Gerne arbeiten (Teil 1)

Warum "nicht schlecht" nicht "gut" ist


Viktor Vehreschild

Mit den Erkenntnissen der auch als "Wissenschaft vom Glück" bezeichneten Positiven Psychologie können Sie das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter fördern. Erfahren Sie, was Menschen glücklich macht – und wie Sie dies nutzen können.

"Wieso sollte ich als Arbeitgeber mich auch noch darum kümmern, wie glücklich meine Beschäftigten sind?", denken Sie sich vielleicht. Die Antwort liegt auf der Hand: Wenn Ihre Beschäftigten glücklich sind und sich auf der Arbeit wohl fühlen, erweisen sie sich nicht nur als leistungsfähiger. Sie sind nämlich auch gesünder und motivierter. Außerdem tragen sie dazu bei, dass Ihre Apotheke als Marke positiv wahrgenommen wird.

Aus Längsschnittstudien wissen wir, dass ein hohes Wohlbefinden die Voraussetzung für eine hohe Leistungsfähigkeit ist. Nur wenn wir uns wohl fühlen und gerne zur Arbeit gehen, können wir zeigen, was in uns steckt. Nur wenn wir glücklich sind, haben wir die Möglichkeit, unser Potenzial zu entfalten. Es gibt also handfeste Gründe dafür, warum es sich für Sie lohnt, in das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter zu investieren.

Warum denn immer nur negativ?

Die Positive Psychologie ist derjenige Teilbereich der wissenschaftlichen Psychologie, der es sich zum Ziel gesetzt hat zu erforschen,

  • was Menschen glücklich macht,
  • wie es Menschen gelingt, ihr Potenzial zu entfalten, und
  • warum manche Menschen glücklicher als andere sind.

Auch wenn dies zentrale Fragen für das menschliche Dasein sind, stehen sie noch gar nicht so lange im Fokus der wissenschaftlichen Psychologie. Ungefähr bis zur Jahrtausendwende beschäftigte sich die Mehrheit der Forschenden nämlich mit Themen wie Ängstlichkeit, Depressivität und vielen weiteren negativen Abweichungen vom Durchschnitt. Sträflich vernachlässigt wurde der positive Bereich des menschlichen Erlebens, der z.B. Freude, Dankbarkeit und Liebe umfasst.

Der Positiven Psychologie liegt die Logik zugrunde, dass die Abwesenheit von etwas Negativem nicht unbedingt zu etwas Positivem führt. Ein Mitarbeiter, der sich nicht ärgert, ist nicht automatisch glücklich und motiviert. Dafür braucht es mehr als das. Doch was genau? Und wie lassen sich diese Erkenntnisse am Arbeitsplatz umsetzen?

PERMAnent mehr Glück

Der US-amerikanische Professor Martin Seligman hat in seinem PERMA-Modell eine Vielzahl an bekannten Erkenntnissen zusammengefasst. Das Modell beschreibt fünf Glücksfaktoren, die zu mehr Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit führen – und dadurch schließlich auch die Leistungsfähigkeit erhöhen. Diese fünf Faktoren sind:

  • Positive Emotions (positive Emotionen),
  • Engagement (Engagement und Motivation),
  • Relationships (soziale Beziehungen),
  • Meaning (Sinn) und
  • Accomplishment (Zielerreichung und Erfolg).

Um den "Sinn" ging es bereits ausführlich im AWA 11/2020. Im nächsten Teil dieser Serie werden die "sozialen Beziehungen" ebenso wie der "Erfolg" im Fokus stehen. Hier nun wollen wir auf die "positiven Emotionen" und das "Engagement" blicken.

Positive Emotionen

Erinnern Sie sich, wann Sie sich das letzte Mal an Ihrem Arbeitsplatz geärgert – und wann Sie sich dort zuletzt gefreut haben? Verschiedenen Studien zufolge erinnert man sich leichter an negative Emotionen (wie Ärger oder Wut) als an positive (wie Freude oder Dankbarkeit). Erstere scheinen mehr Gewicht zu haben, länger nachzuwirken und besser abgespeichert zu werden. Daher brauchen Menschen circa drei- bis fünfmal so viele positive wie negative Emotionen an einem Tag, um diesen als "neutral" einzuschätzen.

Regelmäßig positive Emotionen zu erleben, ist für die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit immens wichtig. Denn erst wenn wir in einer emotional positiven Stimmung sind, können wir auf das volle Potenzial unseres Gehirns zugreifen. Es gelingt uns leichter,

  • um die Ecke zu denken,
  • kreative Lösungen zu finden und
  • den Wahrnehmungsfokus insgesamt zu erweitern.

Die US-amerikanische Professorin Barbara Fredrickson hat dies im Rahmen ihrer Broaden-and-Build-Theorie untersucht – und herausgefunden, dass positive Emotionen nicht nur die Aufmerksamkeit erweitern, sondern uns auch langfristig dabei unterstützen, Ressourcen aufzubauen. So werden wir im Laufe der Zeit resilienter (also widerstandfähiger) und können immer besser mit Herausforderungen umgehen.

Was können Sie tun?

Wenn Sie also möchten, dass Ihre Beschäftigten ihr volles Potenzial am Arbeitsplatz einbringen, sollten Sie für positive Emotionen sorgen. Vielleicht haben Sie Lust, mit den folgenden Ideen zu experimentieren?

  • Schaffen Sie kleine freudige Augenblicke und positive Überraschungen: Das können z.B. Obst oder Süßigkeiten bei Besprechungen sein, kleine Aufmerksamkeiten zum Geburtstag oder auch ein Kennenlernfrühstück mit dem Team, wenn ein neuer Kollege anfängt.
  • Halten Sie erfreuliche Momente fest: So können Sie an einer Wand im Sozialraum positive Feedbacks von Kunden sammeln oder Fotos von Teamevents bzw. gemeinsamen Erfolgen aufhängen.
  • Achten Sie auch auf Ihre eigene emotionale Bilanz: Ein Dankbarkeitstagebuch kann Sie unterstützen, die eigene Perspektive etwas mehr auf die positiven Aspekte zu lenken. Notieren Sie an jedem Abend drei Dinge, die am Tag gut geklappt haben, und für die Sie dankbar sind.

Engagement und Motivation

Wann sind Sie zuletzt in Ihrer Arbeit aufgegangen und so richtig im Flow gewesen? Rufen Sie sich diesen Moment noch einmal in Erinnerung! Wodurch ist dieses gute Gefühl beim Arbeiten entstanden? Wahrscheinlich sind Sie einer Tätigkeit nachgegangen, die zu Ihren Stärken passt. Sie waren weder unter- noch überfordert und haben weder Langeweile noch Ängste oder Sorgen verspürt. Vielmehr standen die Anforderungen der Tätigkeit auf der einen Seite und Ihre Fähigkeiten auf der anderen Seite in einer guten, stimmigen Balance. Weiterhin hatten Sie vermutlich ein klares Ziel vor Augen – und das Gefühl, die Situation kontrollieren zu können. All das lässt sich natürlich auch auf Ihre Mitarbeiter übertragen.

Was können Sie tun?

Dem Wohlbefinden Ihrer Beschäftigten ist es zuträglich, wenn Sie als Führungskraft eine stärkenorientierte Perspektive einnehmen. Das heißt: Versuchen Sie, die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Momente des Gelingens zu lenken und auf diejenigen Fähigkeiten, die Ihre Mitarbeiter stark machen. Die nachfolgenden Anregungen können Sie dabei unterstützen.

  • Geben Sie aktiv Feedback, wenn Sie starke Leistungen beobachten. Und machen Sie sich im Mitarbeitergespräch gemeinsam auf die Suche nach Möglichkeiten, über die sich die Stärken auf eine andere, zusätzliche Art einbringen lassen.
  • Seien Sie mutig, und benennen Sie die unterschiedlichen Stärken im Team. Es muss nicht jeder alles können. Loben Sie daher die individuellen Kompetenzen jedes einzelnen Mitarbeiters.
  • Verteilen Sie neue Aufgaben nach den Stärken der Mitarbeiter. Tauschen Sie sich dazu auch mal mit dem gesamten Team aus.
  • Achten Sie darauf, dass Ihre Mitarbeiter nicht nur Weiterbildungen und Seminare besuchen, um ihre Schwächen auszumerzen, sondern vielmehr auch, um ihre individuellen Stärken weiterzuentwickeln.
  • Seien Sie sich auch Ihrer eigenen Stärken bewusst, und suchen Sie immer wieder aktiv nach Möglichkeiten, diese zu leben. Wenn Sie sich nun fragen, was genau Ihre Stärken eigentlich sind: Erkunden Sie das doch in einem wissenschaftlichen Testverfahren auf der Webseite charakterstaerken.org.

Zum Weiterlesen

  • Ebner, M.: Positive Leadership, Facultas: Wien 2019
  • Rose, N.: Arbeit besser machen, Haufe-Lexware: Freiburg i. Br. 2019

Viktor Vehreschild, Psychologie in Düsseldorf, 40597 Düsseldorf, E-Mail: mail@psychologie-in-duesseldorf.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(21):12-12