Mittelfrist-Planung

Den Gürtel enger schnallen!?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Zeichen stehen auf Lockerung und Anpeilen des Vor-Corona-Zustandes. Betrachtet man so manchen Volksauflauf, mag man sogar an eine rasche Erholung glauben. Doch die Verunsicherung sitzt tief, und der "finanzielle Rucksack" zur Krisenbewältigung wird erst gepackt.

Ungeachtet der Milliardenbeträge, die zur Stimulation der Wirtschaft eingesetzt werden: Die Lust am Einkaufen und am Geldausgeben hat gelitten. Firmen entdecken die Vorteile von Homeoffice, was die Menge der Berufspendler reduziert – wovon wiederum der Einzelhandel und so manche Apotheke betroffen ist. Die Älteren verhalten sich nach wie vor vorsichtiger.

Die "90%-Planung"

Viele Apotheken dürften sich somit in einem Szenario mäßig zurückgehender Umsätze und Erträge wiederfinden. Dabei wird der Barumsatz deutlich stärker einbrechen als der klassische Rezeptumsatz. Wir sehen bereits heute stärker zurückgehende Kunden- und Umsatzzahlen. Teure Chroniker- und Spezialrezepte bleiben zwar weitestgehend erhalten, aber diverse Akutrezepte für banale Erkrankungen werden weniger, da die Praxen nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit aufgesucht werden.

Nachdem aber nun die temporäre "Fern-Krankschreibung" zurückgenommen wurde, dürften sich die Praxen wieder stärker wegen "Erkältung", "Rücken" oder undifferenzierter Schmerzen bzw. psychischer Unpässlichkeiten füllen. Allerdings wird auch die Sparneigung zunehmen, und viele Käufe haben sich nochmals stärker in den Versand verlagert. Mit einer "90%-Planung" dürfte die Mehrheit der Apotheken auf der sicheren Seite sein. Wenn es doch besser kommen sollte, umso schöner!

Anpassungsvarianten

Tabelle 1 illustriert einige Varianten, wie ein 90%-Szenario (bzw. ein Rückgang von Umsatz und – hier gleichermaßen – Rohertrag um 10%) in Zahlenform aufgelöst werden kann. Ausgangspunkt ist wieder eine solide Apotheke der 3-Mio.-€-Klasse mit branchenüblichen Kennzahlen. Diese wirft über die Verpflichtungen und die Lebenshaltungskosten hinaus noch einen hübschen "Netto-Free-Cashflow" zur wirklich freien Verfügung ab, z.B. für etwas Luxus obenauf oder die Vermögensbildung.

10% Ertragsrückgang machen dies bereits völlig zunichte, es droht ein spürbares Defizit, aufzufangen durch private Einschränkungen – oder eine betriebliche Gegensteuerung. Ein schlichter Ansatz: Alle Kosten entsprechend dem Ertragsrückgang ebenfalls um 10% reduzieren. Auch dann bleibt übrigens noch eine Gewinneinbuße, die Lage ist aber insoweit stabilisiert. Eine sanftere Variante reduziert Personal- und Sachkosten recht maßvoll: Einsparungen von rund 6% beim Personal und rund 5% bei den Sachkosten sind in diesen Größenordnungen fast immer ohne Verwerfungen darstellbar. Im Szenario gelingt es damit zwar, den Lebensstandard zu stabilisieren, jedoch lassen sich kaum weitergehende Überschüsse erzielen. Möchte man den Gewinn mindestens halten, muss man tief einschneiden, z.B. mit einem Minus von knapp 19% beim Personal und gut 10% bei den sonstigen Betriebskosten. Dies läuft bereits auf eine Art "Grundsanierung" hinaus.

Dauerthema Personal

Beim Thema Mitarbeiterführung gilt mehr denn je: Zuckerbrot und ein wenig mehr Peitsche. Letztere war ja beinahe ausgestorben. In jedem Falle ist jetzt nicht die Zeit, sich auf dauerwirksame Gehaltserhöhungen einzulassen, deren Motivationswirkung typischerweise rasch verfliegt. Hier sollten Sie sich nicht scheuen, ein wenig die Angstklaviatur zu bedienen, so wie wir das ja gesamtgesellschaftlich kennen – insoweit sind die Menschen schon vorkonditioniert.

Das bedeutet konkret: Apothekenarbeitsplätze sind immer noch recht sicher, was in anderen, ehemals hochgelobten Branchen (Industrie!) keineswegs mehr so ist. Jeder dürfte schon jetzt diverse Beispiele für Kurzarbeit, Arbeitsplatzabbau oder schwierige Berufseinstiege kennen. Und noch ist nach wie vor überhaupt nicht klar, wie sich das Pandemiegeschehen weiter entwickelt, denn rein immunologisch sind wir immer noch fast da, wo wir schon vor Monaten standen. Man kann das nicht oft genug wiederholen.

Allerdings dürfte das Verhalten der Menschen mit Masken, Abstand, häufigerem Waschen etc. nicht ohne Einfluss auf die kommende Erkältungs- und Grippesaison bleiben. Die Winterbevorratung sollte also vorsichtiger ausfallen, was eben auch für eine weiter schwierige Ertragslage spricht.

Eine kluge Strategie ist es daher, den Mitarbeitern zu verdeutlichen, dass wir nun durch die nächsten Monate kommen müssen, insbesondere durch den Winter. Ist dies geschafft und hellt sich die Lage auf, kann wieder über das Verteilen des Kuchens gesprochen werden. Um Ungerechtigkeiten auszugleichen oder gute Leistungen in der Krise zu honorieren, nutzen Sie die insoweit einmalige Möglichkeit der steuerfreien Prämien (maximal 1.500 € in diesem Jahr). Jeder Euro, den Sie so ausschütten, kommt eins zu eins bei den Mitarbeitern an. Würden Sie das als Gehalt auszahlen, würde jeder Netto-Euro Sie als Arbeitgeber je nach Steuerklasse und Gehaltsniveau der Mitarbeiter 2,00 € bis 2,50 € kosten. Bei fast allen Mitarbeitern lassen sich so die Gehaltsdiskussionen vertagen, ohne einen Motivationseinbruch befürchten zu müssen. So manche 450-€-Tätigkeit oder manches Teilzeit-Engagement mit wenigen Stunden kann dagegen ganz auf den Prüfstand, ohne existenzielle Probleme heraufzubeschwören.

Erinnern Sie sich noch an die einstige, schon verstaubt geglaubte "20-70-10-Regel"? Belohne die 20% Besten reichlich und halte sie bei Laune, treibe die 70% in der Leistungsmitte bestmöglich an und fördere sie, und trenne Dich von den schlechtesten 10%! Wer konsequent so vorgeht, hat bald kaum mehr schlechte Mitarbeiter. Krisen bewirken insoweit eine Stärkung und Abhärtung. Diese Chance sollten Sie nutzen!

Fazit

"Unnötige Risiken meiden und größere Investitionen hinterfragen, ohne das Notwendige zu vernachlässigen!" – So könnte man den roten Faden der jetzigen Apothekenführung beschreiben. Das Unsicherheitspotenzial ist zu groß, um in hohe Risiken zu gehen. Das Gleiche gilt für langfristige Belastungen, wie z.B. dauerhaft starke Kostenerhöhungen.

Die Vorsicht darf jedoch nicht dazu führen, dass Sie im Wettbewerb abgehängt werden! Investitionen in die Kundenbindung, in sinnvolle bzw. unverzichtbare Technik (Stichwort: E-Rezept) und in wirklich wertschöpfende Mitarbeiterleistungen dürfen also niemals leiden! Wer am falschen Ende spart, spart sich womöglich zu Tode.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(13):4-4