2024 – another lost year?

Schwerpunkte setzen, Ressourcen bündeln!


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Hurra, das Neue Jahr ist da! Oder doch eher weniger Hurra und mehr Besinnung und Fokussierung auf das Wesentliche? Auf den ersten Blick könnten die Aussichten schlechter sein, und dennoch lauern die Fallen im Detail. Kluges Wirtschaften wird so wichtig wie selten.

In herausfordernden Zeiten kommt es entscheidend darauf an, die richtigen Prioritäten zu setzen – das gilt auch und gerade für Apotheken. (© AdobeStock/zimmytws)

Wie wird sich der Apothekenmarkt 2024 entwickeln? Neben dem Hochpreiser-Einfluss schlagen nun die Folgen der Inflation sowie der Lieferengpässe auf die Industriepreise durch. Ein beträchtlicher Unsicherheitsfaktor ist stets die konkrete Preispolitik der Apotheken bei der Prognose von Roherträgen und schlussendlich den Betriebsergebnissen. 

Recht sicher ist, dass der Branchenumsatz wieder in der Größenordnung von 5 %, vielleicht sogar etwas mehr wachsen wird. Das Rx-Segment wird wohl stärker als der OTC-Bereich zulegen, wie sich u. a. aus den Arzneimittel-Rahmenvereinbarungen herauslesen lässt. Angesichts der Apothekenschließungen (Prognose: Netto-Minus um 3 % ) werden es je einzelne Apotheke nochmals spürbar mehr: Ein Plus im Bereich von 8 % bis 9 % wäre so realistisch, lokal sehr unterschiedlich je nach Betroffenheit vor Ort (Abbildung 1). Die Ertragsentwicklung wird dahinter deutlich zurückbleiben, die „Spanne“ wird wieder einige Zehntelprozentpunkte einbüßen. Je Apotheke ist so ein Rohertragsplus in der Gegend von durchschnittlich gut 4 % im Erwartungsbereich. Um diesen Satz dürften aber auch noch einmal die Kosten steigen oder sogar etwas mehr, sodass die Betriebsergebnisse nominal stagnieren mit Tendenz ins Minus, real inflationsbereinigt gar spürbar sinken dürften. Eine starke Spreizung wird jedoch nicht ausbleiben. Wer keine Schließung im Umfeld erlebt, dürfte einbüßen, andere werden gewinnen. Das Kostenproblem haben alle.

Abb. 1: Prognose Vor-Ort-Apothekenmarkt 2024, gerundete Werte

Tabelle 1 zeigt eine Modellrechnung für eine gut durchschnittliche Apotheke in der Umsatzklasse von 3,5 Mio. € (West) mit rund 45.000 Rx-Packungen. Im Basisszenario für 2024 gehen wir vorsichtig von gut 6 % mehr Umsatz und knapp 4 % mehr Ertrag aus. Diese Kalkulationen basieren auf einem detailgenauen Rechenmodell, welches Ihnen prinzipiell ebenfalls mit der Arbeitsmappe „ApoTools“ in unserem Downloadbereich zur Verfügung steht.

Tab. 1: Modellszenarien 2024 für eine 3,5 Mio.-Euro-Apotheke

Vorjahr

Basis

2024

Basis

2024

Stagnation

2024

Wachstum

Nettoumsatz

3.500.000

3.712.000

3.582.000

3.780.000

… aus Rx-Arzneimitteln

2.747.000 €

2.927.000 €

2.830.000 €

2.985.000 €

… aus Dienstleistungen*

23.000 €

23.000 €

23.000 €

23.000 €

Rohertrag

753.000

782.000

747.000

800.000

= Spanne in %

21,52 %

21,07 %

20,85 %

21,17 %

– Personalkosten

370.000 €

395.000 €

395.000 €

395.000 €

– Raumkosten

55.000 €

56.000 €

56.000 €

56.000 €

– sonstige (Sach-)Kosten

105.000 €

111.500 €

111.500 €

111.500 €

= EBITDA (operat. Gewinn)

223.000

219.600

184.600

237.500

– Zinsen / Abschreibungen

55.000 €

54.000 €

54.000 €

54.000 €

= Vor-Steuer-Gewinn

168.000

165.600

130.600

183.500

– Tilgungen

45.000 €

45.000 €

45.000 €

45.000 €

– Vorsorge

28.000 €

29.000 €

29.000 €

29.000 €

– Einkommensteuer ESt

39.300 €

36.200€

22.400 €

44.600 €

= netto monatlich**

7.980

7.950

6.190

8.750

* Not- und Botendienste, Btm-Gebühren, klass. Rezepturen, ohne neue pharm. Dienstleistungen

** verheiratet, ohne Kinder, ohne Kirchensteuer; Gewerbsteuer-Hebesatz = 380 %, vollständig auf ESt anrechenbar

 

So sind z. B. etwas sinkende Großhandelsrabatte angenommen worden, neben deutlich steigenden Packungswerten vor allem bei Rx, doch gering wachsenden Absatzzahlen (die sich auf weniger Apotheken verteilen). Die Kosten steigen weiter, insbesondere für Personal (knapp + 7 % angenommen). Leichte Entlastungen nehmen wir bei den Energiekosten und Zinsen an. Unter dem Strich resultiert ein nominal knapp gehaltenes Nettoeinkommen, was aber u. a. einem etwas milderen Steuertarif geschuldet ist; nach Inflation sind die Einkünfte deutlich rückläufig.

Wer nun noch „schläft“, seine OTC-Preise unverändert lässt und so einen Margenrückgang wegen höherer Einkaufspreise riskiert, zudem keine Absatzgewinne im Wettbewerb erzielt und ansonsten nur Umsatzzuwächse aus steigenden Verordnungswerten erlöst, dem droht ein kräftiger Einkommensverlust (Stagnations-Szenario). Also Augen auf bei der OTC-Preisgestaltung auf Basis der aktuellen Einkaufspreise!

Hält man Anschluss an den Markt oder übertrifft ihn sogar etwas (Wachstums-Szenario rechts, Umsatzplus 8 %, Rohertrag plus 7 %), kann man sein Einkommen schon ausbauen und auch inflationsbereinigt halten. Dazu müssen Sie nicht nur Rx-Packungen gewinnen (im Modell gut 5 %), sondern Ihre OTC-Margen mindestens halten, besser ein wenig ausbauen. Trotzdem dürfte die Gesamtmarge etwas rückläufig sein – höheren Rx-Packungspreisen und eher rückläufigen Einkaufsrabatten geschuldet. Aber absolut in Euro überwiegen die Pluszeichen.

Orientiert sein!

Die Stoßrichtung 2024 ist klar: Schärfen Sie Ihren wirtschaftlichen Radarschirm! Können Sie folgende Fragen spontan beantworten?

  • Welche Kundenzahl haben Sie in der Offizin pro Monat bzw. pro Jahr?
  • Wie viele Stunden haben Sie bezahlt unter Vertrag, wie viele werden effektiv nach Urlaub und Krankheit gearbeitet (Stundensummen)?
  • Kennen Sie neben der Umsatz- Ihre Ertragsstruktur, mit welchen Umsatzsegmenten werden welche Roherträge erwirtschaftet?
  • Kennen Sie Ihre Kostenstruktur?
  • Und zu guter Letzt aus obigen Daten abgeleitet: Haben Sie eine Vorstellung von relevanten Kennzahlen wie Stundenleistung je HV-Kraft (Kunden, Rohertrag), Personalkosten je Kunde, Erträge je Öffungsstunde (maximal sowie minimal in den Randzeiten) und etliche Kennziffern mehr …?

„Reduce to the Max“ (ein Werbeslogan für den Mini-Pkw Smart in den 1990er Jahren) wird jetzt einstweilen Einzug halten müssen: Mit gleichen oder weniger Ressourcen mehr erreichen!

Die Öffnungszeiten sowie die Bündelung zeitaufwendiger Leistungen in Kernzeiten sind Schritte auf diesem Weg. Keine Scheu also, Rezepturen nur noch in gewissen Zeitfenstern anzubieten, aufwendige Beratungen nur auf Termin sowie klar definierte Ausliefertermine: Bestellt bis …, geliefert bis ...!

Reduzierte Öffnungszeiten können dem Personalthema etwas die Spitze nehmen. Die Randzeiten lassen sich, von exponierten Frequenzstandorten abgesehen, morgens wie abends regelhaft reduzieren. Andere Branchen machen es doch vor.

Der Begriff „Gesprächsführung“ bekommt in diesen Tagen eine größere Bedeutung, im echten Wortsinne – nämlich ein (Kunden-)Gespräch wirklich führen: freundlich-herzlich, kompetent, trotzdem straff und auf den Punkt kommend. Ziehen Sie Mitarbeiterschulungen in Betracht, jedoch bei Anbietern, die eine fokussierte Gesprächsführung vermitteln und keine ausufernde Biografiearbeit in epischer Breite.

„Geht nicht gibt es nicht“ und „kann nicht, heißt will nicht!“ Es ist keine Zeit für Ausreden, sondern für konsequentes Handeln – strategisch als Inhaber, und operativ für die Mitarbeiter. Heile Welt war gestern, trotz gar nicht mal so schlechter (Umsatz-)Zahlen.

 

Nachgerechnet ...

10.000 € gibt es für 100 Leute, 100 € pro Kopf. Im nächsten Jahr sind es 10.500 € (+ 5 %), jedoch nur noch für 97 Leute (– 3 %). Somit bekommt jeder nunmehr 10.500 € / 97 = 108,25 €, also 8,25 % mehr!

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(01):4-4