Wider die Papierflut

Sind Flyer noch zeitgemäß?


Emanuel Winklhofer

Das Verteilen von Angebot-Flyern ist für Apotheken schon seit vielen Jahren ein probates Mittel im Frequenzmarketing. Über attraktive Angebote gelingt es gut, Kunden öfter in die Apotheke zu holen und Noch-Nicht-Kunden zu einem Besuch anzuregen. Gilt das immer noch?

Seit mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) im Jahr 2004 die Festpreisbindung für apothekenpflichtige Arzneimittel aufgehoben wurde, entstand ein regelrechter Hype in der Werbung. Durch OTC-Preisangebote konnte man sich nun mit seiner Apotheke dem Kunden gegenüber wesentlich interessanter machen als nur mit Kosmetik oder Freiwahl, so wie es davor erlaubt war.

Heute hat sich die Arzneimittel-Preiswerbung im Markt etabliert. Die Verbraucher wissen, dass es bei den "Topsellern" attraktive Angebotspreise gibt. Musste man sich als Inhaber früher manchmal fragen, ob man sich dies oder jenes leisten könne (Zeitung, Zugaben, Lieferdienst, Angebote ...), drängt sich heute die Frage auf, was denn passieren würde, wenn man seinen Kunden die Sonderpreise vorenthielte. Die Folge ist eindeutig: Sie orientieren sich dann dort hin, wo sie Vorteile erhalten!

Der Preis ist heiß!?

Preisangebote sind heute aus dem Werbespektrum des Einzelhandels nicht mehr wegzudenken. Geht man durch eine Innenstadt oder ein Einkaufszentrum, wird man förmlich von den Schildern mit "Sale", "%%", "Angebot", "Schlussverkauf" (den es seit 2004 offiziell nicht mehr gibt), "Preissturz" etc. erschlagen.

Eine wichtige Entscheidung, die heute zu treffen ist, bezieht sich auf den Weg, wie man die Angebote zu den Kunden bringt. Ist es noch der klassische Handzettel oder die Präsenz auf Facebook, Instagram, WhatsApp oder Telegram? Sucht man sein Heil durch Angebote auf Schnäppchenseiten im Internet? Braucht es die Kombination von klassischen und modernen Medien?

Wahrscheinlich liegt die Antwort wie so oft in der Mitte: Das eine können wir nicht vernachlässigen und das andere nicht ausblenden, zumal auch die Affinität unserer Zielgruppen sehr unterschiedlich ist. Jüngere Menschen gehen wesentlich entspannter mit den modernen Medien um und ältere Menschen haben gern einen Werbeprospekt in der Hand.

Viele Handelsunternehmen setzen immer noch auf den traditionellen Prospekt, denn er bietet viele Vorteile:

  • Er lässt sich zu unterschiedlichen Anlässen (regelmäßige Angebote, Aktionen, Jubiläen) einfach und schnell gestalten und sehr zeitnah verteilen. Hierzu bieten sich die Direktverteilung über Agenturen oder Verlage, über den Postweg oder das Einlegen in eine kostenfreie Wochenzeitung an.
  • Das handliche Format lässt sich gut in die Tasche stecken und zum Point of Sale mitnehmen oder auch zu Hause gut sichtbar für den späteren Gebrauch ablegen.
  • Die Zielgruppe im Einzugsbereich der Apotheke wird durch die Verteilung ohne große Streuverluste erreicht.
  • Flyer lassen sich schon länger kostengünstig produzieren.

Branchen-Seitenblick

Genügt diese Ausrichtung allerdings im modernen Marketing als einziges Instrument? Sehen wir uns an, was andere Branchen inzwischen machen:

  • Mit der "Lidl-plus-App" kann man in den 3.200 Filialen Rabattpunkte sammeln, seine Kassenbons digital speichern und bekommt Angebote direkt auf das Smartphone.
  • Aldi setzt auf die optimale Verknüpfung von Print- und Digitalangeboten bei der Kundenkommunikation und erweckt den klassischen Prospekt durch eine Art "Augmented Reality" zum (virtuellen) Leben.
  • Die Drogeriemarktkette dm experimentiert auf vielen Social-Media-Formaten und kann über die "Mein-dm-App" die Verbraucher über Push-Nachrichten erreichen.
  • Rossmann ist stark bei Tiktok, Instagram und Facebook vertreten und erhöht so zusätzlich zu den gedruckten Prospekten seine digitale Präsenz.
  • Alnatura hat als Bio-Händler das Angebotsheft inzwischen komplett auf eine papierlose Version umgestellt. Das monatliche Alnatura Magazin liegt aber in den Geschäften für die Kunden zum Mitnehmen aus.
  • Die Internetplattform www.kaufda.de vereint die meisten (auch in Papierform erhältlichen) Prospekte der großen Unternehmen von Aldi bis Woolworth, von Bauhaus bis Tchibo oder von Edeka bis XXL Möbel in digitaler Form. Für Apotheken, die ja in einem sehr regional begrenzten Umfeld agieren, macht es aber wenig Sinn, auf so einer Homepage vertreten zu sein.

Digitales Marketing wird für große Unternehmen immer wichtiger, denn die Menschen sind stets online unterwegs und mit dem Smartphone permanent im Internet. Einen weiteren sehr großen Vorteil hat die digitale Ansprache von Kunden: Sie ist genau messbar und lässt sich sogar individuell auf den Kunden anpassen.

Das Problem des Aufwands

Diese Maßnahmen erfordern allerdings einen relativ großen Aufwand, den große Unternehmen wie Lebensmittler, Drogerieketten, Möbelhäuser usw. gut leisten können. Durch die Heterogenität der Apotheken ist der finanzielle Aufwand für ein solches Vorgehen im Einzelfall wohl kaum aufzubringen. Möglicherweise werden die derzeit entstehenden Plattformen für Apotheken diese Aufgabe übernehmen. Hierbei bleibt allerdings im Einzelfall zu entscheiden, ob man all seine Daten diesen Plattformen anvertrauen will und wem rechtlich die gesamten Datensätze überhaupt gehören. Auch die bestehenden Apothekenkooperationen basteln bereits sehr intensiv an größeren Lösungen, um auf Onlinekanälen den Kunden näher zu sein und vielfältige Dienstleistungen zu bieten.

Beschäftigt man sich näher mit der Thematik von Print- oder Online-Werbung in den einschlägigen Medien (z.B. Lebensmittelzeitung, Horizont, Handelsblatt etc.), findet man sehr unterschiedliche Einschätzungen der diversen Experten. Einerseits heißt es, dass nur noch Investitionen in digitale Medien Sinn machen, andererseits wird der klassische Prospekt nach wie vor als probates und gut eingeführtes Werbemedium zur Verkaufsvorbereitung gelobt. Die Wahrheit liegt wohl in beiden Wegen der Kundenansprache. Dies gilt sicherlich besonders für Apotheken. Die gut eingeführten Handzettel werden uns weiterhin viele Kunden in die Apotheke bringen und dennoch lassen sich gerade jüngere Zielgruppen gut über die Online-Ansprache erreichen.

Studienergebnisse

Das Institut für Handelsforschung in Köln (IfH) hat im Rahmen einer Studienreihe das Thema Prospektverteilung analysiert und herausgefunden, dass der Handzettel in Deutschland immer noch beliebt ist. 87% der Deutschen lesen zumindest gelegentlich die Angebote in den Printmedien, 75% davon achten sogar Woche für Woche darauf. Besonders für den Lebensmitteleinzelhandel bleibt der gedruckte Werbeprospekt nach wie vor das entscheidende Leitmedium. Hier werden wöchentlich flächendeckend die Kunden und Kundinnen erreicht, wobei nicht nur der Abverkauf gesteigert, sondern auch Glaubwürdigkeit und Markenloyalität vermittelt wird.

"Digital" wird "gedruckt" so bald nicht ablösen, sondern sinnvoll ergänzen. Die beiden Kanäle sind eher als Symbiose zu begreifen.

Apotheken-Resümee

Die großen Unternehmen setzen immer noch stark auf Printwerbung, was man leicht an den Beilagen in seinem Briefkasten erkennen kann. Apothekenleiter mögen zwar den gesamten Wust an Werbung aus dem Briefkasten einfach in den Müll werfen. Wir dürfen allerdings hieraus nicht die falschen Schlüsse ziehen, denn wir gehören wohl nicht zur typischen Zielgruppe. Die nämlich sieht sich die Werbung genau an – und die Großen der Werbetreibenden messen sehr genau den Erfolg dieser Maßnahmen, wozu wir in den Apotheken weder die Möglichkeit noch das Kapital haben. Also gilt ganz einfach: Solange Lebensmitteleinzelhandel und Drogerieketten dieses Medium nutzen, können wir uns getrost anhängen, im Wissen, dass es gut funktioniert!

Service

Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zum Thema finden Sie unter der Rubrik "AWA" auf der Homepage des Autors.

Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(20):8-8