Apotheken-Sanierung ohne den "Makel" der Insolvenz

Wie der Gesetzgeber Unternehmen zukünftig fit machen will


Dr. Sandra Körner

Durch eine "präventive Restrukturierung" sollen Unternehmen – auch Freiberufler – Krisen zukünftig ohne Insolvenz lösen können. Bereits zum 1. Januar 2021 könnten Regelungen in Kraft treten, die Verhandlungen mit Banken, Vermietern oder anderen Vertragspartnern stark erleichtern.

Am 14. Oktober 2020 hat das Bundeskabinett den Entwurf für das sogenannte Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) beschlossen. Damit setzt der deutsche Gesetzgeber die europäische Restrukturierungsrichtlinie für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren um. Man erhofft sich, dass die neuen Regelungen vor allem Unternehmen zugutekommen, die zwar über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügen, aber infolge der Corona-Pandemie unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.

"Früh, schnell und still"

Ziel des Verfahrens ist es, eine frühe außergerichtliche Sanierung zu ermöglichen und damit u.a. die Nachteile eines förmlichen Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Dazu zählt etwa der "Makel", sprich: der Reputationsverlust bei Kunden, Lieferanten, Banken oder sonstigen Vertragspartnern, der häufig von solch einem Verfahren ausgeht und der einer sinnvollen Sanierung durch die Insolvenz entgegenstehen kann.

Die mit dem SanInsFoG beschlossenen Maßnahmen orientieren sich somit an der Maxime von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karsten Schmidt, einem renommierten Rechtslehrer an der Bucerius Law School in Hamburg. Schmidt fordert, dass eine erfolgreiche Sanierung "früh, schnell und still" sein müsse. Wie aber soll das mit dem SanInsFoG gelingen?

Was bislang für Apotheken möglich ist

Auch nach der aktuellen Rechtslage sind Apotheken-Sanierungen durch eine Insolvenz möglich. In entsprechenden Fällen kommt aber zu den Liquiditätsproblemen ein Aspekt erschwerend hinzu: Nach dem Apothekengesetz ist ein Insolvenzverwalter nicht berechtigt, eine Apotheke zu führen.

Schon bisher gab und gibt es daher häufig Insolvenzverfahren, die in Form einer sogenannten Eigenverwaltung durchgeführt werden. Hierbei bleibt der Unternehmensinhaber (in unserem Fall also der Apothekeninhaber) grundsätzlich im "Driver Seat" und führt den Betrieb – regelmäßig mit Unterstützung eines Sanierungsexperten – selbst fort. Allerdings stellt ihm das Insolvenzgericht einen Sachwalter zur Seite, der wie eine Art Aufsichtsrat fungiert. Das bedeutet dennoch, dass der (Apotheken-)Inhaber trotz der Insolvenz relativ frei agieren kann.

Eine Entschuldung lässt sich schließlich über einen Insolvenzplan erreichen, in dem sich der Inhaber als Schuldner mit allen Gläubigern über die entsprechenden Konditionen einigt. In solch einem Planverfahren gilt das sogenannte Schlechterstellungsverbot, d.h. die Gläubiger dürfen durch den Insolvenzplan wirtschaftlich nicht schlechtergestellt sein als in einem Regelinsolvenzverfahren. Häufig erreicht man dies über einen Drittzuschuss. Nachdem der Insolvenzplan rechtskräftig geworden ist, kann das Insolvenzverfahren wieder aufgehoben werden, und der vormalige Schuldner darf seine Apotheke ohne Beschränkungen fortführen.

Insolvenz-Prävention mit modularem Instrumentenkasten

Allerdings ist auch die Eigenverwaltung ein Insolvenzverfahren, das spätestens mit der Insolvenzeröffnung öffentlich bekannt gemacht wird. Dementsprechend bleibt hier ebenfalls ein gewisser "Makel" am Unternehmen hängen. Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) will hingegen durch präventive Maßnahmen eine Insolvenz vermeiden. Im Kern ist es sein Ziel, durch außergerichtliche Verhandlungen zu einer Lösung zu kommen.

Der StaRUG, so die Überlegung des Gesetzgebers, soll schon frühzeitig eine Art Drohpotenzial entfalten und auf diese Art dazu beitragen, dass sich Unternehmer in der Krise frühzeitig mit ihren Gläubigern einigen. Das Ganze gilt explizit auch für Freiberufler wie Apotheker oder Ärzte!

Das neue Verfahren enthält verschiedene "Module", aus denen der Sanierungsberater situationsgerecht einzelne Instrumente auswählen kann. In Betracht kommen etwa

  • eine Sanierungsmoderation, bei der ein gerichtlich bestellter Sanierungsmoderator den Schuldner dabei unterstützt, eine Sanierungslösung auszuarbeiten,
  • die Beendigung einzelner (ungünstiger) Verträge oder
  • die Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Verbündete versus Störenfriede?

Im Zentrum der Stabilisierungsmaßnahmen steht der sogenannte Restrukturierungsplan. Er ist dem amerikanischen Recht entliehen und ähnelt einem Insolvenzplan. Rechtlich handelt es sich um eine Art Zwangsvertrag, über den die am Verfahren beteiligten Gläubiger abstimmen. Der Gesetzgeber zielt vor allem darauf ab, sogenannte Akkordstörer zu entmachten, die ihre Rechtsposition missbrauchen und eine sinnvolle Sanierung blockieren, um sich Sondervorteile zu verschaffen.

Im Restrukturierungsplan werden die Gläubiger in mindestens zwei Gruppen eingeteilt:

  • Eine Gruppe können etwa Lieferanten oder kooperative Vertragspartner bilden, die an der Fortsetzung einer Geschäftsbeziehung besonders stark interessiert sind.
  • Die "widerspenstige" Hausbank oder sonstige "störende" Vertragsgläubiger, wie etwa Vermieter, stellen dann eine zweite Gruppe.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Gruppe auch die andere(n) Gruppe(n) überstimmen, sodass sich Sanierungsvorhaben auch gegen den Willen einzelner Gläubiger umsetzen lassen. Das nennt der Gesetzgeber dann Obstruktionsverbot. Erforderlich hierfür sind u.a. eine Mehrheit von 75% der Stimmen pro Gruppe und – wie beim Insolvenzplan – eine Wahrung des Schlechterstellungsverbots.

Übrigens: Forderungen von Arbeitnehmern sind nach dem StaRUG ausgenommen, und auch Insolvenzgeld steht – anders als beim Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung – nicht zur Verfügung.

Schon jetzt Vorbereitungen treffen

Nach dem Willen der Bundesregierung und zahlreicher Rechtspolitiker soll das neue Gesetzeswerk bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Voraussetzungen dafür, dass der neue Rechtsrahmen angewendet werden kann, sind:

  • Die Zahlungsunfähigkeit darf lediglich drohen, aber noch nicht eingetreten sein.
  • Es liegt ein tragfähiges Sanierungskonzept vor, mit dem sich die Zahlungsunfähigkeit abwenden lässt.

Wichtig ist es deshalb, sich frühzeitig mit dem neuen Gesetzesrahmen zu befassen, dessen "Vorwirkungen" bereits jetzt zu Handlungsdruck führen.

Wir empfehlen betroffenen Apothekeninhabern daher, unter Umständen schon jetzt Kontakt zu all jenen Vertragspartnern aufzunehmen, von denen sie Sanierungsbeiträge benötigen (könnten), und diesen Vertragspartnern zu verdeutlichen, dass eine einvernehmliche Lösung sinnvoller ist als der Gang zum Gericht.

Option für "AvP-Apotheken"?

Eine aktuelle Bedeutung könnte das neue Verfahren vor dem Hintergrund der AvP-Insolvenz bekommen. Durch schnelle Hilfen ließen sich Liquiditätsengpässe hier zwar häufig zunächst vermeiden (vgl. dazu AWA 20/2020). Allerdings wird die genaue Höhe eventueller Verluste erst mittel- oder langfristig feststehen, und möglicherweise in Anspruch genommene Liquiditätshilfen sind zudem irgendwann zurückzuzahlen. Daher könnte das neue Verfahren für betroffene Apotheken eine interessante Option sein.

Dr. Sandra Körner, Rechtsanwältin, Dipl.-Rechtspflegerin (FH), Geschäftsführende Gesellschafterin RST Rendels Körner & Partner mbB, 50670 Köln, E-Mail: skoerner@rst-beratung.de

Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner der RST Beratungsgruppe, 45128 Essen, E-Mail: mrohner@rst-beratung.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(22):12-12