Risse im Rendite-Fundament

Lohnen sich offene Immobilienfonds noch?


Thomas Hammer

Bislang haben sich offene Immobilienfonds in der Coronakrise als stabil erwiesen. Doch wenn die aktuelle Entwicklung am Immobilienmarkt zum langfristigen Trend wird, könnten auch die „Betongold“-Renditen unter Druck geraten – sogar Verluste sind möglich.

Im Zuge der Coronakrise ist die Auswahl renditeträchtiger Anlageprodukte für Investoren noch schwieriger geworden als zuvor. An den Aktienmärkten haben die mit der Pandemie einhergehenden Rezessionsängste heftige Turbulenzen ausgelöst, und noch immer konnte der Deutsche Aktienindex (DAX) die seit Mitte Februar angefallenen Verluste nicht vollständig aufholen. Die Auswirkungen der zweiten Welle verheißen ebenfalls nichts Gutes.

Wenig Erfreuliches gilt auch für risikoarme Zinsanlagen: Weil die Regierungen und Notenbanken die Geldschleusen weit geöffnet haben, um die Corona-bedingte Rezession einzudämmen, ist davon auszugehen, dass die faktischen Nullzinsen zumindest mittelfristig zum Dauerzustand werden.

Zu den wenigen Lichtblicken zählten bislang offene Immobilienfonds, die sich in den vergangenen Monaten als überwiegend stabil erwiesen haben: Laut einer Statistik des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI) erzielten die meisten von ihnen bei geringen Wertschwankungen eine jährliche Rendite von 2% bis 3% (Tabelle 1). Entsprechend groß ist die Nachfrage der Anleger: Im ersten Halbjahr 2020 verbuchten offene Immobilienfonds Netto-Mittelzuflüsse von mehr als 5 Mrd. € – das ist so viel wie bei keiner anderen Fondsgattung.

Allerdings stellt sich die Frage, ob sich offene Immobilienfonds auch künftig als Stabilitätsanker erweisen – oder ob sich die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie lediglich später als in anderen Anlageklassen in den Renditen niederschlagen werden. Bei der Suche nach der Antwort sind zunächst zwei Besonderheiten von offenen Immobilienfonds zu berücksichtigen:

  • Die Immobilien im Fondsvermögen sind meist langfristig fest vermietet. Die Mieter können daher in der Regel nicht kurzfristig pandemiebedingt kündigen: Solange sie zahlungsfähig bleiben, laufen die Mieten unverändert weiter.
  • Die Wertentwicklung der Immobilien basiert auf Gutachten von Sachverständigen, die bei ihren Einschätzungen u.a. die Höhe der Mieterträge und den Wert von Immobilien in vergleichbarer Lage heranziehen. Abwertungen erfolgen zumeist erst dann, wenn die Mieten nachhaltig sinken oder die regionalen Immobilienpreise rückläufig sind.

Somit ist davon auszugehen, dass offene Immobilienfonds auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen träger reagieren als beispielsweise Aktienfonds, bei denen praktisch täglich die Erwartungen an die Zukunft eingepreist werden. Ob die Gewinne der offenen Immobilienfonds stabil bleiben oder doch noch einbrechen, hängt maßgeblich mit davon ab, wie sich die abgebildeten Marktsegmente entwickeln.

Büro- und Logistikimmobilien

Mit einem durchschnittlichen Anteil von mehr als 50% sind Büro- und Praxisflächen in den Portfolios der Immobilienfonds besonders stark gewichtet. Hier hat die Corona-Pandemie jedoch einen Trend angestoßen, der sich möglicherweise langfristig verfestigt: Immer mehr Arbeitnehmer verbringen zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice.

So hat etwa eine aktuelle Studie des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ergeben, dass drei von vier größeren Unternehmen die Heimarbeit dauerhaft ausweiten wollen. Der Bedarf an Büroflächen dürfte also langfristig eher abnehmen. Damit steigt dann auch das Risiko von Leerständen und sinkenden Mieterträgen für offene Immobilienfonds, wenn die derzeitigen Mietverträge auslaufen.

Weniger langfristige Ertragsrisiken dürften Logistikimmobilien bergen. Hier könnte die allgemeine Nachfrage sogar steigen, da die Coronakrise den Trend zum Online-Shopping verstärkt hat und man daher eher mit einem Ausbau von Lager- und Logistikflächen rechnen kann. Allerdings ist dieses Immobiliensegment nur mit gut 4% in den Liegenschaften der Fonds vertreten.

Einzelhandels- und Gastronomieimmobilien

In Handels- und in Gastronomieimmobilien steckt gut ein Viertel der Fondsanlagen. Nun wissen wir alle, dass beide Wirtschaftszweige unter den pandemiebedingten Einschränkungen besonders stark gelitten haben bzw. leiden. Gerade die großen Einzelhandelsketten, die mit ihren Top-Lagen-Filialen in vielen Fondsimmobilien als Ankermieter fungieren, stehen unter enormem wirtschaftlichem Druck. Dass diese Konzerne nach dem Auslaufen der Mietverträge die Preise drücken wollen, dürfte künftig häufiger vorkommen – mit der Folge, dass Handelsimmobilien weniger Ertrag bringen und unter Umständen auch an Wert verlieren.

Ebenso prekär ist die Lage für das Hotelgewerbe, das unter der anhaltend geringen Auslastung leidet. Ein zusätzliches Hemmnis für eine schnelle Erholung: Viele Unternehmen haben in der Krise bemerkt, dass sich so manche Geschäftsreise durch eine Videokonferenz ersetzen lässt.

Folgerichtig stuft das Fonds-Analysehaus Scope das Risiko von Abwertungen in diesen Segmenten aktuell als gravierend ein und prognostiziert: "Allen voran Hotel- und Einzelhandelsimmobilien werden negative Bewertungsrenditen ausweisen."

Wohnungen als Stabilitätsanker?

Bislang sind offene Immobilienfonds mit Schwerpunkt auf vermieteten Wohnungen ein Nischenprodukt. Doch zukünftig dürften sie wesentlich beliebter werden. Denn die Bewertungen und Mieterträge schwanken hier meist weitaus weniger als bei Gewerbeimmobilien.

Allerdings sollten Sie sich nicht von Renditesprüngen in der jüngeren Vergangenheit wie bei Wertgrund WohnSelect (Tabelle 1) blenden lassen: Die Gewinne resultieren größtenteils daraus, dass der Bestand aufgrund der stark gestiegenen Wohnungskaufpreise aufgewertet wurde – was sich in diesem Ausmaß wohl nicht so schnell wiederholen dürfte.

Worauf sollten Sie achten?

Vor der Entscheidung für einen bestimmten Immobilienfonds ist ein kritischer Blick in die Fondsstruktur derzeit ratsamer denn je: Während ein großer Anteil an Hotel- und Einzelhandelsflächen Risiken birgt, stehen regional gut diversifizierte Wohnungsbestände eher für eine sicherheitsorientierte Fondsstrategie.

In diesem Zuge sollten Sie auch die aktuelle Vermietungssituation unter die Lupe nehmen: Je höher der Anteil an Mietverträgen mit langfristiger Restlaufzeit ist, umso eher lässt sich ein verlässlicher Mietertrag erwarten. Läuft hingegen ein Großteil der Verträge bald aus, besteht die Gefahr, dass der Fonds in der aktuellen Krisenzeit bei einer Neuvermietung nicht denselben Ertrag wie zuvor erzielt.

Ein weiterer wichtiger Indikator für die Qualität des Fondsmanagements: Die Leerstandsquote. Je geringer sie ausfällt, umso eher spricht dies für die Professionalität bei der Immobilien- und Mieterauswahl.

Offene Immobilienfonds sind also für sicherheitsorientierte Investoren weiterhin interessant. Je nach Anlageschwerpunkt können die Risiken allerdings steigen. Wer hier investiert, trifft angesichts der Mindesthaltedauer von 24 Monaten und der einjährigen Kündigungsfrist eine langfristige Entscheidung – und sollte bei der Fondsauswahl kritisch vorgehen.

Thomas Hammer, Freier Wirtschaftsjournalist, 75443 Ötisheim, E-Mail: th@hammertext.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(22):14-14