Aggressive Kunden, Einbrecher und Co.

Wie Sie Ihr Personal vor Übergriffen schützen


Karin Gruber

Im normalen Tagesgeschäft, aber auch im Nacht- oder Notdienst können Kundengespräche schwierig verlaufen und sogar körperliche Übergriffe erfolgen. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Team auf solche Situationen einzustellen und sie, so sie eintreten, umfassend nachzubereiten.

Im Handverkauf lassen sich Konfliktsituationen nicht immer vermeiden. Kunden reagieren z.B. aggressiv, weil sie sich über Zuzahlungen ärgern oder darüber, dass sie nicht das gewünschte Medikament bekommen. Das Apothekenpersonal hat auf diese "Auslöser" zwar keinen Einfluss, wird aber vom Kundenfrust getroffen.

Dieser Frust äußert sich oft in Form von persönlichen Beleidigungen oder Verdächtigungen, bei denen die berufliche Kompetenz oder die persönliche Integrität infrage gestellt wird. Zu verbaler Aggression kommt es auch bei einer zum Teil schwierigen Kundenklientel wie psychisch oder Sucht-Kranken, die ihr Verhalten infolge von kognitiven oder emotionalen Einschränkungen nicht steuern können. Nicht zuletzt können aber auch körperliche Angriffe ebenso wie Raubüberfälle vorkommen.

Sie als Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die psychische Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden wird. Es ist wichtig, mögliche Gefährdungen zu thematisieren. Sprechen Sie mit Ihren Beschäftigten darüber und entwickeln Sie gemeinsam ein Präventionskonzept.

Was tun bei aggressiven Kunden im Handverkauf?

Verbale Gewalt ist häufig Folge einer Eskalation. Aggressive Kunden fühlen sich missverstanden oder nicht ausreichend wertgeschätzt. Sie haben ein Problem, das es herauszufinden gilt, um entsprechend reagieren zu können. Hier hilft es, wenn das Personal im Kundenkontakt aktiv zuhört und Verständnis zeigt. Achten Sie auf eine deeskalierende Körpersprache, und reden Sie stets ruhig, freundlich und mit einer möglichst tiefen Stimme. Vermeiden Sie provokative Begriffe, Vorwürfe oder gar Drohungen, und lassen Sie die Ihnen entgegengebrachte Aggression nicht als solche auf sich wirken. Reagieren Sie nicht mit persönlichen Gefühlen, sondern bleiben Sie ebenso beherrscht wie kontrolliert, und erklären Sie den Sachverhalt.

Um die Geduld der übrigen Kundschaft nicht unnötig zu strapazieren, sollten Sie die Bedienungsreihenfolge durch eine gute Organisation eindeutig festlegen. Versuchen Sie dabei, die individuelle Wartezeit so gering wie möglich zu halten.

Zur Unternehmenskultur sollte ein tabufreier Umgang mit den Themen Gewalt und Aggression gehören, der entsprechende Vorfälle nicht bagatellisiert oder totschweigt. Führen Sie persönliche Gespräche mit besonders betroffenen Beschäftigten. Oder greifen Sie das Thema in einer Teamsitzung auf: Besprechen Sie gemeinsam schwierige Situationen, und entwickeln Sie Entlastungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten. Vor allem geht es darum, aus Vorfällen zu lernen und mögliche Konsequenzen zu ziehen.

Einigen Sie sich im Team auf verbindliche und eindeutige Handlungsanweisungen. Hilfreich für Belastungs- und Stresssituationen ist es, eine Standardformulierung gegenüber den "problematischen" Kunden festzulegen und einzuüben. Regelmäßige Schulungen der Handlungsanweisungen helfen, das Gelernte im Bedarfsfall anzuwenden und somit ebenso angemessen wie besonnen zu reagieren.

Was tun beim Einbruch oder Überfall?

Ein tätlicher Angriff im Nachtdienst oder ein Raubüberfall am Tage – Situationen wie diese gibt es leider immer wieder. Ein Überfall kann sich in der Apotheke ereignen, aber auch Boten bzw. Angestellte auf dem Weg zur Bank oder beim Auf- und Abschließen der Apotheke können betroffen sein. Gleichermaßen kann ein nächtlicher Einbruch, bei dem kein Personal anwesend ist, ein ungutes Gefühl auslösen – vor allem bei den Beschäftigten, die ansonsten den Nacht- und Notdienst übernehmen.

Sie als Apothekenleitung sind gefordert, Risiken für Ihr Personal mithilfe der Gefährdungsbeurteilung ebenso zu erkennen wie zu minimieren und Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Beschäftigten festzulegen. Dazu zählen etwa Verhaltensweisen während eines Raubüberfalls (vgl. den Kasten).

Am besten üben Sie diese Abläufe gemeinsam, um gefährliche spontane Reaktionen zu vermeiden. So ist das Personal auf den Ernstfall vorbereitet, bleibt – wenn es hart auf hart kommt – handlungsfähig und agiert kontrolliert.

Eine weitere vorbeugende organisatorische Maßnahme: Vermeiden Sie den offenen Umgang mit Bargeld. Zudem sollten Außenstehende nicht vorhersehen können, wann Ihr Geld zur Bank gebracht wird: Setzen Sie wechselndes Personal ein, und variieren Sie Zeit und Transportmittel.

Wichtig ist auch, dass das Nachtdienstfenster und der Eingangsbereich gut ausgeleuchtet sind. Zudem sollten Büsche und Pflanzen die Sicht auf die Apotheke nicht einschränken.

Wenn Sie eine sichtbare Alarmanlage oder Überwachungskameras installieren, wirkt das abschreckend. Und auch ein Alarmsystem in der Apotheke, wie z.B. ein Notrufknopf, kann hilfreich sein.

Unmittelbar nach einem Überfall oder Gewalterlebnis ist die Unterstützung durch das Team bzw. die Familie besonders wichtig. Helfen Sie Betroffenen, den Handverkauf zu verlassen und sich in einen warmen, geschützten Raum zurückzuziehen. Schaffen Sie eine angstfreie Gesprächsatmosphäre, und zeigen Sie aktive Anteilnahme. Bieten Sie Essen und Trinken an – auch das kann helfen. Ruhige, beruhigende und wertschätzende Empathie ist die wichtigste soziale Unterstützung.

Ein Gewalterlebnis ist ein Arbeitsunfall

Trotz aller Präventionsmaßnahmen kann leider nicht jeder verbale Angriff oder Überfall verhindert werden. Daher ist es wichtig für Sie zu wissen: Derartige Extremerlebnisse sind Arbeitsunfälle und fallen damit unter den Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Sie als Unternehmer sind verpflichtet, Arbeitsunfälle an die regional zuständige BGW-Bezirksverwaltung zu melden, wenn die Beschäftigten dadurch für mehr als drei Tage arbeitsunfähig sind. Nach einem extrem belastenden Gewaltereignis sollte auch ohne unmittelbare Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich eine Meldung erfolgen.

Denn psychische Verletzungen (Traumata) als Folge von Gewalt treten häufig nicht sofort, sondern erst Tage oder Wochen nach dem auslösenden Ereignis auf. Anzeichen dafür sind beispielsweise Albträume, Schlafstörungen oder Angstsymptome, aber auch Erschöpfungszustände, Konzentrationsstörungen oder Gereiztheit.

Nach einer Meldung wird die BGW mit der betroffenen Person Kontakt aufnehmen, um im Bedarfsfall schnell Rehabilitationsmaßnahmen einleiten zu können. Als Soforthilfe bietet die BGW überdies eine psychotherapeutische Betreuung an – sowohl telefonisch als auch persönlich. Unbürokratisch und schnell sind zunächst fünf sogenannte probatorische Sitzungen möglich. Anschließende Maßnahmen werden danach individuell abgestimmt.

Übrigens: Ist eine ärztliche Behandlung erforderlich, erfolgt diese – wie bei Arbeitsunfällen generell üblich – bei einem Durchgangsarzt. Auch nach einem traumatischen Ereignis ist eine durchgangsärztliche Konsultation oft hilfreich.

Service

  • Die Adresse der nächstgelegenen Durchgangsarzt-Praxis erhalten Sie über die Durchgangsarzt-Datenbank der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Karin Gruber, Apothekerin, wissenschaftliche Honorarkraft Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, E-Mail: karin.gruber@bgw-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(04):10-10