Die richtige Beratung gewährleisten (Teil 1)

Welche Anforderungen Sie an Ihr Personal stellen sollten


Karin Wahl

Eine gute Beratung ist und bleibt die Kernkompetenz einer jeden Apotheke. Abgesehen davon, dass sie Heilberuflern eine Herzensangelegenheit sein sollte, hilft sie, Kunden zu binden und damit das Betriebsergebnis zu steigern. Leider nur wird immer noch vieles falsch gemacht.

Was nützen die tollste Ausstattung und die intensivsten Marketingmaßnahmen, wenn inkompetent-unsensibles Personal die Kunden sowohl unfreundlich behandelt als auch schlecht berät – und damit in die Arme der Versender treibt? Sofern hingegen jeder einzelne im Team stets ausführlich und aus eigenem Antrieb beraten würde, gäbe es viel mehr zufriedene Kunden, die der Apotheke vor Ort treu blieben.

Das Problem der unzureichenden Beratung ließ und lässt sich leider auch im Rahmen der Coronakrise beobachten – obwohl Apotheken hier als "systemrelevante" Anlaufstellen in Gesundheitsfragen stark punkten können. Ohne Frage haben einige Kollegen hier vorbildliche Arbeit geleistet. Aber insgesamt gesehen waren es zu wenige.

Die Patienten standen der ganzen Ausnahmesituation häufig hilflos gegenüber und hätten den persönlichen Rat ihres Apothekers gebraucht. Stattdessen sind sie oft nur auf Aushänge gestoßen, auf denen aufgelistet stand, was alles nicht lieferbar ist – mit der Folge, dass sie die Apotheke gar nicht erst betreten haben. Hieran gilt es jetzt, da die erste Welle zumindest in Teilen überstanden ist, zu arbeiten, um gewappnet für die Zukunft zu sein.

Dass es manchen Apothekern schon immer schwer gefallen ist, auf die Kunden zuzugehen, zeigt allein, wer den verräterischen Ausdruck "ein Medikament abgeben" verwendet. Wir sind schließlich durch unsere Ausbildung Allrounder, die sich nicht nur in der Pharmakologie, der Chemie und Biologie, sondern auch der Virologie, der Hygiene, mit Laborparametern etc. auskennen. Daher sollten wir das Wort "abgeben" unbedingt vermeiden. Unser fundierter Rat ist eben keine passive Abgabe wie beim Bäcker um die Ecke, sondern die Vermittlung unseres profunden Wissens und unserer täglichen Erfahrung.

Gut geeignet für die Front?

Gleich schon bei der Personaleinstellung ließe sich vieles besser machen, wäre da nur nicht das weithin bekannte Problem: An (guten) Mitarbeitern mangelt es fast überall. Sofern es aber eben geht, sollten Sie trotzdem nicht den nächstbesten Bewerber als Mitarbeiter im Handverkauf (HV) einstellen, sondern auf einige Mindestanforderungen achten.

Dabei gilt zunächst das chinesische Sprichwort: "Wer nicht lächeln kann, soll kein Geschäft eröffnen" – und auch nicht direkt im Kundenkontakt stehen. Freundlichkeit und gute Laune gehören an der "Verkaufsfront" dazu, wenn man ein gutes Geschäft machen will. Weitere für den HV wichtige Eigenschaften, auf die Sie bei der Personalsuche Wert legen sollten:

  • Freude am Kontakt mit Menschen,
  • Empathie,
  • Verbindlichkeit,
  • Glaubwürdigkeit,
  • Ehrlichkeit,
  • Einschätzung eines Kunden innerhalb von Sekunden,
  • keine Voreingenommenheit gegenüber bestimmten Altersgruppen oder Ethnien,
  • positive Körpersprache,
  • Kommunikationsfähigkeit,
  • idealerweise Kenntnisse von mehreren Sprachen,
  • Kreativität beim Lösen von Problemen,
  • gepflegtes Aussehen (besonders wichtig auch für die Beratung zu Kosmetik und Körperpflege),
  • Resistenz gegenüber Stress oder Druck (Resilienz) sowie
  • hervorragendes Fachwissen.

Ob die Bewerber solche Eigenschaften gegenüber den Kunden (und auch gegenüber dem Team) zeigen, lässt sich zumeist ausgezeichnet beim Probearbeiten ermitteln. Wenn sich dabei herausstellt, dass es an Entscheidendem mangelt, empfiehlt es sich (sofern eben möglich), zunächst mit dem vorhandenen Personalstamm weiterzuarbeiten.

Gegebenenfalls können Sie sich auch selbst Personal "heranziehen", indem Sie Pharmaziepraktikanten und PTA-Auszubildende u.a. durch gezielte Schulungen auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereiten – und sie dann in Ihrer Apotheke halten. Das dauert zwar ein bisschen länger, aber am Ende haben Sie genau die HV-Kraft für sich gewonnen, die Sie sich wünschen.

Wer mehr weiß, berät besser

Von den genannten Eigenschaften eines idealen HV-Mitarbeiters lässt sich leider zumeist nur das Fachwissen beeinflussen. Denn der Charakter eines Menschen ist in der Regel mit spätestens zwölf Jahren ausgebildet.

Das Fachwissen Ihrer Mitarbeiter aber sollten Sie durch Fort- und Weiterbildungen up to date halten, zumal sich in der Apothekenpraxis innerhalb kurzer Zeit unglaublich viel ändern kann: Nicht nur werden neue Arzneimittel zugelassen oder neue (Neben-)Wirkungen manifest, auch treten z.B. neue rechtliche Vorschriften oder neue Regelungen für die Abrechnung mit den Krankenkassen in Kraft (was für die Kunden ebenfalls wichtig zu wissen sein kann).

Sofern die Themen für den HV relevant sind, müssen alle Mitarbeiter im Kundenkontakt zur Teilnahme an den Fortbildungen verpflichtet werden – auch wenn diese an einem Wochenende stattfinden (was dann natürlich als Arbeitszeit zählt). Das gilt insbesondere für kleinere Apotheken mit wenig Personal. Denn sofern hier ein Mitarbeiter ausfällt, ist oftmals kein anderer mehr da, an den man sich bei Fragen wenden kann. In größeren Apotheken kann es hingegen ausreichen, wenn nur ausgewählte Apotheker und gegebenenfalls PTA an den Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen. Sie notieren sich alles Wichtige, tragen es anschließend in einer Teambesprechung vor und verteilen Handouts mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Punkte an alle anderen.

Wichtig: Wenn Sie HV-relevante Fortbildungen auswählen, sollten Sie darauf achten, dass die Referenten neben dem Fachwissen gleich auch Antworten auf die Frage "Wie erkläre ich das einem Kunden?" geben.

Insbesondere für sehr handverkaufsaktive Apotheken bieten sich Seminare mit einem externen Coach an, der die Mitarbeiter verschiedene Beratungssituationen aktiv durchspielen lässt und das Ganze mit der Kamera festhält. Anschließend schauen sich alle die Aufzeichnungen an und diskutieren sie fair und ohne Häme. Dann kann das Beratungsgespräch noch einmal wiederholt werden, um zu sehen, was die Mitarbeiter gelernt haben.

Solche Veranstaltungen zahlen sich besonders aus, weil die Coaches spezifisch auf die Anforderungen der jeweiligen Apotheke eingehen. Externe Seminare, an denen die Mitarbeiter mehrerer Apotheken teilnehmen, sind da meist allgemeiner gehalten.

Übrigens: Manch einer mag zwar glauben, dass man das Team als Chef genauso gut schulen kann wie ein externer Dritter. Unabhängig davon, ob das zutrifft: Erfahrungsgemäß nimmt das Team die Anregungen von Dritten eher an als die des Chefs.

Alle nach ihren Kompetenzen

In der Werbung heißt es: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!" Allerdings scheint es, als müsse man diesen Slogan mittlerweile in vielen Apotheken ändern in: "Fragen Sie Ihren Arzt oder die PTA!" Denn obwohl ihre Ausbildung ursprünglich einen ganz anderen Schwerpunkt als den HV hatte, sind derzeit rund 80% der HV-Mitarbeiter PTA. Den Personalmangel außen vorgelassen, zeigt das auch, dass sich einige Apotheker wohl vor dem direkten Kundenkontakt scheuen – obwohl es eine gute tägliche Schulung für die anderen Mitarbeiter wäre, wenn ihnen ein Approbierter "vorturnt", wie man kompetent berät. Achten Sie also darauf, dass immer auch Apotheker aktiv im HV beraten.

Verpflichten Sie zudem alle Mitarbeiter dazu, Namensschilder mit ihrer Berufsbezeichnung zu tragen, damit sich erkennen lässt, wer approbiert ist. Außerdem sollten Sie gleich von Anfang an im Team klären, wie weit die Beratungskompetenz der PTA reicht – und ab wann Apotheker hinzugezogen werden müssen.

Ausblick: Im nächsten Teil erfahren Sie dann u.a., welche Fehler im Beratungsgespräch unbedingt vermieden werden müssen.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Beraterin im Gesundheitswesen 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(15):6-6