Unfall auf dem Weg zur Arbeit

Krankheitskosten steuerlich voll absetzbar


Helmut Lehr

Krankheitsbedingte Behandlungskosten können Sie im Allgemeinen nur (beschränkt) als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Handelt es sich dabei jedoch um Folgekosten eines Unfalls auf dem Weg zur Arbeit, sind die Aufwendungen Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben.

Die steuerliche Behandlung von Unfallkosten ist seit jeher problematisch. Umstritten ist insbesondere die Frage, ob Sachschäden für Unfälle auf dem Weg zur Arbeit durch die Entfernungspauschale (0,30 €/Kilometer) abgegolten sind.

Während die höchstrichterliche Rechtsprechung dem "Steuervorteil" kritisch gegenübersteht, zeigt sich die Finanzverwaltung hier weitgehend kulant: Aufwendungen für Sachschäden am Fahrzeug o.Ä. werden als beruflich veranlasste Mobilitätskosten bei den Werbungskosten anerkannt. Als selbstständigem Apotheker steht Ihnen ein entsprechender Betriebsausgabenabzug zu. Unfallbedingte Krankheitskosten wurden allerdings bislang nur vereinzelt berücksichtigt.

Beispiel

PTA Junk trug im Mai 2016 bei einem Autounfall auf dem Rückweg von ihrer Arbeitsstätte schwere Verletzungen im Gesicht davon und musste direkt danach am Nasenbein operiert werden. Ein Jahr später war eine weitere Operation erforderlich. Die zuständige Berufsgenossenschaft übernahm die Kosten nach den für den Sozialversicherungsträger geltenden Sätzen. Die über diese Sätze hinausgehenden Kosten der Operationen sowie weitere Behandlungskosten (inklusive Fahrtkosten) machte Junk als Werbungskosten geltend.

Oberstes Steuergericht lenkt ein

In einem vergleichbaren Fall hat das Finanzamt die Werbungskosten nicht berücksichtigt, weil es die Krankheitskosten nicht als unmittelbare Unfallkosten ansah. Nachdem auch die Klage vor dem Finanzgericht in erster Instanz ohne Erfolg geblieben war, hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Krankheitskosten allerdings steuerlich als Werbungskosten berücksichtigt (Urteil vom 19.12.2019, Aktenzeichen: VI R 8/18).

Die Richter betonten zwar erneut, dass klassische Unfallkosten – entgegen der Finanzverwaltungs-Auffassung – nicht neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten absetzbar seien. Allerdings hat der BFH die unfallbedingten Operations- und Behandlungskosten gar nicht als "berufliche Mobilitätskosten" bzw. Unfallkosten eingestuft: Unfallfolgekosten für die Beseitigung oder Linderung von Körperschäden entstünden weder fahrzeug- noch wegstreckenbezogen. Vielmehr seien sie schlichtweg beruflich veranlasste Aufwendungen – und damit steuerlich abzugsfähig.

Hinweis: Nimmt man den BFH beim Wort, müsste die Abzugsmöglichkeit auch für andere, nicht fahrzeug- bzw. wegstreckenbezogene "Unfallschäden" gelten. Zu denken ist etwa an die Kosten für beschädigte Kleidung oder eine Brille.

Fahrten zur Apotheke

Das BFH-Urteil hat sich zwar konkret mit dem Werbungskostenabzug eines Arbeitnehmers befasst. Allerdings kann in diesem Zusammenhang für die Fahrten eines Selbstständigen nichts anderes gelten. Deshalb sollten Sie unfallbedingte Krankheitskosten als Betriebsausgaben geltend machen, wenn der Unfall auf der Fahrt zur Apotheke bzw. auf einer allgemein betrieblich veranlassten Fahrt passiert ist.

Hinweis: Zwar sind notwendige Krankheitskosten dem Grunde nach bereits als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Da sie insoweit allerdings stets um die zumutbare Belastung gekürzt werden (vgl. AWA 13/2017), ist der Betriebsausgabenabzug regelmäßig günstiger.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(09):18-18