuletzt ist auch ein vielsprachiges Handverkaufsteam ein großer Pluspunkt (den Sie übrigens besonders intensiv bewerben sollten).

Auf den "Spirit" kommt es an!

Ein bekannter bayerischer Verkaufstrainer hat einmal in einem Seminar gesagt: "Du muaßt die Leut mögn!" Ja, das ist sicherlich der wichtigste Schlüssel, um Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Außerdem zentral: Empathie! Denn z.B. aus der Psychotherapie weiß man, dass mehr als 40% eines Behandlungserfolges von der Empathie des Therapeuten bestimmt sind.

Natürlich lässt sich allein mit Empathie, Freundlichkeit und einem möglichst persönlichen Kundenkontakt kein Marketing-Konzept bestreiten. Nichtsdestotrotz ist die emotionale Verbundenheit die Basis für eine adäquate Leistungsorientierung der Apotheke – sowohl in Sachen Produkt- und Dienstleistungs- als auch in Sachen Preis-, Kommunikations- und Distributions-Politik. Denn in allen anderen Leistungen sind Apotheken relativ austauschbar – in ihrer Persönlichkeit sind sie es nicht!

Jede Apotheke hat Mitarbeiter, und jede Apotheke hat einen Chef. Der besondere "Spirit", den Ihre Kunden in Ihrer Apotheke spüren, kommt – bei aller Liebe zu professionellen Marketing-Konzepten – von all diesen Menschen in Ihrem Unternehmen.

Service

Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zum Thema finden Sie unter der Rubrik "AWA" auf der Homepage des Autors.

Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(03):8-8