Dr. Hubert Ortner
Liebe Leserinnen und Leser,
eines bewirkt Digitalisierung fast immer – mehr Vielfalt. Die muss einem nicht gefallen: So hat unsere Branche bis vor kurzem hervorragend damit gelebt, dass die Patienten mit ihren Muster-16-Vordrucken den Apotheken quasi zwangszugeführt wurden. Ab und an „verirrte“ sich zwar ein Rezept in die Niederlande, aber das fiel nicht weiter ins Gewicht. Mit der Einführung des E-Rezepts hat sich das grundlegend geändert: Durch die Digitalisierung haben die Verordnungen sozusagen das Fliegen gelernt. Die Versender wittern ihre womöglich letzte Chance, im deutschen Rx-Markt doch noch einen Fuß auf den Boden zu bekommen, und haben deshalb extrem teure „Windmaschinen“ aufgebaut, um möglichst viele E-Rezepte in Richtung Holland umzuleiten. Bislang zum Glück noch mit überschaubarem Erfolg.
Die Kunden schätzen die neue digitale Vielfalt. Sie können Rezepte wie bisher in ihrer Stammapotheke einlösen, daneben locken jetzt aber auch noch zig andere Möglichkeiten: Das beginnt bei den Apps und digitalen Kanälen der stationären Apotheken sowie Versendern und geht über die Online-Plattformen (wie gesund.de oder ia.de) bis hin zu digitalen Rezept-Terminals. Allen gemeinsam ist, dass sie nur das Beste der Patienten wollen – ihr E-Rezept. So sehr sich ein BWL-Student im 2. Semester an diesem marktwirtschaftlichen Ringen um die beste Lösung erfreuen mag: Irgendjemand muss den Spaß aber auch bezahlen. Und da steht zu befürchten, dass die Anbieter all dieser wunderbaren neuen Hardware- und Software-Lösungen ihre Kosten ungeniert an die Apotheken durchreichen und die darauf sitzenbleiben werden. Wobei der planwirtschaftliche Ansatz auch keine ernsthafte Alternative ist – wie ein Blick auf das fragwürdige Verhältnis von Input (in Millionen Euro) zu Output (in Form von überzeugenden Lösungen) bei der Gedisa belegt. Aber zumindest ein planvolles Einhegen dieses Wildwuchses wäre wünschenswert. Wer möchte schon gerne Versuchskaninchen sein, und dann auch noch selbst für die Testkosten aufkommen müssen …?
Es grüßt Sie herzlichst
Ihr
Dr. Hubert Ortner
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