Happy New 2024?

Es droht ein weiteres verlorenes Jahr


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Der Jahresanfang ist die Zeit der guten Vorsätze und Wünsche. Doch jenseits dessen schaut nach den Feiertagen schnell die nüchterne Realität hervor. 2024 schickt sich an, ein weiteres Jahr der zumindest wirtschaftlichen Ernüchterung zu werden.

Das große Bild zeichnet die Umrisse einer stagnierenden Wirtschaft und eines zunehmend dysfunktionalen Staates, der im Moment noch die Früchte der Inflation einfährt. Steigen die Preise und die Löhne, verdienen der Staat und die an der Lohnsumme hängenden Sozialkassen kräftig mit. Und der Staat profitiert gleich mehrfach, mit Lohn- und Einkommensteuer sowie Mehrwertsteuer an der Spitze. Das kaschiert tiefgreifende ökonomische Verschiebungen. So stehen höheren Lohnkosten geringere Arbeitsstunden gegenüber, von immer mehr gewünschter „Work-Life-Balance“ über geforderte Tarif-Arbeitszeitverkürzungen bis hin zu höheren Krankenständen. Was in den verbleibenden Arbeitsstunden produktiv geschieht, steht nochmals auf einem anderen Blatt. Kurzum: Die Produktivität sinkt, die Lohnstückkosten steigen, die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Ein allgemein höheres Kostenniveau und eine weiter zunehmende Regulierungsdichte kommen hinzu. Fast alles wird teurer, vieles obenauf noch schlechter. Die wirklich harten Konsequenzen daraus werden wir erst mit Verzögerung spüren.

Ob wir wieder auf den Pfad des Friedens und der internationalen Kooperation einbiegen, oder im Gegenteil die Zentrifugalkräfte in der Welt weiter zunehmen, steht in den Sternen. Im Rückblick betrachtet waren die Zeiten der Globalisierung gerade für Europa gute Zeiten, während Spaltung und Isolation einen sehr hohen Preis haben. Dass aus den Globalisierungsdividenden jemals „Autarkiedividenden“ werden können, ist sehr zweifelhaft, zumal wir eine echte Unabhängigkeit wohl nicht einmal von den schwierigen Regimen der Welt erreichen werden. Selbst bei Arzneimitteln wird es nicht gelingen, denn die hier neu aufgebauten Produktionskapazitäten benötigen zahlreiche (gern umweltkritische) Vorprodukte, die wieder aus in dieser Hinsicht weniger empfindlichen Ländern importiert werden müssen. Abhängigkeiten verlagern sich so nur. Bestenfalls gelingt eine gewisse Entflechtung und Reduktion einiger Klumpenrisiken.

Vor diesem Hintergrund gehen wir in ein Jahr, in welchem auch in der Gesundheitspolitik einiges ansteht. Die Digitalisierung schreitet weiter voran, und das E-Rezept wird eine steile Lernkurve hinlegen (müssen). Mit einigen Geburtswehen dürfte es ans Laufen kommen. Wie der Versandhandel sich da einklinken kann, wird eine der spannendsten Fragen. In 2024 kann er wohl noch wenig Boden gutmachen. Perspektivisch könnten insbesondere die bei den Vor-Ort-Apotheken unbeliebten Hochpreiser zur Beute der Versender werden, erst recht, wenn man die Honorare dort kappen sollte. Für einen Versender lohnt sich so ein Päckchen trotzdem, zumal wenn Einkaufs- und steuerliche Vorteile hinzukommen.

So lugt bereits die nächste Apothekenreform hervor. Umverteilung scheint ein zentrales Wort zu werden. So richtig vergnügungssteuerpflichtig sieht das alles bisher nicht aus, was gerüchteweise nach außen gedrungen ist und sich aus den Äußerungen unseres Bundesgesundheitsministers ableiten lässt. Tatsache ist aber auch, dass dieser viele schöne Ideen produzieren kann, nur: Am Ende müssen sich parlamentarische Mehrheiten dafür finden. Insoweit sind wir vielleicht noch froh, eine FDP in der Ampel zu haben – und eine zunehmende Erstarkung konservativer Kräfte.

Einer allzu radikalen oder schlicht bizarren Apothekenreform könnte es nämlich rasch so ergehen, wie es sich bei der Cannabis-Legalisierung abzeichnet: Sie fällt durch, teils sogar bei den eigenen Parteigenossen. Schade dabei: Unter der Regie der Apotheken hätte es etwas werden können mit Cannabis – aber man wollte ja nicht.

2024 wird wohl dort weitermachen, wo 2023 geendet hat: Pleiten, Pech und Pannen. Wirtschaftlich-strategisch droht eine weitere Totzeit, die es schlicht zu überdauern gilt. Egal welche Apothekenreform kommt – vor 2025 wird sie kaum wirksam. Immerhin: Der noch wachsende Markt trifft auf weniger Apotheken. Machen Sie das Beste daraus! Der hiesigen Werterosion entfliehen Sie künftig aber womöglich eher im Ausland.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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