Editorial

Vertrauensanker in der Not


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

so wirklich weiß niemand, was er in diesen Tagen denken soll. Einerseits beschließt die Bundesregierung – unterstützt etwa vom Virologen Christian Drosten – einen neuen, eingeschränkten Lockdown. Andererseits veröffentlichen die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit fast zeitgleich ein Positionspapier, in dem sie den Nutzen eines Lockdowns anzweifeln.

Wenn schon die Experten uneins sind, wie geht es da erst der "einfachen" Bevölkerung? Sie muss sich vor allem auf das verlassen, was sie aus den Medien erfährt. Die aber würden, so der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung", als "Corona-Panikorchester" durch den "Overkill" an Berichterstattung zur Pandemie eine "gefährliche Angst" verbreiten.

Noch weiter schaukelt sich das Ganze hoch, wenn zur Angst vor dem Virus die Angst vor dem Nachbarn hinzukommt. Und die dürfte z.B. in Essen nicht ganz unbegründet sein: Auf der Homepage des dortigen Ordnungsamtes finden "Verantwortungsbewusste" ein Formular, über das sie mutmaßliche Verstöße ihrer Mitbürger gegen die Coronaschutz-Verordnung melden können – mitsamt Beweisfoto.

In solch verunsichernden Zeiten hat die Vor-Ort-Apotheke die Chance, sich als Stabilitätsanker zu positionieren. Durch eine empathisch-fachkundige Beratung gekoppelt mit einem guten Hygienekonzept kann sie den Patienten Ängste nehmen und Vertrauen aufbauen. Welche Rolle der Botendienst dabei spielt, lesen Sie im Beitrag "Wie Sie Oma Müllers Vertrauen 'erfahren'".

Auf dass sich bei Ihnen das chinesische Sprichwort erfülle: "Angst klopfte an. Vertrauen öffnete. Keiner war draußen."

Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(22):2-2