Gemeinsam Zukunft gestalten

Wie Handelsstandorte im digitalen Zeitalter attraktiver werden


Dr. Markus Preißner

Attraktive Innenstädte, Quartiere, Orts- und Stadtteilzentren sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit. Das gilt auch für Apotheken. In einer aktuellen Studie hat das IFH Köln untersucht, welche Faktoren für die Attraktivität von Innenstädten ausschlaggebend sind.

Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, die Veränderungen im Konsumentenverhalten und der Strukturwandel hinterlassen seit Jahren ihre Spuren in deutschen Innenstädten, Quartieren, Orts- und Stadtteilzentren. Insbesondere der zunehmende Onlinehandel stellt Stadt und Handel vor große Herausforderungen.

Die Folge: Vielerorts brechen die Besucherfrequenzen ein, immer mehr Einzelhändler schließen und hinterlassen Leerstände. Nicht selten führt das bis hin zur Verödung der betroffenen Standorte. Die Corona-Pandemie treibt diese Entwicklungen rasant an. Dementsprechend ist es an der Zeit, verstärkt in die Funktionalität und Attraktivität der Zentren zu investieren – nicht nur finanziell.

Was macht überhaupt attraktiv?

Laut der Untersuchung "Vitale Innenstädte 2020", für die das IFH Köln im Herbst 2020 rund 58.000 Passanten in 107 deutschen Innenstädten interviewt hat, sind wichtige Stellschrauben für die Gesamtattraktivität von Innenstädten und Ortszentren vor allem

  • die Aufenthaltsqualität (mit Ambiente/Flair, Erlebniswert und Bequemlichkeit),
  • die Erreichbarkeit sowie
  • das Angebot (Abbildung 1).

Ambiente und Flair hängen dabei insbesondere von gestalterischen Elementen ab. Doch auch auf die Sauberkeit, Sicherheit und Stadtbegrünung kommt es an.

Aspekte wie Orientierung, Wegeführung, Bequemlichkeit, Erreichbarkeit und eben die Sauberkeit und Sicherheit wirken hierbei wie Hygienefaktoren: Sie werden von den Konsumenten als selbstverständlich erachtet – wenn sie fehlen bzw. als unzureichend bewertet werden, halten sie häufig nachhaltig vom Besuch ab.

In Sachen Angebot ist zwar weiterhin der Einzelhandel zentral. Aber besonders abseits der Corona-Pandemie spielen auch andere Angebote, wie die der Gastronomie oder der Kultur- und Freizeitwirtschaft (inklusive Veranstaltungen), eine entscheidende Rolle.

Nur Shopping reicht nicht mehr

Auch wenn der Handel immer noch der Hauptbesuchsgrund sein mag, ist die Bedeutung des Shoppings in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Insbesondere bei den Jüngeren verliert der stationäre Handel – zumindest in seiner gegenwärtigen Form – an Anziehungskraft (Abbildung 2).

Um Konsumenten altersgruppenübergreifend (zurück) in die Zentren zu holen und zum Verweilen anzuregen, müssen neben dem Einkauf somit auch verstärkt andere Besuchsmotive bedient werden. Gefordert sind Angebotsvielfalt und Multifunktionalität, also die Kombination unterschiedlicher Nutzungsarten, wie

  • Handel,
  • Gastronomie,
  • Gesundheitseinrichtungen,
  • Freizeit-, Kultur-, Bildungsinstitutionen,
  • (konsumfreie) Verweil- und Interaktionszonen,
  • Wohnraum,
  • Co-Working-Spaces und
  • eine innerstädtische Produktion.

Hier gilt es vielerorts, nachzubessern und entsprechende Angebote auf- und auszubauen. Auch Apotheken können dabei einen wichtigen Beitrag leisten, etwa indem sie gemeinsam mit anderen Akteuren vielfältige Leistungen rund um das Thema Gesundheit an einem Standort bündeln. Denkbar wäre beispielsweise der Aufbau eines "House of Health", in dem die Apotheken mit verschiedensten Akteuren rund um das Thema Gesundheit, also mit

  • Arztpraxen,
  • anderen Gesundheitseinrichtungen sowie mit
  • passenden Handels-, Freizeit- und Sportanbietern,

unter einem Dach agieren und gemeinsam eine "Gesundheitsarena" mit Events, Aktionen, Vorträgen, Workshops etc. kontinuierlich bespielen. Ein solches Angebot würde zudem dem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung gerecht werden.

Die Kunden stets im Fokus

Um die Zentren (wieder) zu beleben, müssen sie sich (weiter) wandeln, denn Handelsstandorte sind angesichts des wachsenden Wettbewerbs (zumal über die verschiedenen Kanäle) konsequenter denn je nach den Anforderungen, Interessen und Verhaltensweisen der Konsumenten zu gestalten.

Vielerorts ist dabei auch ein Paradigmenwechsel weg von der Angebots- hin zu einer strikten Nachfrage- und Zielgruppenorientierung notwendig. Denn die beste Idee ist nichts wert, wenn sie die Interessen und Wünsche der Konsumenten nicht hinreichend berücksichtigt – übrigens auch dann nicht, wenn sie von der am besten vernetzten oder hierarchisch am höchsten stehenden Person kommt.

Für eine gelebte Kundenzentrierung ist es also wichtig, Ideen stets aus den Blickwinkeln der relevanten Zielgruppen herzuleiten und zu bewerten – sowie die Bürger bzw. Konsumenten gezielt partizipieren zu lassen.

Wenn die Kundenzentrierung als Leitlinie fungiert, reduziert sich darüber hinaus ein mögliches Konfliktpotenzial durch Partikularinteressen. Auf diese Weise können dann auch lokale Akteure leichter aktiviert werden – womit sich der Weg für eine neue Zukunft des Handels und eine neue Zukunft der Städte öffnet.

Voraussetzung für die erfolgreiche Weiterentwicklung der Zentren ist zudem, dass alle für einen Standort relevanten Akteure umfassend und intensiv zusammenarbeiten – wofür ein gemeinschaftliches Problemverständnis, eine umfassende Partizipation sowie handlungsfähige bzw. resiliente Strukturen und Verantwortlichkeiten erforderlich sind. Benötigt werden nicht zuletzt gut vernetzte, fest verankerte und hinreichend budgetierte "Macher vor Ort", die initiierend, koordinierend und vermittelnd zwischen der Stadt, dem Handel, der Immobilienwirtschaft und den anderen (potenziellen) Standortakteuren agieren.

Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter, IFH Köln, 50858 Köln, E-Mail: m.preissner@ifhkoeln.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(15):6-6