Das Geschäft mit der Windel

Wie die Inkontinenzversorgung gelingt


Florian Köster

Auch wenn das Geschäft mit Windeln, Flächendesinfektionsmitteln und Co. zunächst wenig attraktiv scheinen mag, lassen sich damit doch nennenswerte Umsatzerlöse generieren. Wie profitieren sowohl Sie als auch Ihre Patienten von einer gut konzipierten Inkontinenzversorgung?

In der klassischen Apotheke gibt es fünf bis zehn Patienten, die einen Anspruch auf die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln der Produktgruppe(n) 51 und/oder 54 haben, und zwar bis zu einem Wert von monatlich 40 € bzw. aktuell pandemiebedingt 60 € (vgl. auch AWA 19/2019). Das klingt zunächst wenig attraktiv. Allerdings sind rund 2,9 Mio. Menschen in Deutschland Leistungsbezieher der Pflegeversicherungen. Und das Robert Koch-Institut beziffert die Anzahl an Patienten mit einer Harn- oder Stuhlinkontinenz (Stichwort: demografische Entwicklung) sogar auf 18 Mio.

Fingerspitzengefühl als A und O

Wir in den Apotheken vor Ort haben zwar viele Kontakte mit den betroffenen Personen. Allerdings schämen sich diese häufig für ihre Inkontinenz oder wissen auch gar nicht, welche Versorgungsmöglichkeiten es überhaupt gibt. Und so bleibt die optimale Hilfestellung zumeist aus. Was können wir tun?

  • Ob Werbebanner auf der digitalen Sichtwahl,
  • Artikel in der lokalen Presse oder
  • Vorträge in Selbsthilfegruppen:

Das sind alles probate Möglichkeiten, um auf das sensible Thema behutsam aufmerksam zu machen. Die beste Variante bleibt allerdings, die Patienten in der Offizin direkt anzusprechen – natürlich mit viel Fingerspitzengefühl: Wenn Sie im Rahmen der Beratung zu einem anderen Thema Interesse an der gesamten Gesundheitssituation Ihres Gegenübers zeigen, öffnet sich manch ein Patient von ganz allein und schildert Ihnen, was ihn bedrückt. Sie können ihm anschließend erklären, wie sich seine Probleme entscheidend entschärfen lassen – und ihm gleich auch mit dem Antrag und der Produktauswahl helfen.

Tipp: Verankern Sie das Vorgehen bei der Antrags- und Auswahlhilfe auch in Ihrem Qualitätsmanagementsystem – und zwar so, dass keine Frage offen und der individuelle Patient im Fokus bleibt.

Gestaffelt optimieren

Die Erstattungspreise für eine bestimmte Hilfsmittelart sind fest an die Menge gekoppelt. So werden z.B. 500 ml Händedesinfektionsmittel mit 8,21 € brutto vergütet. Um welches Produkt genau es sich handelt – ob um eine 70%ige Ethanol-Lösung oder um eine rückfettende, antivirale Desinfektion der neuesten Generation –, ist dabei unerheblich. Entweder Sie kommen mit den 40 € bzw. 60 € hin – oder nicht! Die Mehrkosten müssen die Patienten tragen.

Aufgepasst: Oft stehen Produkte mit einer offiziellen Hilfsmittelpositionsnummer zur Verfügung, die zwar erlaubt, aber (zu) teuer sind, während günstigere Alternativen, die denselben Zweck erfüllen, keine Nummer haben und nicht abgerechnet werden können.

Tipp: Recherchieren Sie nicht nur nach Apotheken-Einkaufspreisen, sondern auch nach effektiven Preisen unter Berücksichtigung von Rabattstaffeln. Durch Nachlässe von teils 50% bis 60% liegen Sie mit manchem Markenprodukt günstiger als mit der vermeintlichen Billigvariante.

Weil die Erstattungshöchstbeträge unabhängig vom Patienten gelten, handelt es sich bei der Inkontinenzversorgung zweifellos um eine Mischkalkulation. Sofern Sie allerdings viele Patienten versorgen, können Sie diese je nach Bedarf in unterschiedliche Gruppen einteilen. In meiner Apotheke staffeln wir z.B. die Vorratshaltung und die Abholung bzw. Lieferung. Will heißen: Während wir die "Desinfektionsgruppe" gleich zu Monatsbeginn bedienen, ist die "Inkontinenzgruppe" zur Monatsmitte dran. Hier sind offene Kommunikation und Transparenz gegenüber den Kunden gefragt.

Tipp: Wenn Sie Ihren Bedarf digitalisiert ermitteln und eine automatisierte Lieferung veranlassen, können Sie auch noch Personalkosten sparen.

Inkontinenzrezepte, die uns die Patienten im Handverkauf (HV) auf den Tisch legen, führen meist zu hohen Margen, da der Bedarf in der Regel gering ist. Hier reichen die gesetzliche Zuzahlung plus die Erstattung durch die Krankenkassen aus, um die Apothekenausgaben zu decken.

Wenn Sie einen "HV-Patienten" im Erstberatungsgespräch detailliert über den Ablauf der Versorgung und über die Produkte aufklären, holen Sie ihn gut ab und können Ihre und seine Kalkulation optimieren. Mehrkosten für den Patienten lassen sich z.B. gezielt vermeiden, indem Sie ein teures, komfortableres Produkt für die Nacht und ein günstigeres, aber hinreichend bequemes für den Tag auswählen.

Mit einfachen Vorlagen im 28er-Pack ist es leider nicht getan, wenn Sie Pflegeheime und stationäre Einrichtungen versorgen. Denn der Bedarf von bettlägrigen Patienten übersteigt den Erstattungshöchstbetrag für Windelhosen um ein Weites. Dann sind Mehrkosten für die Patienten vorprogrammiert.

Deshalb suchen viele Pflegeeinrichtungen schon präventiv nach exklusiven anonymen Massenversorgern. Als Apotheke vor Ort kann man hier allenfalls an die Verantwortlichen herantreten und Aufklärungsarbeit leisten. Über die abgenommene Menge und die damit verbundenen Konditionen lässt sich dann eine vernünftige Kooperationsbasis aufbauen.

Ab aufs große Parkett?

Die Pandemielage hat die Politik nicht nur dazu bewegt, die Pflegehilfsmittelpauschale zu erhöhen, sondern auch dazu, den Leistungserbringern die Preisgestaltung für Pflegehilfsmittel freizugeben – mit der Folge, dass der Direktversand über das Internet boomt. Durch verschlankte Prozesse können die entsprechenden Unternehmen mit Preisen locken, denen gegenüber diejenigen aus manch einer Apotheke astronomisch hoch erscheinen. Die Patienten bekommen dann fertige Boxen mitsamt Rechnung zugeschickt, die aber ganz und gar nicht individuell auf sie zugeschnitten sind. Und wenn sie noch eine Rückfrage haben, landen sie oft – trotz ihres hohen Leidensdrucks – in der Endloswarteschleife eines Callcenters.

Anders als die Versender bekommen wir vor Ort den direkten Frust, das Unverständnis und die Hilflosigkeit der Patienten während der persönlichen Betreuung direkt zu spüren. Umso wichtiger, dass wir die Patienten aufklären, warum sie bei uns gegebenenfalls mehr bezahlen müssen. Gleichzeitig sollten wir aber eine Preispolitik fahren, mit der wir ihnen unsere Wertschätzung signalisieren – und keine Habgier.

Aber natürlich steht es uns frei, trotzdem auf dem "großen Parkett" mitzutanzen. Das ist nämlich auch für die Vor-Ort-Apotheke möglich, eben insbesondere bei Kooperationen mit Pflegediensten oder -einrichtungen.

Praktisch dabei: Manche Hersteller von Pflegehilfsmitteln bieten zusätzlich zu den eigenen Produkten die passende Logistiklösung an. Darüber hinaus gibt es natürlich spezielle Logistikdienstleister. Sofern die rechtlichen Vorgaben erfüllt sind, funktioniert das Ganze dann so: Ein Pflegedienst oder auch ein Heim ordert seinen Bedarf entweder über ein Onlineportal oder eine Bestellliste bei Ihnen. Und Sie lassen Ihren Kunden dann direkt vom Dienstleister beliefern.

Entsprechende Kooperationen lohnen sich natürlich (auch für den Dienstleister) nur, wenn es um große Warenmengen geht. In den Verträgen werden daher auch Mindestabnahmemengen etwa für ein Jahr vereinbart.

Tipp: Um Ihren Verwaltungsaufwand gering zu halten, bietet es sich an, den Patienten in Heimen etc. strukturierte Monatsrechnungen zu stellen und die entsprechenden Beträge über SEPA-Lastschriftmandate einzuziehen.

Image durch Inkontinenz

Wer es schafft, seine Patienten offen und ehrlich zu ihren immer noch tabuisierten, unangenehmen Problemen zu beraten und ihnen auch adäquate Versorgungslösungen zu bieten, kann die Außenwahrnehmung seiner Apotheke vor Ort effektiv verbessern.

Ich selbst versorge mehr als 200 Inkontinenz- und 200 Pflegehilfsmittelpatienten, die sich durch die persönlich-individuelle Beratung wertgeschätzt fühlen – und die meine Apotheke daher in der anonym-durchkapitalisierten Gesundheitswirtschaft als Ort der sozialen Verantwortung wahrnehmen. Dafür lebe ich auch gerne mit manch nicht profitablem Erstattungshöchstbetrag.

Florian Köster, Inhaber Cothenius-Apotheke, 17389 Anklam, E-Mail: info@cothenius-apotheke.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(06):8-8