Wenn der Mystery Shopper in der Apotheke steht

Erfüllen Sie, was sich Ihre Kunden wünschen?


Emanuel Winklhofer

Die US-amerikanische Gastronomiekritikerin Ruth Reichel hat Restaurants oft inkognito besucht, also ohne den sonst üblichen "roten Teppich". Ihre ungeschminkten Erfahrungen spiegeln das wider, was man heute im Mystery Shopping herauszufinden versucht – auch in Apotheken.

Das Marketing bietet drei Möglichkeiten, um die Kundenzufriedenheit zu erfassen:

  • Die Kundenbefragung,
  • das Pseudo-Customer-System und
  • das Mystery Shopping.

Verschiedene Qualitätsfacetten

Wenn Sie planen, eine Kundenbefragung durchzuführen sollten Sie sich fragen, ob Sie dazu selbst kompetent genug sind. Wollen Sie valide Ergebnisse, sollten die Rahmenbedingungen genau beachtet werden:

  • Welche Kriterien erfüllen die Fragen?
  • Sind die Antworten gestützt oder ungestützt?
  • Wie sieht die Auswertung aus?
  • Welche Ideen bzw. Ergebnisse werden dann auch wirklich umgesetzt?

Mit den Pseudo-Customer-Systemen überwachen bzw. prüfendie Kammern und andere Organisationen die fachliche Kompetenz Ihrer Apotheke – letztlich also die betrieblichen Abläufe, die in Ihrem allgemeinen Qualitäts-Management-System (QMS) festgelegt und dokumentiert sind.

Das Mystery Shopping ergänzt diese beiden anderen Analysen, indem es die Servicequalität aufdeckt und Schwachstellen verdeutlicht. Hier werten Test-Einkäufer bei ihrem Apothekenbesuch bestimmte, vorher festgelegte Kriterien aus:

  • Wie ist der erste Eindruck beim Betreten der Apotheke?
  • Wie schnell werden die Kunden wahrgenommen?
  • Können sich die Kunden gut bei den freiverkäuflichen und apothekenpflichtigen Produkten orientieren?
  • Wie steht es mit der Sauberkeit?
  • Gelingt es dem Verkaufspersonal, Vertrauen aufzubauen – und wenn ja, wodurch?
  • Besteht in der Apotheke eine Wohlfühlatmosphäre?

Die Mystery Shopper wohnen oder arbeiten im Einzugsgebiet der Apotheke und sind somit durchaus reelle und potenzielle Kunden. Sie werden speziell auf die Anforderungen gebrieft, die die vermittelnde Agentur zusammen mit Ihnen als Apothekenleitung festlegt. Natürlich muss auch Ihr Personal über die Maßnahme Bescheid wissen, denn sonst könnte Ihnen rasch ein massiver Vertrauensverlust drohen.

Es menschelt

Aus den vielen Shopping-Analysen, die in Apotheken durchgeführt wurden, weiß man heute relativ genau, was den Kunden beim Besuch in der Offizin am wichtigsten ist:

  1. Eine kompetente sowie
  2. eine individuelle Beratung und
  3. freundliches Personal.

Diesen drei Punkten ist der Faktor Mensch gemeinsam. Interessant! Denn es kommt also wirklich auf die individuelle Apotheke an! Bei den Produkten hingegen unterscheiden wir uns bekanntlich weder von unseren lokalen Mitbewerbern noch vom Versandhandel.

Genau hier können wir folglich mit unserer Servicequalität und den Soft Skills ansetzen: Die pharmazeutische Beratungskompetenz sollte die Basis für den Erfolg einer jeden Apotheke sein. Eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung sowie regelmäßige Fort- und Weiterbildungen garantieren den Kunden, dass sie sich fachlich 100%ig auf das Wissen des Apothekenpersonals verlassen können. Weitere häufige Kundenwünsche sind:

  • Die Nähe zum Wohnort,
  • ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis,
  • eine diskrete Beratung und
  • ein gepflegtes Erscheinungsbild des Personals.

Die individuelle Beratung erfordert viel Fingerspitzengefühl im Sinne einer "situativen Intelligenz". Sie sollten sich also absolut auf die momentane Situation mit Ihren Kunden einstellen. Denn es wird immer wichtiger, Situationen schnell zu erfassen, Hintergründe und Eventualitäten parallel zur Beratung abzuwägen und sehr persönlich auf die Menschen vor Ihnen einzugehen. Glücklicherweise haben wir in den Apotheken hier einen ähnlichen Vorteil wie alte Landärzte, die ihre Patienten seit Jahrzehnten kennen und die familiäre Historie in ihre Therapie mit einbeziehen können.

Die glorreichen Drei

Weil sich die Kunden freundliche Mitarbeiter wünschen, müssen wir uns jeden Tag aufs Neue klarmachen, was die kommunikativen Basics sind – und sie auch umsetzen. Den QMS-Regeln ganz ähnlich, brauchen wir auch Qualitätsstandards für die Beratung und den Umgang mit den Kunden. Die drei wichtigsten Bereiche, in denen Sie die Kundenzufriedenheit sofort steigern können, stellen wir Ihnen im Folgenden kurz vor.

Zum Ersten ist da der positive erste Eindruck, der einen angenehmen Einstieg ins Verkaufsgespräch ermöglicht und durch nichts zu ersetzen ist. Dieser erste Eindruck bezieht sich vor allem auf den Kontakt mit den Mitarbeitern, schließt aber auch einige andere Bereiche mit ein, wie z.B.

  • das äußere Erscheinungsbild der Apotheke inklusive der Schaufenstergestaltung,
  • die Attraktivität von Aktionen,
  • die Innengestaltung mitsamt der Sauberkeit,
  • die Übersichtlichkeit der Präsentation – und vieles mehr.

Als Zweites folgt die Phase der hohen emotionalen Begebenheit, in der viel Vertrauen zum Kunden aufgebaut wird. Hier kommt es immer wieder auf ein freundliches Lächeln an, verbunden mit einem Smalltalk und persönlichen Tipps. Bewusst Vertrauen bauen Sie auch auf, wenn Sie aufmerksam zuhören und die Kunden vor allem durch mehrfaches Nachfragen intensiver in das Beratungsgespräch einbinden. Ebenfalls wichtig: Sprechen Sie die Kunden mit Namen an, und bringen Sie persönliche Erfahrungen mit ins Gespräch ein.

Als Drittes kommt es schließlich auf den passenden Abschluss an: So wie wir uns verabschieden, behält man uns im Gedächtnis. Deshalb dürfen sich zu einer freundlichen Verabschiedung gerne die Wünsche

  • "Gute Besserung!",
  • "Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag bzw. ein schönes Wochenende!" oder
  • "Alles Gute für Sie!"

gesellen. Sofern Sie den Kunden dann noch eine Zeitung, eine Zugabe und/oder einen Treuepunkt bzw. -taler überreichen, verstärkt das die persönliche Zuwendung.

Keine halben Sachen!

Die Versandhändler kennen die Bedürfnisse der Kunden heute durch sehr ausgeklügelte Trackingverfahren weit besser als wir in den Präsenzapotheken. Meist können wir nur mutmaßen, wie sich die Sicht der Kunden auf die Apotheke verändert. Deshalb brauchen wir erprobte Maßnahmen, um zu erkennen, was unsere Kunden wirklich wollen.

In den meisten Fällen empfiehlt es sich, solche Analysen nicht selbst zusammenzubasteln, sondern sich an qualifizierte Beratungsunternehmen zu wenden. Doch auch ohne individuelle Testergebnisse lässt sich schon vieles im Umgang mit den Kunden verbessern, wenn Sie an den genannten Punkten arbeiten und sich in diesem Rahmen auch an den Erfahrungswerten aus den vielen Shopping-Analysen orientieren.

Eine interessante Frage noch zum Ende: Wie sähen wohl die Ergebnisse von zwei Mystery-Shopping-Analysen aus, wenn Sie

  • eine davon direkt vor der Pandemie und
  • die andere jetzt

unter ansonsten identischen Bedingungen durchgeführt hätten? Haben wir im vergangenen Jahr etwas gelernt? Oder ist stattdessen einfach nur die Frustration angewachsen – zulasten der Qualität im Umgang mit den Kunden?

Wie auch immer: Wohl jeder Betrieb hat bei der Kundenzufriedenheit noch Luft nach oben! Wenn wir uns dementsprechend verbessern wollen, müssen wir uns verändern! Fangen Sie also jetzt an: Statt mit 130% zu zögern, sollten Sie lieber mit 80% beginnen!

Service

Kostenfreie 3-Minuten-Videos zum Thema finden Sie unter der Rubrik "AWA" auf der Homepage des Autors.

Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(15):8-8