Gewappnet für neue Herausforderungen

Wie Sie lernen, sich selbst zu führen


Ute Jürgens

Wer sich selbst führen kann, ist vor allem in der Lage, die eigenen Emotionen zu stabilisieren. Niederlagen, verdrängte Gefühle und ungesunde Erfolgsrezepte sind nur einige der Schauplätze für eine bessere Regie im Umgang mit sich selbst, mit Angestellten und mit Kunden.

Nachdem sich früher jahrzehntelang kaum etwas im Apothekenalltag geändert hat, folgt aktuell eine Umstellung auf die andere. Immer wieder neue Vorschriften, eine ständig wechselnde Teamzusammensetzung, andauernde technische Neuerungen – alles bringt Unruhe und macht Flexibilität notwendig. Dazu kommt der ganz normale Alltagsstress mit seinen vielen Aufgaben, die in (zu) kurzer Zeit erledigt werden müssen – egal in welchen Arbeitsbereich man schaut:

  • Rezeptur: Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse darüber, welche Substanzen wie zu verarbeiten sind und mit welchen (neuen) Hilfsstoffen Stabilität und Wirksamkeit garantiert werden können. Eichfaktoren, Qualitätsmanagement und Protokolle kommen dazu.
  • Handverkauf: Die Beratung als Kernaufgabe wird u.a. erschwert durch Rabattverträge, Nichtlieferfähigkeit, gestresste Kunden und Computerpannen. Nicht vergessen seien auch "Zusatzqualifikationen", wie z.B. Fremdsprachenkompetenzen, die mittlerweile fast schon als selbstverständlich erachtet werden.
  • Backoffice: Hier wird der Alltag immer stärker durch ständige telefonische Unterbrechungen, die Defektbearbeitung, fehlerhafte Direktlieferungen etc. erschwert.

Umso wichtiger ist es, dass wir innerlich ebenso ruhig wie gefestigt sind, uns gut kennen und uns auch steuern können – sprich: Dass wir uns selbst führen. Denn wir brauchen heute mehr denn je eine innere Stabilität gegen die Schnelllebigkeit, die Widersprüche und die Instabilität, mit denen wir ständig von außen konfrontiert werden. Gefühle können uns dabei ebenso helfen wie hindern. Deswegen sollten wir sie erkennen, sie trainieren und formen [1]. Dafür sind ständige Reflexion und Disziplin nötig. Nichtsdestotrotz lohnt sich der Aufwand – gerade auch, weil die Freude groß ist, wenn man die schwierigen Herausforderungen gemeistert hat.

Im Folgenden stellen wir Ihnen fünf Ansatzpunkte vor, mit denen Selbstführung gelingen kann [2].

1. Verantwortung für sich selbst übernehmen

Wir neigen dazu, anderen die Schuld zuzuschieben, wenn wir uns mit ihnen und ihrem Handeln nicht wohlfühlen. Wer entscheidet aber, wie wir das Verhalten unseres Gegenübers interpretieren?

Wie oft nehmen wir beispielsweise etwas persönlich, was ein anderer nur mal eben "adressenlos" angemerkt hat? Wie oft empfinden wir (unbeabsichtigte) Fehler als persönliche Beleidigung und gar als Sabotage am Betrieb? Die Liste an solchen Fragen ließe sich noch weiter fortsetzen.

Zwar wirken sich Tun, Blicke und Bemerkungen unserer Mitmenschen auf unsere eigene Befindlichkeit, Tagesstimmung, Arbeitsfähigkeit und sogar auf unsere Gesundheit aus. Aber: Wir sind es immer noch selbst, die die Dinge bewerten – und da nicht immer alles bösartig gemeint ist und mit der Absicht geschieht, den Ast abzusägen, auf dem wir sitzen, sollten wir uns immer fragen, was dahintersteckt. Denn manchmal ist es eben nur das ungeschickte oder gedankenlose Verhalten beispielsweise eines Mitarbeiters.

Gestehen Sie sich ein, dass Sie selbst als Untertan Ihrer spontanen Gefühle und unreflektierten Auffassungen aktiv sind. Ist Ihnen das klar, können Sie alles Nötige viel besser bearbeiten und abhaken. Dann haben Sie den Kopf frei für Wichtigeres und sparen viel Kraft.

2. Durchgehende Gedankenpferde bändigen

Manchmal rauben uns nicht die Tätigkeiten an sich, sondern das endlose Nachdenken darüber unsere Kraft:

  • "Was denken meine Angestellten/Kunden, wenn ich ... ?"
  • "Vielleicht hätte ich doch lieber ... !?"
  • "Wenn die Investition schiefgeht, bin ich insolvent!"

Sich bei derartigen Gedanken zu erwischen, bevor man sie minutenlang weiterspinnt, ist eine kleine Kunst – die sich aber lernen lässt, und zwar am einfachsten durch mentale Techniken. Eine davon ist das Zählen. Ein Beispiel: "Stopp! Was geht hier schon wieder bei mir ab? Eins! Zwei! Drei! Vier! Fünf!" Weitere Techniken: Atmen Sie bewusst tief durch. Oder stellen Sie sich vor, Sie wären am Meer bzw. flanieren durch eine wunderschöne Landschaft. Wenn Sie so aus dem wilden, oftmals unrealistischen Gedankengalopp aussteigen, können Sie sich wieder besser konzentrieren und bekommen freie Kapazitäten.

Machen Sie sich klar, was Sie wirklich beeinflussen können, und halten Sie sich nicht mit Grübeleien über andere Dinge auf. Das heißt natürlich nicht, dass Sie das, was Ihnen schwer im Magen liegt, gut finden sollen. Es zu akzeptieren und dann möglicherweise loszulassen, ist jedoch schon einmal eine wertvolle Kompetenz, die das (Arbeits-)Leben leichter macht.

3. Veränderungsprozesse mit Selbstvertrauen angehen

Mal kommen große, mal kleine und mal winzige Veränderungen von außen, mal stoßen wir auch selbst Veränderungen in der Apotheke an. Selbstvertrauen entsteht hier, wenn klar ist, was getan werden muss – und wenn man darüber hinaus das Gefühl hat, das auch tatsächlich schaffen zu können. Klären Sie daher

  • das "Wozu?" ("Wozu ist diese neue Vorgehensweise gut?"),
  • das "Was?" ("Was passiert, wenn wir handeln? Was entgeht uns, wenn wir beim Alten bleiben?") und
  • das "Wie?" ("Wie gehen wir genau vor, um unser Ziel zu erreichen?").

Gerade im Hinblick auf die letzte Frage gilt: Auch als Chef müssen Sie nicht immer fertige und perfekte Lösungen präsentieren, die Ihre Mitarbeiter dann aus dem Stand umsetzen sollen – zumal das häufig verunsichert. Besser: Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Team Maßnahmen. So können Sie Aufgaben auch auf mehreren Schultern verteilen. Ihre Mitarbeiter werden überdies selbstsicherer und selbstständiger, wenn Sie sie einbeziehen und sie mitgestalten lassen. Außerdem identifizieren sie sich eher mit den Aufgaben sowie dem Ergebnis – und starten auch eher mit der Umsetzung.

4. Unabhängigkeit schaffen

Achten Sie auf Botschaften aus Ihrem Umfeld und prüfen Sie, ob Sie diesen Botschaften folgen wollen. Ein Beispiel: Agieren alle um Sie herum (auch Ihre Kunden) hastig bis zur Kopflosigkeit? Dann sollte das trotzdem kein Grund sein, sich anstecken zu lassen. Bleiben Sie ruhig! Denn hektisch arbeiten Sie nicht besser. Schlechte Laune wäre ein anderes Beispiel, Unfreundlichkeit ebenso. Hinterfragen Sie also, was andere als notwendig oder unumgänglich darstellen.

5. Geduldig sein – und keinen Druck ausüben

Selbstführung gelingt besser, wenn wir uns über unsere persönlichen Einstellungen, Vorlieben, Gefühle etc. im Klaren sind und wenn wir wissen, in welchen Bereichen wir ein Zuviel oder ein Zuwenig haben. Daher sollten wir Aufgaben mit Ruhe und Wohlwollen angehen, statt uns zu Dingen zu zwingen, die noch nicht ausgereift sind. Wir müssen also nicht immer sofort aktiv werden. Ab und zu kommen wir zu besseren Lösungen, wenn wir ein bisschen abwarten. Oft reicht es dann auch aus, erst einmal nur 80% zu geben – statt immer gleich 100%.

Es geht nicht darum, der perfekte Mensch zu werden, sondern vielmehr perfekt genau der Mensch, der wir sind. Sofern Sie mit sich selbst im Reinen sind, wirkt sich das letztlich auch positiv auf Ihr Umfeld aus. Denn wenn Sie in der Apotheke Achtung, Respekt und Freude vorleben, fördern Sie ein positives Betriebsklima, in dem Motivation, Dynamik und Kreativität nicht zu kurz kommen [3].

Literatur

[1] Braun, R.: Unsere 7 Sinne – Die Schlüssel zur Psyche, Kösel-Verlag: München 2019
[2] Platen, A. v.: Selbstführung 4.0 – Von innen stark, in: managerSeminare 1/2019, S. 64–70
[3] Oppelt, S.: Quantensprung im Business – Erfolgreich in die neue Zeit!, Verlag Via Nova: Petersberg 2011

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(03):10-10