Danke, liebe Pharmaverbände!

Liebe Leserinnen und Leser,

dass die Regulierungswut der EU-Kommission mit ihren 32.000 Angestellten (in Worten zweiunddreißigtausend) bisweilen groteske Ausmaße annimmt und sich längst zu einem gravierenden Standortnachteil ausgewachsen hat, ist unstrittig. Aber es ist auch nicht alles verkehrt, was aus Brüssel kommt: So hat z. B. die vor einem halben Jahr verabschiedete Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) durchaus ihre Berechtigung. Die sieht vor, Arzneimittel- und Kosmetikhersteller zu mindestens 80 % an den Kosten einer vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen zu beteiligen, um schädliche Spurenstoffe aus dem Abwasser zu entfernen.

Wenig überraschend mag sich die europäische Pharmaindustrie nicht so recht mit KARL anfreunden. Es kam, wie es kommen musste, wenn platte Lobbybotschaften auf den fruchtbaren Boden von medialem Alarmismus fallen: Aus einer stumpfen Hochrechnung, wonach sich die Herstellungskosten für Metformin vervierfachen könnten, wurde ein „Spiegel“-Artikel mit der Überschrift: „Produktion für wichtigstes Diabetesmedikament droht das Aus“. Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass die neue Abwasserrichtlinie erst in nationale Gesetzgebung überführt werden muss und Umsetzungsfristen von zehn bis 20 Jahren vorgesehen sind. Außerdem mögen unsere Politiker in Berlin vieles sein – dumm sind sie in der Regel aber nicht. Sie wissen ganz genau, dass eine unverhältnismäßige Verteuerung einzelner Präparate – gerade, wenn es sich um Generika handelt – völlig kontraproduktiv wäre. Und welcher Gesundheitsminister wäre so ignorant, die Versorgung von Millionen Diabetes-Patienten hierzulande ohne Not aufs Spiel zu setzen? Am Ende wird es eine Gesamtlösung geben, bei der die überschaubaren Mehrkosten auf viele Schultern verteilt werden. Bis dahin wird aber noch ganz viel dreistufig geklärtes Abwasser die europäischen Klärwerke durchfließen. Derweil dürfen Sie die verunsicherten Kunden in Ihrer Apotheke wieder von den Bäumen herunterholen. Danke aber auch, liebe Pharmaverbände!

Ihr

Dr. Hubert Ortner