Testen in der Apotheke

Um jeden Preis?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Hatten wir im letzten AWA vorrangig das schnelle Bargeschäft mit Tests, Masken und Co. im Blick, möchten wir uns heute mit dem zeitintensiveren und aufwendigeren Testen in der Apotheke beschäftigen – und dabei auch auf die Teststatistik schauen.

Corona-Tests sind auf dem Weg, zur "zweiten Eintrittskarte" zu werden. Abgesehen von ungelösten Kapazitäts- und Zeitproblemen, wenn jeder künftige Stadtbummel eine vorherige Freitestung erfordern sollte, stellt sich die Frage nach der Verbindlichkeit der Ergebnisse. Bei Selbsttests ist diese fraglich. Hier kommen professionelle Test-Orte infrage – und damit wieder die Apotheken.

Time is money!

Manche Apotheken haben sich massiv engagiert und ganze Testzentren aus dem Boden gestampft. In der Fläche muss das jedoch niedrigschwelliger und einfacher gehen. Wie kann das in einer nicht allzu beengten Offizin gelingen?

  • Grenzen Sie eine gut zugängliche Ecke ab. Da viele Freiwahlprodukte kaum die Bretter verdienen, auf denen sie stehen (und deshalb in reduzierter Stückzahl umziehen können), kann das kaufmännisch vertretbar sein. Gegebenenfalls kommen aber auch ein Zelt-Pavillon, eine angrenzende Garage etc. in Betracht.
  • Striktes Terminmanagement und Zeitblöcke sind unverzichtbar. Software hilft, ob eine eigenständige "Terminverwaltungs-App" oder die auf jedem Rechner vorhandenen Planer. Eine "offene Teststunde" können Sie daran gegebenenfalls noch anhängen.
  • Üben Sie alle Abläufe mit den Mitarbeitern ein. Die Tests müssen professionell und schnell vonstattengehen. Testen ist Testen – und keine Seelenmassage oder lebensbiografische Aufarbeitung. So sollten Sie den Zeitbedarf exakt einschätzen können und Ihre Termine in einem entsprechenden "Zeitraster" machen – mit einem Puffer nach fünf bis zehn Tests. Vermeiden Sie durch eine zügige Ablauforganisation, dass sich Warteschlangen bilden!
  • Die allermeisten Tests werden negativ ausfallen. Positive Tests müssen gemeldet werden und erfordern erst dann zwingend die Aufnahme der Personalien, was Zeit kostet. Wer eine "Freitestung" bescheinigt haben will, muss ebenfalls erfasst werden. Ein entsprechender "Check-in" empfiehlt sich. Weisen Sie die Kunden vorab darauf hin, dass sie den Ausweis parat halten sollen. Erwägenswert ist zudem eine Einverständniserklärung.
  • Zwischen Probenahme und Ergebnis liegen bei den Antigen-Schnelltests 15 bis 20 Minuten. Verhindern Sie dabei strikt jede Verwechslungsmöglichkeit von Tests und Personen und erstellen Sie stets eine professionelle, abgezeichnete Ergebnismitteilung.

Die Kalkulation

Die Rentabilität entscheidet sich in erster Linie an den Zeitkosten (Lohn-Gesamtkosten je Minute). Die fixen Vorausinvestitionen setzen wir in der klassischen Offizin eher gering an und bringen sie pauschal im Deckungsbeitrag je Test mit unter – je nach anvisierten Testzahlen maximal 1 €. Auf der Einnahmeseite steht der reale Rohertrag pro Test, also einschließlich der Einkaufsvorteile.

Tabelle 1 zeigt einige praxisnahe Varianten. 0,50 € Lohnkosten je Minute entsprechen einer gut bezahlten PTA, 1,00 € leitenden Approbierten. Wenn Sie an mehreren Schrauben drehen, dann können Sie sogar mit einer sportlichen Preispolitik (Tests unter 20 € bzw. bei 18 € Erstattungspreis) noch schwarze Zahlen schreiben. Schulen Sie dazu bevorzugt PTA oder günstige Jung-Approbierte, denen das Handling flott von der Hand geht. Arbeitsweisen unterscheiden sich bekanntlich stark, das Thema Zeit ist aber entscheidend. Etablierte, rationelle Prozesse sind der weitere Schritt zum Erfolg.

Um sich kein schmerzhaftes Zuschussgeschäft aufzubürden, haben Sie zwei Optionen: Entweder Sie testen nur vereinzelt am Rande – und das dann gerne teuer. Bei geringen Stückzahlen ist das ein unbedeutendes Nebenher-Geschäft. Oder aber, Sie gehen in die gut organisierte, scharf kalkulierte "Massentestung", machen sich also das Prinzip der hohen Auslastung bei trotzdem noch ordentlichen Renditen zunutze. Wenn Sie sich die Werte in Tabelle 1 anschauen, dann ist da an etlichen Stellen noch Luft (Lohnkosten, Einkauf), und die Zeiten sind bis in den mittleren Preisbereich eher großzügig.

Wundersame Teststatistik

Was ist nun von den Testergebnissen zu halten (Tabelle 2)? Die entscheidenden Testparameter sind die Sensitivität (= Quote der richtig-positiven Testergebnisse an den tatsächlich Positiven), die Spezifität (= Quote der richtig-negativen Testergebnisse an den tatsächlich Negativen), die Prävalenz (wie häufig kommt das Merkmal vor?) sowie die Nachweisgrenze (Limit of Detection, LOD, aus der künstlichen Infektion von Zellkulturen ermittelt).

Angegeben sind drei unterschiedlich "exakte" Tests, die in etwa das momentan angebotene Spektrum abdecken. Die gefährliche Quote fälschlich negativer Ergebnisse scheint insoweit erst einmal gering zu sein (entscheidender Parameter ist die Sensitivität). Sie steigt allerdings mit zunehmender Prävalenz an. Eine 2%ige Durchseuchung beim schlechtesten Test A ergibt 0,8‰ Falschrate bezogen auf alle Testergebnisse (bzw. 0,824‰ bezogen nur auf die negativen Tests).

Testet man z.B. 50.000 Besucher eines Fußballstadions in dieser Infektionslage, "übersieht" man so rund 40 Infizierte, und mit dem besten Test C noch zehn. Bei stark reduziertem Durchseuchungsgrad (0,1% Prävalenz) würde der beste Test C statistisch gar nur 0,5 Infizierte ins Stadion lassen. Doch Achtung: Vom Test erkannt bedeutet stets: Oberhalb der Nachweisgrenze (siehe unten).

Umgekehrt verhält es sich mit den falsch-positiv Getesteten: Deren Rate sinkt mit zunehmender Prävalenz, während bei niedrigen Infiziertenzahlen die Falschrate teils groteske Maße annimmt. So können bei 0,1% Prävalenz und dem schlechtesten Test A zehn Mal mehr positive Testergebnisse auflaufen, als überhaupt tatsächlich infiziert sind. Es würden also rund 1% der Testpersonen ein positives Ergebnis erhalten (und müssten gemeldet werden sowie einen Bestätigungstest durchlaufen) – bei 0,1% realer Infizierung. Beim besten Test C ist das Verhältnis nur noch eins zu eins. Die Stellschraube ist hier die Spezifität.

Zur Nachweisgrenze: Sie liegt bei heutigen Antigentests in der Größenordnung von 1 Mio. Viren je ml – nicht wenig, und nur eine Momentaufnahme je nach Phase des Infektionsgeschehens. 25% bis 50% der Betroffenen können unterhalb dieser Grenze infiziert sein, "Superspreader" werden aber zuverlässig detektiert. Wunderwaffen sind Schnelltests nicht, aber eine wertvolle Ergänzung, falls klug angewandt.

Hinweis: Den eingangs erwähnten Beitrag zum schnellen Bargeschäft mit Tests, Masken und Co. finden Sie im AWA 5/2021.

Service

Weitere Rechenblätter und ein Testergebnisformular des Autors finden Sie auf OneDrive.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(06):4-4