Verkehrte Welt

So vergraulen Sie Ihre Mitarbeiter und Kunden mit Sicherheit


Ute Jürgens

Manchmal verstehen wir besser, dass wir uns ungeschickt verhalten, wenn wir übertreiben und unsere Fehler deutlich beschreiben. Hier folgt eine Anleitung, was Sie so richtig falsch machen können. Nehmen Sie diese ernst, sofern Sie Ihre Apotheke absehbar schließen möchten ... ;-)

"Menschen verlassen keine Unternehmen, sondern ihre Vorgesetzten" – so ist vielerorts zu lesen. Was also können Sie tun, damit auch Sie verlassen werden?

Zunächst: Demotivieren Sie Ihr Team täglich, und geben Sie allen das Gefühl, ständig zu versagen. Sorgen Sie zudem unbedingt dafür, dass niemand Verantwortung übernimmt und dass ein ebenso von Misstrauen wie von Vorurteilen geprägtes Klima herrscht. Mit diesen Basics schaffen Sie prima Voraussetzungen dafür, dass Ihnen die Teamführung misslingt [1].

Denken Sie auch daran, dass in Deutschland 47% der Stellen durch Mund-zu-Mund-Propaganda besetzt werden. Sofern Sie unsere Tipps befolgen, gehören Ihre freien Stellen garantiert nicht zu diesen 47%. Und wenn sich doch einmal ein neuer Mitarbeiter zu Ihnen verirren sollte, können Sie ihn gleich während der Probezeit vergraulen. Anschließend beschweren Sie sich natürlich beim Team, dass es den Kandidaten mies ausgewählt hat – auch wenn Sie es letztlich selbst gewesen sind [1].

Unfairness auf ganzer Linie: Das zieht!

Ungerechtigkeiten kommen super an. Übersehen Sie doch einfach konsequent immer wieder dieselben Teammitglieder,

  • wenn diese in einer Teamsitzung etwas sagen wollen,
  • wenn Sie entscheiden, wen Sie zu Fortbildungen schicken, oder
  • wenn Sie "Mitbringsel" von Vertretern bzw. Kunden verteilen.

Sofern die Betroffenen beleidigt oder aggressiv reagieren und mit der Zeit immer stärker hinter ihren Leistungsmöglichkeiten zurückbleiben, haben Sie Ihr "Bestes" gegeben! Halten Sie bestimmte Mitarbeiter systematisch klein, und beobachten Sie die Reaktion der anderen: Ziehen diese mit an Ihrem (Chef-)Strang? Wenn sie das nicht tun, sondern mit den Betroffenen sympathisieren, sollten Sie sie dringend dafür bestrafen [1]!

Ganz wunderbar wirken auch Diskriminierungen wie:

  • "Dazu sind Sie noch zu jung!"
  • "So alt, wie Sie sind, bringt es mir doch nichts, wenn ich noch in Ihre Fortbildung investiere!"
  • "Das können Sie als PKA sowieso nicht verstehen!"

Wichtig auch das Thema Delegation: Schieben Sie ungeliebte Aufgaben natürlich immer denselben Personen zu – und beschweren Sie sich, wenn es nicht schnell genug geht [1].

Übrigens: Wenn Sie Privilegien für Einzelne schaffen, sollten Sie auch Ihre Kunden nicht vernachlässigen: Keine Werbegaben, unfreundliches Verhalten oder auch verzögerte Defektnachlieferungen – die Möglichkeiten, bestimmte Kunden zu benachteiligen, sind zahlreich. Und falls Ihnen dazu nichts einfällt: Erstellen Sie doch mal eine Liste mit den häufigsten Kundenbeschwerden – und treiben Sie die zugrundeliegenden Verhaltensweisen bis zur Perfektion [1].

Psychologische Sicherheit? So ein Nonsens!

Sorgen Sie dafür, dass das Team uneins und gleichzeitig unfähig ist, Konflikte zu bewältigen. In solch einem Klima gedeihen Apathie und Desinteresse an Arbeitsaufgaben auf das Prächtigste. Ein schöner Nebeneffekt: Es etablieren sich kleine Gruppen, die sich gegenseitig bekämpfen [1].

Fehler Ihrer Mitarbeiter sollten Sie grundsätzlich nicht tolerieren, sondern stets ahnden. Das Tolle daran: Keiner wird sich trauen, etwas Neues und eventuell Riskantes auszuprobieren. So kann alles beim Alten bleiben – und das funktioniert ja schließlich schon seit Jahren gut!

Vergessen Sie auch nicht, Gerüchte zu streuen: Denken Sie sich entweder selbst welche aus, oder interpretieren Sie Wortfetzen, die Sie zufällig mitgehört haben, kreativ zu einem Aufreger ersten Ranges. Das bietet endlich einmal Abwechslung vom Einerlei des Apothekenalltags und ein Gesprächsthema, das sich ganz selbstständig weiterentwickelt – bis niemand mehr an die Arbeit denkt [2].

Sofern Sie nicht gerade Gerüchte streuen oder für Zwietracht im Team sorgen, sollten Sie unerreichbar für Ihre Angestellten sein. Verziehen Sie sich also ins Büro, schließen Sie die Türe deutlich hörbar und öffnen Sie sie am besten erst wieder, wenn Sie die Apotheke verlassen. Dann wissen alle Mitarbeiter, wie wichtig sie Ihnen sind [2].

Zuhören? Zwecklos!

Eine erstklassige Möglichkeit, sich beliebt zu machen, ist das Besserwissen! Der größte Redeanteil steht Ihnen als Chef gegenüber Ihren Mitarbeitern und als Experte gegenüber Ihren Kunden sowieso zu, deswegen sollten Sie ihn auch nutzen. Egal, ob es sich um Fach- oder um Allgemeinwissen handelt: Wer sollte da schon fitter sein als Sie? Und selbst wenn Sie einmal keine Ahnung haben: Es weiß ja keiner – nicht einmal Sie [2]!

Das gibt Ihnen auch das Recht, weder Ihre Mitarbeiter noch Ihre Kunden ausreden zu lassen: Sie wissen doch sowieso, was kommt. Unterbrechen Sie Ihr Gegenüber also getrost. Und wenn etwa ein Kunde ein Medikament kaufen will, das ihm bislang gut geholfen hat: Empfehlen Sie ein anderes, sofern es Ihnen mehr Ertrag bringt [2, 3].

Wagt es trotzdem einmal jemand, Sie zu kritisieren, lautet die grundsätzliche Devise: Keine Reaktion oder allenfalls beleidigt und verärgert sein [2]!

Geben Sie außerdem ungefragt Kommentare zu diesem und jenem ab, und mischen Sie sich in laufende Gespräche ein. Fangen Sie auch gerne mal ein gänzlich anderes Thema an, wenn Ihnen das, worüber Kunden oder Mitarbeiter mit Ihnen sprechen wollen, nicht behagt [2, 3].

Was gar nicht geht: Verschwiegenheit! Reden Sie grundsätzlich mit jedem über intime Belange anderer, erkundigen Sie sich lauthals beim Kunden, ob er immer noch die Krätze hat oder ob sein Geld für die geplante Kosmetikberatung ausreicht. Ansonsten könnten Sie sich Ihre Zeit ja schließlich gleich sparen [2].

Lassen Sie sich auch nie auf die Gefühlswelt anderer Menschen ein: Wir sind schließlich Naturwissenschaftler. Gefühle interessieren nicht – und sind darüber hinaus oft schlicht und einfach falsch. Jeder aufgebrachte Kunde wird es Ihnen z.B. danken, wenn Sie ihn mit einem "Nun regen Sie sich doch nicht so auf!" beschwichtigen [2, 3].

Lob? Wie überflüssig!

Halten Sie sich an die alte Regel: "Nicht bemängelt ist Lob genug!" Wenn Ihre Mitarbeiter das nicht schätzen, haben sie selbst Schuld. Unterdrücken Sie jeglichen Impuls zu Bemerkungen, die man als Zufriedenheit interpretieren könnte. Bereiten Sie Ihren Mitarbeitern auch keinesfalls Sternstunden, indem Sie z.B. ein kurzes, zustimmendes Brummen von sich geben! So gehen Sie auf Nummer sicher, dass sich niemand auf seinen Lorbeeren ausruht, weil er meint, für diese Woche genug gearbeitet zu haben [1].

Feilen Sie außerdem an Ihrer Sprechweise: Reden Sie möglichst schnell, undeutlich und leise! Wenn Sie sich zudem noch unpräzise genug ausdrücken, hat das den Vorteil, dass die Kunden noch besser aufpassen, um überhaupt etwas zu verstehen – so fruchtet die Beratung erst richtig [2, 3]!

Und? Erwischt? Haben Sie entdeckt, dass auch Sie in mancher Beziehung so richtig falsch arbeiten? Dann überlegen Sie gut, ob das tatsächlich das Richtige für Ihre Apotheke ist!

Literatur

[1] Hucke, V.: Fair führen, Campus Verlag: Frankfurt/Main 2019*
[2] Kendzia, F., Ritter, L.: Richtig falsch arbeiten. 50 Regeln wie man sich (und allen anderen) das Arbeitsleben zur Hölle macht, Becker Joest Volk Verlag: Hilden 2019
[3] Wiedel, A.: Zuhören ist ein Geschenk, Kösel Verlag: München 2019*

* Die Aussagen wurden bei uns – der Grundidee dieses Beitrags gemäß – ins Gegenteil verkehrt.

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(20):12-12