Rechtliche Fallstricke rund um elektronische Verordnungen

Üppiger E-Rezept-Kuchen lockt viele Glücksritter an


Dr. Bettina Mecking

Rund um die flächendeckende Einführung des E-Rezepts haben sich für die Apothekenpraxis zahlreiche Fragen ergeben, und auch der eine oder andere Fallstrick ist offen zutage getreten. Der Artikel liefert eine aktuelle rechtliche Einordnung für Apothekenleiter mit zahlreichen nützlichen Tipps und Empfehlungen.

Rund ums E-Rezept lauern einige juristische Fallen: Hier ist Vorsicht angesagt. (© AdobeStock/Elnur)

Verzögerte Signaturen

Der Übermittlungsprozess aus der Arztpraxis in die Apotheke scheint ein schwerwiegender Knackpunkt zu sein: Nicht selten dauert dieser so lange, dass Patienten bereits vor dem E-Rezept in der Apotheke ankommen, gerade wenn diese im gleichen Haus liegt. Denn nicht alle Ärzte signieren das Rezept sofort, viele nutzen die Stapel-Freigabe. So werden die Rezepte erst mittags oder sogar nur einmal täglich (oft abends) gebündelt freigegeben. Wenn der Patient dann direkt nach dem Arztbesuch in die Apotheke geht, kann diese das Rezept noch nicht abrufen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung rät:

„Bemerkt das Apothekenteam, dass E-Rezepte aus einer Praxis regelmäßig erst mit zeitlicher Verzögerung abrufbar sind, ist zunächst zu klären, ob dort auch während der Sprechstunde ausgestellte E-Rezepte per Stapelsignatur unterzeichnet werden. Dann kann das Umstellen auf die Komfortsignatur Abhilfe schaffen, sofern sich die Ärztin oder der Arzt darauf einlässt.“

Das verzögerte Signieren kann gravierende Folgen haben: Wer zum Beispiel eine Apotheke in einem Ärztehaus betreibt, zahlt für diesen Standortvorteil oft eine hohe Miete. Kommt in den Praxen nun ein System zum Einsatz, das die E-Rezepte erst mit zeitlicher Verzögerung in die TI einspeist, ist der Vorteil dahin.

Diskriminierende elektronische Anwendungen

Apropos Zuweisung: Hier soll sich mancherorts ein perfides Zusammenspiel etabliert haben. Der Arzt drängt den Patienten, eine bestimmte, zu seinem Praxis-EDV-Programm gehörende App zu installieren, damit er dort seine E-Rezepte einspielen kann. In der App sind nur einige Apotheken gelistet, die dafür bezahlen.

Der Patient geht zu seiner Stammapotheke und fordert diese nun auf, sich dort listen zu lassen. Die Apotheke gibt dem möglicherweise nach, um den Stammkunden nicht zu verlieren.

Solche diskriminierenden elektronischen Anwendungen werden sich künftig an dem neuen Digitalgesetz messen lassen müssen, das inzwischen alle parlamentarischen Hürden genommen hat. Aber eine solche Handhabe ist auch jetzt schon nicht mit dem im ärztlichen sowie Apotheken-Berufsrecht verankerten Zuweisungsverbot vereinbar.

Auf diesem Feld sind derzeit eine Vielzahl von „Glücksrittern“ auf dem Weg, die alle versuchen, an dem üppigen „E-Rezept–Kuchen“ zu partizipieren, indem Verschreibungen über Apps gesteuert werden.

 

Druckkostenzuschuss für notleidende Ärzte

Ärzte berichten, dass Patienten aus den Apotheken in die Praxis zurückgeschickt würden, um sich einen Token-Ausdruck geben zu lassen, den sich Ärzte wegen des Mehraufwands bezahlen lassen wollen. Manche Apotheken sollen nahegelegenen Arztpraxen bereits angeboten haben, ihnen Druckerpapier und Tinte für Ausdrucke kostenfrei zur Verfügung zu stellen bzw. die Kosten für eine geeignete Praxissoftware zu bezahlen, mit der v. a. die in der Sprechstunde ausgestellten E-Rezepte über die Komfortsignatur laufen, bei der noch während des Behandlungsprozesses (oder unmittelbar danach) signiert wird.

Das ist nur eine von vielen skurrilen Stilblüten einer Digitalisierung made in Germany. Wichtig: Rechtlich dürfen Apotheken sich nicht im gleichen Moment eine Zuweisung von Verschreibungen als Gegenleistung versprechen lassen!

Anspruch auf Ausdruck des E-Rezept-Tokens

Auf Wunsch des Patienten muss der Token übrigens ausgedruckt werden. Ob ausgedruckt wird oder nicht, entscheidet laut Gesetz (s. u.) nämlich nicht die Arztpraxis, sondern der Patient! E-Rezepte bzw. deren Token auf Papier auszudrucken, klingt im ersten Moment widersinnig. Die Arztpraxen waren von Anfang an nicht begeistert, Token auszudrucken. Immer wieder hört man, dass trotz explizitem Wunsch kein Ausdruck erstellt wird.

Allerdings haben Patienten einen Anspruch darauf, der in § 360 Abs. 9 SGB V festgehalten ist. Dort heißt es:

„Versicherte können gegenüber den in Absatz 2 Satz 1 genannten Leistungserbringern [Ärzten und Zahnärzten] […] wählen, ob ihnen die für den Zugriff auf ihre ärztliche oder psychotherapeutische Verordnung nach den Absätzen 2 und 4 bis 7 erforderlichen Zugangsdaten barrierefrei entweder durch einen Ausdruck in Papierform oder elektronisch bereitgestellt werden sollen. [...]“

Auch in der Heimversorgung werden QR-Code-Ausdrucke häufig genutzt. Später soll das über KIM laufen – von der Praxis ins Heim und von dort automatisch an die Apotheke.

Das wird gerne vermischt mit der Situation, dass die elektronische Ausstellung oder Übermittlung von Rx-Verordnungen aus technischen Gründen im Einzelfall nicht möglich ist. Wenn entweder Arzt oder Apotheker technische Probleme haben, dürfen – wenn es keine andere Möglichkeit gibt – Muster-16-Papierrezepte ausgestellt werden. Manche Ärzte sollen sich fälschlicherweise weigern, so zu verfahren, wenn das technische Problem auf Seite der Apotheke liegt.

Wichtig: Der Rückgriff auf Muster-16-Vordrucke ist nur bei technischen Problemen im Einzelfall möglich. Insofern ist eine Absprache mit Notdienstpraxen zur Ausstellung von Muster-16-Rezepten im Notdienst nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar.

Pick-up Stellen für E-Rezepte

Apotheken mit Versandhandelserlaubnis platzieren derzeit in Ladengeschäften verschiedentlich Pick-Up-Stellen für E-Rezepte. Entweder handelt es sich um Behältnisse zum Sammeln von ausgedruckten QR-Codes – die offenbar wenig angenommen werden.

Oder es wird ein mobiles Kartenterminal genutzt, also ein Lesegerät, das unterwegs (z. B. bei Hausbesuchen) zum Einsatz kommt und die elektronischen Gesundheitskarten von gesetzlich Versicherten auslesen kann. Später können die zwischengespeicherten Daten in das Primärsystem der Vor-Ort-Apotheke übertragen werden.

In der Praxis scheitern solche Installationen derzeit an den örtlichen Aufsichtsbehörden, die bemängeln, dass die beteiligten Apotheken diesen Prozess wegen seiner Komplexität nicht im QM-Handbuch ausreichend dokumentiert haben. Auch wird ein unzureichend gegen Diebstahl gesichertes Mini-Terminal als datenschutzrechtliches Sicherheitsrisiko eingestuft.

Heilungsmöglichkeiten beim E-Rezept

Auch beim E-Rezept treten immer wieder Formfehler auf. Die Heilungsmöglichkeiten unterscheiden sich jedoch etwas von den Möglichkeiten bei einem Muster-16-Rezept.

Was Apotheken auf dem E-Rezept heilen dürfen und was nicht, regeln die Arzneimittelverschreibungsverordnung und der Rahmenvertrag. Die folgende Arbeitshilfe stellt dies bildlich dar:

http://tinyurl.com/bdch57vf

Last but not least können Sie sich mit Ihren Fragen, aber auch zwecks Feedback rund ums E-Rezept in offenen Sprechstunden direkt an die Experten der Gematik wenden.

Alle Termine finden Sie im Internet unter: fachportal.gematik.de/veranstaltungen.

Aktuelle Infos rund ums E-Rezept

Aktuelle Informationen zum E-Rezept bekommen Sie regelmäßig über den ABDA-Newsletter (https://www.abda.de/newsletter/). Zudem bietet die Gematik einen öffentlichen WhatsApp-Info-Kanal mit aktuellen Informationen bei Störungen in der Telematik-Infrastruktur.

Das verzögerte Signieren mittels Stapel-Freigabe kann insbesondere für Ärztehaus-Apotheken gravierende Folgen haben, wenn sich das E-Rezept nicht unmittelbar nach dem Arztbesuch abrufen lässt. Stellen die Ärzte ihr System auf Komfort-Signatur um, ist dieses Problem i.d.R. behoben.

 

Dr. Bettina Mecking, M. M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

 

Rien ne va plus: Wenn die SMC-B-Karte ausfällt

Im Falle des Falles, dass die SMC-B-Karte unwiederbringlich gesperrt wird, gibt es – sofern keine Ersatzkarte vorliegt – nur einen Ausweg: die Beantragung einer neuen Karte. Das kann jedoch bis zu 14 Tage dauern, mit gravierenden Konsequenzen für die betroffene Apotheke.

Vorbeugend sollte daher der Umgang mit PIN und PUK in Abhängigkeit von den Karten-Sperr-Szenarien der Anbieter medisign (http://tinyurl.com/2t9htmfh ) und D-Trust (http://tinyurl.com/3fbck3p2, siehe unter „Hinweise zu PIN und PUK“) durch sorgfältige Archivierung, Definition der Anwendungsfälle und gesicherte Eingabe z. B. über ein Vier-Augen-Prinzip apothekenintern geregelt werden.

Alternativ kann prophylaktisch eine Reserve-SMC-B-Karte beantragt werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(05):14-14