Je nach Facharztgruppe

Große Umsätze, bisweilen nur wenig verdient


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Selbst wenn man aus Umsatzsicht einige Top-Verordner im Umfeld weiß, sieht die Ertragslage doch noch einmal ganz anders aus. Unter dem Strich erweisen sich so womöglich Facharztgruppen als Renditebringer, denen man es auf den ersten Blick gar nicht zutraut, und umgekehrt.

Welche Fachärzte echte Renditebringer für Apotheken sind und welche bloß Umsatz in die Kassen spülen, lohnt sich unbedingt herauszufinden. (© AdobeStock/Andrey_Popov)

Im letzten AWA haben wir uns mit den Tücken der Verordnungsvolumen einzelner Ärzte und Arztpraxen beschäftigt (AWA 08/2024, Seite 4 f.).

Individuelle Besonderheiten lassen Zahl und Wert der Verordnungen enorm schwanken, und die publizierten Durchschnittswerte verblassen schnell. Eine individuelle Vor-Ort-Recherche, am besten durch persönliche Vorsprache bei den relevanten Ärzten, ist angeraten, um das Marktpotenzial besser abschätzen zu können. Damit haben Sie eine bessere Vorstellung von den Erwartungsumsätzen – aber was bleibt als Rohertrag „hängen“?

Ein Beispiel mag das illustrieren: Zwei Ärzte A und B machen jeweils 300.000 € Rezeptumsatz (85 % GKV und 15 % Privatverordnungen = etwa durchschnittliches Verhältnis). Dies sei bereits der steuerliche Apotheken-Nettoumsatz nach Mehrwertsteuer und Abzügen. A verordnet jedoch nur 2.000 Rx-Präparate, B hingegen 7.500. Der Rx-Festaufschlag beträgt (GKV/PKV gemittelt) rund 7,00 €. Der prozentuale Ertrag auf den Apothekeneinkaufswert sei 6 % mit eigenen Rabatten. In erster Näherung gehen wir vollständig von Rx-Fertigarzneimittelumsatz aus (real sind es bei den meisten Facharztgruppen mehr oder weniger deutlich über 90 %, rezepturstarke Hautärzte und Spezialfälle wie Onkologen oder Nephrologen ausgenommen).

Damit bringt A 2.000 Packungen mal 7,00 € Fixhonorar = 14.000 € plus 6 % (3 % gesetzlich plus 3 % Rabatt) auf den Listen-Apothekeneinkaufspreis ein, also knapp 16.700 €. In der Summe sind das 30.700 € Rezept-Rohertrag oder 10,2 % Nettospanne.

Bei B macht die Fixkomponente bereits 52.500 € aus, und der prozentuale Teil nur 14.400 €. Macht in der Summe 66.900 € oder 22,3 % Spanne. Der Unterschied ist evident! Rechnen wir bei beiden 2 % (= 6.000 €) Non-Rx-Arzneimittel und 3 % entsprechend 9.000 € Nichtarzneimittel an Umsatz obenauf (= etwa die statistischen Werte), bringt das bei 40 % respektive 20 % Spanne noch einmal 4.200 € zusätzlich, was grundsätzlich nicht sehr viel ändert. Diese Beispiele zeigen, dass hohe Verordnungsumsätze ja ganz hübsch, Erträge aber besser sind und letztlich die entscheidende Grundlage darstellen.

Erträge in den einzelnen Arztgruppen

Gliedern wir die einzelnen Facharztgruppen nach Rohertrag je Arzt auf, und zwar über das gesamte Verordnungsspektrum, GKV und privat, hinweg, kommen wir zu einer Einordnung, wie sie Abbildung 1 zeigt. Erwarten Sie hier bitte keine auf den Euro genauen Werte, hierzu sind die Unsicherheiten und die bereits im letzten Beitrag (AWA 8/2024, Seite 4 f.) erwähnten Streubreiten viel zu groß. Es geht um die substanzielle Einordnung. Hausärzte erweisen sich dabei in der Breite als die ertragreichsten Verordner – und liefern zudem den höchsten Kundenzustrom, da an der Spitze der ausgestellten Verordnungen stehend.

Onkologen (es gibt gut 1.300 ambulant tätige) toppen das zwar nochmals bei Weitem, gehören aber in die Kategorie der Sonderfälle, welche nur wenige Apotheken betreffen. Nervenärzte und Neurologen spielen in einer ähnlichen Ertragskategorie wie die Hausärzte, die Umsätze für den gleichen Ertrag liegen aber gut doppelt bis beinahe dreimal so hoch – sprich, die erzielten Spannen sind hier infolge der vielen Hochpreisverordnungen mit um die 10 % viel geringer als bei den Hausärzten mit gut 25 % bis 28 %. Diese Spannen zeigt der rechte Teil der Abbildung 1. Die Reihenfolge ist dort eine ganz andere wie bei den absoluten Erträgen.

Abb. 1: Roherträge je Arzt, geschätzt im Fachgruppen-Durchschnitt

Spezialfälle: Haut und Augen

Ertragsmäßig erstaunlich gut im Rennen liegen die Hautärzte. Hier spielen aber Praxisbesonderheiten eine große Rolle. Zum einen sind die Rezepturen (mit weiter eher abnehmender Tendenz) ein großes Thema. Klassische Rezepturen weisen tatsächlich eine auf den ersten Blick sehr hohe Spanne um 70 % auf (Arbeitspreis, Abgabehonorar sowie 90 % Zuschlag auf die Ausgangsstoffe, sofern nicht die – gekündigte – Hilfstaxe niedrigere Preise vorschreibt).

Allerdings steht bekanntlich ein sehr hoher Arbeitsaufwand dagegen. Spanne bzw. Ertrag bedeuten noch lange nicht Gewinn. Zum anderen haben neuere Entwicklungen in der Dermatologie – wie zunehmende Antikörper- und Immuntherapien z. B. bei Psoriasis oder onkologischen Indikationen – die Verordnungswerte nach oben getrieben, ebenso wie die recht teuer gewordenen Desensibilisierungs-Therapeutika oder auch das Thema „Botox“. Hier muss man also individuell sehr genau hinsehen.

Ähnliches gilt für die Augenärzte. Der typische „konservativ arbeitende“ Augenarzt gehört nach wie vor eher zu den Niedrigverordnern. Vor allem mit den Antikörpern bei AMD (altersbedingter Makuladegeneration), direkt in den hinteren Glaskörper eingebracht, ändert sich das aber durchgreifend. Aber mitnichten alle Augenärzte bieten das an.

Im guten Ertrags-Mittelfeld bewegen sich Urologen (aber mit schlechter Spanne, auch hier immer hochpreisigere Verordnungen, Kernthema u. a. Prostatakrebs), Psychiater (heute viele Generika) sowie die Kinderärzte. Letztere bringen einen hohen, margenstarken, aber umsatzschwachen Non-Rx-Anteil ein – und gern viele Impfstoffe.

Die „Ertragsschwachen“

Unter „ferner liefen“ stellen sich die Facharztdisziplinen Orthopädie, HNO, Chirurgie sowie erst recht die Anästhesisten oder gar Zahnärzte dar. Bei Letzteren schlummert ein schon ewig währendes Geheimnis: Wo bekommen diese ihre vielen Lokalanästhetika her? Welche Apotheke hat denn eine nennenswerte Zahl z. B. an Ultracain-Spritzen in ihrem Sortiment?

Und nun?

Mit den Umsätzen aus der Publikation „Der GKV-Arzneimittelmarkt: Klassifikation, Methodik und Ergebnisse“, bereitgestellt vom WIdO, dem Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen (AOK), und den dortigen Verordnungszahlen haben Sie eine erste grobe „Peilung“. Entscheidend ist, Umsätze und Verordnungen zusammen zu betrachten.

Hohe Umsätze, aber wenige Verordnungen bedeuten, da der Rx-Anteil mit meist 90 % und mehr der dominierende ist, niedrige Spannen und geringere absolute Erträge je Arzt. Zudem streuen die Verordnungen der einzelnen Praxen stark, was im direkten Dialog erhellt werden sollte. Danach können Sie eine Bewertung (siehe Abbildung 2) vornehmen.

Abb. 2: Bewertung Arzt-Ertragspotenzial

Hierfür betrachten Sie Ihre Verordner jeweils individuell mitsamt der Praxisbesonderheiten und der Thematik „Gemeinschaftspraxen“. Wenn Sie dann noch Ihren „Abschöpfungsgrad“ zutreffend einschätzen, kennen Sie Ihr Verordnungs-Marktpotenzial, zuzüglich Streurezepte.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(09):4-4