Mehr Fragen als Antworten

Wie Sie ab März mit Wiederholungsrezepten für GKV-Patienten umgehen


Dr. Bettina Mecking

Im Dezember 2019 hat der Bundesrat das Masernschutzgesetz beschlossen. Damit ist der Weg frei für das Wiederholungsrezept – die entsprechenden Regelungen sollen am 1. März 2020 in Kraft treten. Für die praktische Umsetzung in der Apothekenpraxis bleiben allerdings Fragen offen.

Wer chronisch krank ist und regelmäßig bestimmte Arzneimittel benötigt, kann bald von seinem Arzt eine Wiederholungsverordnung bekommen. Als chronisch krank gilt dabei in Deutschland, wer mindestens einmal pro Quartal und mindestens ein Jahr lang aufgrund derselben Erkrankung ärztlich behandelt wird. Zu den chronischen Erkrankungen, die eine Dauerbehandlung erfordern, gehören u.a. Diabetes mellitus, Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, koronare Herzkrankheiten und Autoimmunerkrankungen.

Was ab 1. März 2020 möglich ist

Während es für Privatpatienten bereits Wiederholungsrezepte gibt, treten die entsprechenden, mit dem Masernschutzgesetz beschlossenen Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) am 1. März dieses Jahres in Kraft. Dadurch bekommen Patienten ein Arzneimittel nach erstmaliger Belieferung noch bis zu drei weitere Male, ohne dass es ein Arzt erneut verordnen muss.

Apotheken bringt das zunächst einmal mehr Sicherheit. Denn zukünftig werden z.B. an Samstagen oder während der Notdienste seltener Patienten mit dem altbekannten Anliegen vor Ihnen stehen: "Sie wissen doch, dass ich XY immer bekomme. Ich habe nur vergessen, mich rechtzeitig um ein neues Rezept zu kümmern. Könnten Sie es mir nicht ausnahmsweise mal so geben? Ich reiche das Rezept ja auch schnellstmöglich nach!"

Die Bestimmungen zum Wiederholungsrezept werden als neuer Absatz 1b in §31 Sozialgesetzbuch (SGB) V festgelegt: "Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden."

Die Gültigkeitsdauer des Rezeptes hat der Arzt festzulegen. Laut §2 Nummer 6a Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) muss er dazu auf dem Wiederholungsrezept ergänzen, wie oft das Arzneimittel abgegeben werden darf. Fehlt diese Angabe, ist das Rezept drei Monate lang gültig.

In §4 Abs. 3 AMVV sind weitere Details zur Wiederholungsverordnung zu finden. Demnach darf nur diejenige Packungsgröße wiederholt abgegeben werden, die der Arzt für die erstmalige Abgabe bestimmt hat. Außerdem ist hier festgelegt, dass Wiederholungsrezepte ausschließlich für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel – nicht aber für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel – ausgestellt werden dürfen.

Wo Klärungsbedarf besteht

Wie genau diese Vorgaben zum Wiederholungsrezept umgesetzt werden sollen, klären derzeit u.a. die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband. Noch sind nämlich viele Fragen offen.

So erlaubt der momentane Aufbau des Muster-16-Formulars keine wiederholte Belieferung. Daher sind neue Datenfelder nötig, in die die notwendigen Angaben bei jeder Abgabe eingetragen werden können. Beispielsweise wären mehrere zusätzliche Zeilen pro Verordnungsposition sowie eine zusätzliche Spalte für das Abgabedatum denkbar. Denn schließlich kann es zwischen erster Abgabe und Wiedervorlage zu

  • Preisänderungen,
  • Zuzahlungsanpassungen oder
  • zur Erfordernis kommen, ein anderes Arzneimittel als beim ersten Mal abzugeben (z.B. durch Rabattvertragsänderungen oder Lieferengpässe).

Bislang gibt es auch keine genauen Vorgaben, wo auf dem Rezept der Arzt die Gültigkeitsdauer festlegen soll. Möglicherweise könnte er sie unter dem verschriebenen Arzneimittel vermerken. Außerdem ist noch nicht geklärt, wie eine Verordnung überhaupt und grundsätzlich als Wiederholungsrezept gekennzeichnet wird.

Wenn diese Fragen geregelt sind, müssen die IT-Anbieter die Apothekensoftware anpassen, damit die Rezepte entsprechend bedruckt werden können.

Welche Nachteile sich für Apotheken ergeben könnten

Auch in Sachen Abrechnung bedarf es weiterer Vereinbarungen. Hier müssen sich die Apothekerschaft und die Krankenkassen im Rahmenvertrag nach §129 Abs. 2 SGB V insbesondere über die notwendigen Formalitäten sowie das Prozedere verständigen. Aktuell ist es nämlich zumindest praktisch noch nicht möglich, eine Verordnung zu Lasten der GKV wiederholt zu beliefern.

Beispielsweise stellt sich die Frage, wie abgerechnet werden soll, wenn es – wie bereits erwähnt – eine Preisänderung gab oder ein Arzneimittel bei der Wiedervorlage substituiert werden musste. Hier zeichnet sich schon bei den ersten Überlegungen ein erhebliches Retaxrisiko ab.

Ein weiterer Knackpunkt: Verordnungen werden bekanntlich erst abgerechnet, nachdem sie vollständig beliefert worden sind. Bei einer Mehrfachverordnung geht die Apotheke daher bis zur letzten Abgabe in Vorleistung. Wenn es sich bei den verordneten Arzneimitteln um Hochpreiser handelt, kann dies – ohne Abschlagszahlungen der GKV – zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen, die sich möglicherweise existenzgefährdend auswirkt.

Hinzu kommt, dass Wiederholungsverordnungen länger als normale Rezepte in der Apotheke verbleiben und sicher aufbewahrt werden müssen – eben so lange, bis sie komplett beliefert worden sind. Dadurch entsteht auch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand, denn die Verschreibungen müssen – allein schon wegen der verschiedenen Gültigkeitsfristen – regelmäßig durchgesehen werden.

Am Rande: Ungeklärt ist auch, ob der Patient als Beleg für das in der Apotheke verbleibende Rezept ein Ersatzdokument bekommen soll.

Ein Blick nach vorne

Viele Apotheker hierzulande befürchten, dass die ertragbringenden Wiederholungsrezepte ins Ausland "umgeleitet" werden. In der Tat dürfte es für die Internetversender zukünftig leichter werden, denn sie müssen nur noch einmal um ein Rezept buhlen und können dann die mehrfache Belieferung abrechnen. Somit droht, dass Chroniker langfristig aus der Versorgung durch die Vor-Ort-Apotheken "herausfallen".

Immer wieder hört man von Ärzten, die das Wiederholungsrezept "boykottieren" wollen. Was steckt dahinter? Wie bereits ausgeführt, suchen chronisch Kranke ihren Arzt derzeit per definitionem mindestens viermal jährlich auf. Wird diesen Patienten zukünftig allerdings eine N3-Packung auf einem Wiederholungsrezept verschrieben, könnten sie damit ihren Jahresbedarf decken. Sie müssten also nur noch einmal jährlich zum Arzt, sodass dieser statt vier Quartalspauschalen nur noch eine einzige abrechnen könnte – kein Wunder also, dass das nicht auf Begeisterung stößt.

Natürlich liegt es in der Verantwortung des Arztes, ein Wiederholungsrezept auszustellen. Schließlich wäre es fatal, wenn chronisch Kranke nur noch in großen Abständen in die Praxis kämen. Deshalb sollten Ärzte in den entsprechenden Fällen darauf achten, dass sie die notwendigen Verlaufskontrollen beim Patienten durchführen. Zu diesem Zweck könnte man z.B. die Ausstellung von Wiederholungsrezepten daran koppeln, dass die jeweiligen Patienten in Disease-Management-Programme eingeschrieben sind.

Eine Vision: Denkbar wäre, dass Apotheken eine wichtige begleitende Funktion übernähmen, wenn es darum geht, die Dauermedikation von Patienten mit Wiederholungsrezepten zu kontrollieren.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(04):14-14