Falls die zweite Welle kommt

Wie Sie Ihren Corona-Notfallplan nachjustieren


Nicole Hackl

"Hätte sich Corona nicht vorher ankündigen können?", haben auch Sie sich vielleicht gefragt. Denn bei etwas mehr Vorlaufzeit hätten sich die Prozesse in der Apotheke leichter anpassen lassen. Mit Blick auf eine eventuelle zweite Welle lohnt es sich, den Notfallplan nun noch einmal zu überprüfen.

Auch Apotheken mussten innerhalb kürzester Zeit ihren eigenen Corona-Notfallplan auf die Beine stellen. Doch nicht immer war dieser Plan wirklich ausgereift – und bestimmt haben Sie ihn inzwischen auch schon mehrmals angepasst. Denn schließlich verändert sich ständig wieder irgendetwas.

Auch wenn sich bei manchen von Ihnen die Situation mittlerweile vielleicht ein wenig "entspannt" haben mag, kann es jederzeit dazu kommen, dass Sie den Corona-Notfallplan wieder hervorholen müssen. Daher bietet sich jetzt eine gute Chance, den Plan ohne Zeitdruck einer genaueren Prüfung zu unterziehen und ihn gegebenenfalls fein zu justieren, sodass beim nächsten Einsatz jeder weiß, was zu tun ist. In diesem Rahmen sollten Sie die bislang getroffenen Maßnahmen kritisch und am besten zusammen mit Ihrem ganzen Team beleuchten. Fragen Sie sich, was gut war, und was nicht so gut. Halten Sie Ihre Ergebnisse schriftlich fest.

Im Fokus stehen dabei die Prozesse, die Sie aufgrund der Corona-Pandemie in Ihrer Apotheke umgestellt haben:

  • Haben Sie Plexiglasscheiben als Spuckschutz montiert oder behelfsmäßig aufgestellt?
  • Wie häufig desinfizieren Sie Handverkaufs (HV)-Tische, Spuckschutzwände, PC-Tastaturen und Co.?
  • Wie viele Personen dürfen die Offizin betreten – und wie viele müssen je nach Zeitpunkt durchschnittlich draußen warten?
  • Haben Sie für die Wartenden Stühle aufgestellt?
  • Besteht die Möglichkeit, Rezepte bei zu langen Wartezeiten in den Briefkasten zu werfen, um sie später per Botendienst zu beliefern?
  • Wie viele HV-Plätze können Sie unter Einhaltung des Mindestabstandes besetzen?
  • Haben Sie die Außendienstbesuche schon im Vorfeld vorbereitet, um den Aufenthalt von "Externen" auf ein Mindestmaß zu verkürzen? Oder ließ sich mit dem Außendienstmitarbeiter alles telefonisch besprechen? Achtung: Da es gerade in der Krise auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis ankommt, sollten Sie weiterhin auf einen optimierten Einkauf achten und nicht generell über den Großhandel bestellen.
  • Haben Sie bestimmte Service-Leistungen, wie z.B. das Anmessen von Kompressionsstrümpfen, zwischenzeitlich nicht angeboten? Und gäbe es Schutzmaßnahmen für Patienten und Personal, um diese Leistungen zukünftig doch in Ausnahmesituationen anbieten zu können? Unterstützt Sie hier vielleicht auch die Berufsgenossenschaft oder die Apothekerkammer?

Weitere Prozesse, die Sie besonders überprüfen sollten, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Schön schichten!

Um zu vermeiden, dass die Apotheke aufgrund der Coronavirus-Infektion eines Mitarbeiters geschlossen werden muss, haben einige von Ihnen das Arbeiten in getrennten Schichten eingeführt. Hier stellt sich die Frage, ob sich das gewählte Modell bewährt hat: Ist es besser, die Schichten tageweise oder aber im Tagesverlauf zu wechseln? Reflektieren Sie diese Frage mit Ihrem Team, und diskutieren Sie dabei etwa:

  • War die Teamzusammensetzung ideal?
  • Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich des Schichtmodell-Dienstplans?
  • Wie flexibel sind die einzelnen Mitarbeiter einsetzbar?

Ein Problem, das sich durch Schichtmodelle, aber z.B. auch durch fehlende Kinderbetreuung ergibt: Manche Mitarbeiter kommen nicht auf ihre volle Stundenzahl (vgl. auch den Beitrag "Was für Minusstunden in Coronazeiten gilt"). Um das zu umgehen, könnten Sie diesen Mitarbeitern anbieten, bestimmte Tätigkeiten (Rezeptkontrolle, Betäubungsmittel-Dokumentation etc.) zukünftig im Homeoffice zu erledigen (vgl. ausführlich AWA 10/2020).

Konstant kommunizieren!

Durch den Schichtbetrieb können sich die Mitarbeiter untereinander "entzweien". Was aber geschieht mit dem Team, wenn es wieder zurück in den Normalbetrieb geht? Stellt sich dann eine Art "Fremdeln" ein, obwohl sich alle Mitarbeiter vor der Teilung gut verstanden haben? Als Lösung bietet sich hier ein Teamausflug, ein gemeinsames Essen oder auch z.B. gemeinsames Minigolfen an – selbstverständlich unter Einhaltung der aktuellen Corona-Bestimmungen. Beziehen Sie Ihr Team in die Aktionsplanung mit ein. Sollten sich die Mitarbeiter tiefergehend entzweit haben, empfiehlt es sich, einen Coach als professionelle Unterstützung hinzuzuziehen.

Natürlich sollten Sie als Chef den Kontakt zwischen und mit Ihren Mitarbeitern die ganze Zeit über aufrecht halten. Das gelingt über regelmäßige virtuelle Besprechungen (z.B. mit Zoom, Skype oder Microsoft Teams), an denen das ganze Team teilnehmen sollte.

Zuverlässig zustellen!

Der Botendienst ist inzwischen nicht mehr nur im Einzelfall zugelassen und hat durch die Krise nochmals Aufwind erfahren – zumal er derzeit (befristet) honoriert wird (vgl. AWA 8/2020). Nach wie vor haben die Kunden keine schnellere Möglichkeit als den Botendienst, um ihre Medikamente zu erhalten. Hier punktet die Apotheke vor Ort eindeutig gegenüber den Online-Versendern. Daher ist es wichtig, dass Sie Ihre Kunden immer wieder auf diese Dienstleistung aufmerksam machen – nicht nur in der Offizin, sondern auch z.B. mit einem Schreiben, in dem Sie darüber informieren, dass alle Kunden ihre Medikamente sowohl telefonisch als auch per E-Mail bei Ihnen bestellen können.

Wenn Sie den Botendienst auf den Prüfstand stellen, sollten Sie sich außerdem fragen:

  • Sind eventuell weitere Werbemaßnahmen erforderlich, z.B. bei Risikopatienten? Diese Risikopatienten lassen sich über ihre Medikation im Computersystem ermitteln und können so gezielt angeschrieben werden – natürlich unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben.
  • Reichen die Kapazitäten Ihres apothekeneigenen Botendienstes aus? Wenn nicht: Gibt es (auch rechtlich) die Möglichkeit, mit örtlichen Taxiunternehmen oder Kurierfahrern zusammenzuarbeiten? Oder lassen sich Mitarbeiter einsetzen, die derzeit, z.B. durch den Schichtbetrieb, nicht auf ihre Stunden kommen?

Wirksam weiterdenken!

Die derzeitigen Umsatzeinbrüche nötigen Sie gegebenenfalls dazu, einmal darüber nachzudenken, welche Geschäftsfelder Ihren Rohertrag langfristig sichern – auch in Fällen, in denen die Kunden nicht physisch zu Ihnen kommen (können).

Da ist zunächst das Thema "Online": Überprüfen Sie, wie gut Ihre Apotheke im Netz aufgestellt ist. Sind Sie z.B. schon auf Facebook, Instagram und Co. aktiv? Denn damit gewinnen Sie auch jüngere Kunden! In diesem Zusammenhang lässt sich zudem nicht oft genug betonen, dass das E-Rezept kommt. Werben Sie unbedingt jetzt schon (nicht nur) auf Ihrer Homepage dafür, dass man die elektronischen Verordnungen auch bei Ihnen einlösen können wird.

Weiterhin bieten die Heimversorgung und die Kooperation mit Pflegediensten Möglichkeiten, sich Umsätze zu sichern, die nicht direkt am HV-Tisch generiert werden. Intensivieren Sie auch die (zulässige) Zusammenarbeit mit den Arztpraxen und sonstigen Gesundheitsdienstleistern in Ihrer Umgebung (z.B. Hebammen oder Physiotherapeuten). Ein gutes Netzwerk zahlt sich immer aus!

Fazit

Nutzen Sie den Zeitpunkt, um Ihren individuellen Corona-Notfallplan zu überarbeiten, zu optimieren und in Ihr Qualitätsmanagementsystem aufzunehmen. Hoffen wir alle, dass wir ihn so schnell nicht mehr benötigen – wenn es aber doch dazu kommen sollte, können Sie ihn gleich hervorholen und sofort umsetzen.

Service

Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zu Arbeitsschutzmaßnahmen in Coronazeiten sowie weitere hilfreiche Hinweise finden Sie auf den Internetseiten der ABDA.

Nicole Hackl, PTA, Coach (DVNLP), Pharmazieökonomin (FH), 85416 Langenbach, E-Mail: n.hackl@apotheken-interaktion.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(15):12-12