"Sie müssen draußen bleiben!" – Wirklich?

Wann Sie Ihr Hausrecht ausüben dürfen


Dr. Bettina Mecking

Manchmal kommen Kunden in Ihre Apotheke, die Sie am liebsten gleich wieder vor die Türe setzen würden. Theoretisch könnten Sie sich dann zwar auf Ihr Hausrecht berufen. Aber wie so oft gelten gerade für Apotheken einige Sonderregelungen.

Wer ein Geschäft für den allgemeinen Publikumsverkehr eröffnet, bringt damit zunächst zum Ausdruck, dass er jedem Kunden Waren oder Dienstleistungen verkaufen will. Das bedeutet: Auch Sie als Apothekeninhaber gestatten somit all jenen Kunden, die sich im Rahmen "üblichen Käuferverhaltens" bewegen, den Zutritt in Ihre Offizin – und zwar generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall.

Wenn sich Patienten allerdings unangemessen oder nicht gesetzeskonform verhalten und z.B.

  • das Apothekenpersonal bedrohen oder
  • durch Diebstähle auffallen,

können auch Sie ein Hausverbot aussprechen. Sofern die Patienten dann gegen das Hausverbot verstoßen, begehen sie gegebenenfalls einen Hausfriedensbruch nach §123 Strafgesetzbuch (StGB).

Der besondere Zwang

Für Apotheken gelten aber Sonderregeln, wie etwa der Kontrahierungszwang. Mit dieser rechtlichen Pflicht wird Ihre grundsätzliche Vertragsfreiheit – d.h. die Entscheidung, mit wem Sie Geschäfte machen und mit wem nicht – eingeschränkt, um sicherzustellen, dass "jedermann" mit Arzneimitteln versorgt werden kann.

Aufgrund dieses gesetzlichen Versorgungsauftrags nach §1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) können Sie also nur bedingt vom Grundrecht der Vertragsfreiheit Gebrauch machen. Das bedeutet, dass Sie möglicherweise auch Kunden bedienen müssen, die Sie eigentlich gar nicht bedienen wollen (vgl. zum Kontrahierungszwang ausführlich AWA 11/2021).

Immer noch ein Thema: Die Maskenpflicht

Im Einzelhandel und somit auch in Apotheken müssen Kunden bekanntlich aktuell einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Wenn sich ein Kunde weigert, dem nachzukommen bzw. nicht nachweisen kann, dass bei ihm ein Ausnahmetatbestand von der Maskenpflicht besteht, können Sie von Ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Sie haben also die Möglichkeit, den Kunden aufzufordern, vor der Apotheke zu warten, um ihn dann über die Notdienstklappe zu bedienen. So ist sichergestellt, dass Sie Ihrem Versorgungsauftrag nachkommen, während gleichzeitig für andere Kunden und Ihre eigenen Mitarbeiter keine Gefahr vom Masken-Verweigerer ausgeht.

Sofern ein Patient wirklich von der Maskenpflicht befreit ist und Sie ihn in die Apotheke lassen möchten, während sich dort kein anderer Kunde mehr befindet, sollten Sie das ärztliche Attest im Hinblick auf eine mögliche eigene Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit aber unbedingt kontrollieren. Denn: Dulden Sie als verantwortliche Person, dass ein Kunde ohne Ausnahmetatbestand keinen Mundschutz in Ihrer Apotheke trägt, kann ein Bußgeld auf Sie zukommen. Sollte der Kunde sich weigern, das Attest vorzulegen, können Sie ihn wieder über die Notdienstklappe bedienen.

Wichtig: Atteste, die nicht von einem Arzt ausgestellt wurden, sind nicht gültig!

Achtung: Diskriminierung!

Die generelle Vertragsfreiheit wird auch durch eine Vielzahl von allgemeinen Ausnahmen eingeschränkt, wie beispielsweise durch das Verbot einer Diskriminierung aufgrund von Ethnie und Herkunft, sexueller Orientierung, Religion, Behinderung etc. (vgl. auch AWA 10/2020). Das heißt im Klartext, dass Ihr Hausrecht Sie nicht dazu legitimiert, Personen etwa wegen einer Behinderung zu benachteiligen, indem Sie sie beispielsweise nicht bedienen.

Übrigens: Im Zusammenhang mit der Maskenpflicht berufen sich Betroffene manchmal auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ob es sich allerdings um eine Diskriminierung gemäß AGG handelt, wenn Sie Masken-Verweigerer nicht in die Apotheke lassen, ist immer eine Einzelfallentscheidung.

Testkäufer nicht aussperren!

Höchstrichterlich entschieden ist, dass Sie sich Testkäufer in der Apotheke nicht vom Hals halten können, indem Sie ihnen ein Hausverbot erteilen. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hält Hausverbote zur Verhinderung von Testkäufen für unzulässig (Urteil vom 13.07.1979, Aktenzeichen: I ZR 138/77).

Die Begründung: Eine Apotheke müsse grundsätzlich für jedermann offenstehen, solange sich die entsprechende Person in den Geschäftsräumen aufhalte, um ihren eigenen Bedarf an Arzneimitteln zu decken. Verhalte sich der Testkäufer nicht anders als alle anderen Käufer in diesen Geschäftsräumen, müsse jeder Einzelhändler derartige Kontrollkäufe grundsätzlich hinnehmen.

Und die Videoüberwachung?

Das Hausrecht spielt auch beim Datenschutz eine Rolle – und zwar kann es die Videoüberwachung des Apothekenverkaufsraums rechtfertigen. Diese ist nämlich dann ausnahmsweise zulässig, wenn sowohl das Hausrecht als auch berechtigte Interessen des Inhabers das schutzwürdige Interesse von Kunden und Beschäftigten überwiegen (§6b Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz, BDSG).

Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis entschieden (Urteil vom 12.12.2017, Aktenzeichen: 2 A 662/17): Es ging um einen Apotheker, der im Rahmen seiner Inventur eine Lagerwertdifferenz von etwa 44.000 € festgestellt und deswegen drei Überwachungskameras installiert hatte – nämlich im Verkaufsraum, bei den Betäubungsmitteln sowie im Anlieferungsbereich.

Zwar seien die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaube oder anordne bzw. wenn der Betroffene eingewilligt habe. Laut OVG durfte der Apotheker sein Hausrecht trotzdem schützen. Denn eine Ortsbesichtigung habe gezeigt, dass sich im Freiwahlbereich "überwiegend Regale mit Produkten mit geringem Volumen wie bspw. Kosmetika u.ä. befinden, die [...] leicht 'abgeräumt' werden können" – was eine konkrete Gefährdungslage begründe. Durch die Kameras im Verkaufsraum indes würden potenzielle Täter davon abgeschreckt, Straftaten zu begehen.

Übrigens: Die aufgezeichneten Daten dürfen dem OVG zufolge bis zu zehn Wochentage gespeichert werden.

Hausverbote auch im Netz?

Das Hausrecht gibt nicht nur stationären Händlern ein wirksames Instrument an die Hand. Vor-Ort-Apotheken können vielmehr den Zugang zu ihrer Online-Präsenz ebenfalls einschränken: Denn es existiert auch ein virtuelles Hausrecht, das es Händlern ermöglicht, störende Kunden im Netz abzuweisen.

So hat der BGH kürzlich in einer bemerkenswerten Entscheidung klargestellt, dass es für die Verhängung eines virtuellen Hausverbots nicht immer eines sachlichen Grundes bedarf (Urteil vom 29.05.2020, Aktenzeichen: V ZR 275/18). Ein solcher Grund müsse lediglich dann zwingend angegeben werden, wenn sich der Zugang, den man durch die Ausübung des Hausrechts verwehre, in erheblichem Umfang auf die Teilnahme am gesellschaftlichen bzw. kulturellen Leben auswirke.

Allerdings halten Sie Kunden im Netz wohl nur in den seltensten Fällen davon ab, am gesellschaftlichen bzw. kulturellen Leben teilzunehmen, wenn Sie sich weigern, online einen Kaufvertrag mit ihnen abzuschließen. Insofern ist es nach dem BGH-Urteil prinzipiell leichter, ein "Online-Hausverbot" wirksam auszusprechen.

Aber: Auch wenn die Rechtsprechung ein virtuelles Hausrecht von Apotheken, die zusätzlich einen Online-Shop betreiben, grundsätzlich anerkennt, ergeben sich nicht selten Probleme, dieses Hausrecht auch tatsächlich durchzusetzen. Regelmäßig beschränkt sich das Spektrum Erfolg versprechender hausrechtlicher Maßnahmen insofern darauf, sich konsequent auf die Privatautonomie zu berufen. Diese ermöglicht es Ihnen, Verträge abzulehnen oder nachträglich aufzuheben, sodass Sie immerhin wirtschaftlichen Einbußen präventiv entgegenwirken können.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(15):14-14