André Butterweck, Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen

Gerade kleinere Apothekenbetriebe, deren Jahresumsatz um die 2 Mio. € liegt, haben nur zwei Optionen: wachsen oder weichen. (© AdobeStock/nuzza11)
Im Mai 2023 haben wir in unserem Beitrag „Schrumpfende Apothekenzahlen – ein Blick in die Zukunft“ (AWA 09/2023) aufgezeigt, dass Apotheken mit einem Jahresumsatz unter 2 Mio. € zunehmend in ihrer Existenz bedroht sind und der Druck auf kleinere Betriebe weiter steigen würde. Nun, zwei Jahre später, zeigt sich, dass diese Befürchtungen leider eingetroffen sind. Insbesondere das Skontourteil hat das Apothekensterben weiter verschärft und die Umsatzschwelle zur Rentabilität nochmals nach oben verschoben.
Zum Ende des Jahres 2024 betrug die Apothekenanzahl deutschlandweit noch 17.041 (Quelle: ABDA). Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre (2020 bis 2024) wurden 475 Betriebe pro Jahr geschlossen, bei gleichzeitig 68 Neueröffnungen. Im Saldo sind in diesem Zeitraum also jährlich durchschnittlich 407 Apotheken vom Markt verschwunden. Dieser Trend setzte sich im letzten Jahr mit 578 Schließungen ungebremst fort.
2024 hat alle 15 Stunden eine Apotheke geschlossen! Schreibt man diesen Trend für die Zukunft fort, so würden bis Ende 2028 weitere 2.300 Apotheken schließen.
Tabelle 1 gibt einen Überblick zur Anzahl und Umsatzverteilung der deutschen Vor-Ort-Apotheken. Insbesondere in den Umsatzklassen bis 2,0 Mio. € ist die Apothekenzahl in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. So gibt es derzeit rund 1.820 Apotheken mit einem Umsatzvolumen bis 1,75 Mio. € bzw. 2.760 Betriebe mit Umsatzerlösen bis 2,00 Mio. €. Zugleich haben wirtschaftlich starke Apotheken in den Umsatzklassen über 5 Mio. € zahlenmäßig sehr deutlich zugenommen.

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel …
Von Ausnahmen abgesehen, bildet eine Umsatzgröße bis 2,0 Mio. € (je nach Rahmenbedingungen vielfach auch bis 2,5 Mio. €) keine ausreichende wirtschaftliche Basis mehr, um eine Apotheke wirtschaftlich nachhaltig betreiben zu können. Unter üblichen Voraussetzungen und ohne Sonderfaktoren lässt sich bei einem Umsatz in dieser Größenordnung und guter Unternehmensführung eine Umsatzrendite von 4,5 % erwirtschaften, mithin ein Gewinn von rund 90.000 €. Hiervon sind alle weiteren betrieblichen und privaten Kosten zu decken – das sind Reinvestitionen und Tilgungen ebenso wie Ertragsteuern, Vorsorgeaufwendungen und Privatentnahmen (siehe Tab. 2).

Im Durchschnitt verbleibt dem Unternehmer damit ein monatliches Nettoeinkommen von gerade einmal 3.800 €. Dies dürfte im Regelfall unterhalb des Nettogehalts eines in einer Apotheke angestellten Apothekers liegen. Unter normalen Umständen reicht ein solches Nettoergebnis nicht aus, um eine Apotheke nachhaltig wirtschaftlich zu führen. Zumal sich weitere Rendite-Einbußen durch weiterhin steigende Kosten abzeichnen.
Gleichwohl gehen wir davon aus, dass sich ein Teil der Apotheken in diesem Umsatzsegment dennoch weiter am Markt halten wird. Das ist häufig dann der Fall, wenn die Apotheke z. B. in eigenen Räumen betrieben wird, oder der Inhaber auf Kosten seiner eigenen Lebensqualität mit unterdurchschnittlich wenig Personal arbeitet.
Schließungsprämie als letzte Hoffnung
Unstrittig ist, dass Apotheken in dieser Umsatzklasse kaum mehr veräußerbar sind, da der Ertragswert unter dem Substanzwert liegt und größere Investitionen langfristig nicht mehr refinanzierbar sind. Hier kommt allenfalls noch ein strategischer Kaufpreis eines Wettbewerbers oder eine sog. „Schließungsprämie“ in Betracht.
Damit stellt sich die Frage, welche Folgen der anhaltende Apothekenschwund auf die verbleibenden Betriebe hat. Nehmen wir tatsächlich 2.300 Schließungen in den nächsten vier Jahren an, wird sich der Umsatz auf die dann noch verbleibenden 14.740 Betriebe aufteilen, was den statistischen Durchschnittsumsatz um etwa 575.000 € erhöhen würde (63 Mrd. € Gesamtumsatz ohne Spezialumsätze wie Parenteralia in 2024 geteilt durch 14.740 statt durch 17.040), plus allgemeines Marktwachstum. Schließen vorrangig kleine Betriebe (< 2 Mio. €), fällt der reine Umverteilungsumsatz aber viel kleiner aus, eher um 200.000 € je übrigbleibende Apotheke. Konkret vor Ort werden jedoch einige Apotheken leer ausgehen und andere überproportional profitieren. Dabei zeigt sich: Ohne diese Umverteilung (zutreffender „Kannibalisierung“) wäre die wirtschaftliche Tragfähigkeit vieler Apotheken noch stärker gefährdet.
Betriebe, die derzeit einen Jahresumsatz von 2,25 bis 2,50 Mio. € erwirtschaften und nicht von zukünftigen Apothekenschließungen im direkten Umfeld profitieren, könnten mittelfristig ebenfalls der fortschreitenden Konsolidierung zum Opfer fallen.
Hoffnungsschimmer Koalitionsvertrag
Die längst fällige und im Koalitionsvertrag festgeschriebene Erhöhung des Fixhonorars auf 9,50 € sowie die Aufhebung des Skontourteils wird bei vielen Apotheken im unteren Segment zu spürbaren Ertragsverbesserungen führen. Dies dürfte zumindest zu einer Eindämmung des Apothekensterbens bei Betrieben mit mehr als 2,0 Mio. € führen. Für viele Apotheken unterhalb dieser Schwelle wird es aber trotzdem schwer werden, auf Dauer zu überleben.
Fazit: Wachsen oder weichen
Auf Basis der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung kann man davon ausgehen, dass eine Apotheke für ein auskömmliches Ergebnis auf Vier-Jahres-Sicht mehr als 2,5 Mio. € Umsatz erwirtschaften muss, um sich am Markt behaupten zu können. Apotheken unterhalb einer Umsatzschwelle von 2,0 Mio. € dürften hingegen stark unter Druck geraten. Das wird auch zu Zuwächsen bei Wettbewerbern in der Umsatzklasse bis 2,25 Mio. € führen.
Nur wer von diesen Schließungen profitiert, wird auf diesem Umsatzlevel auch 2029 noch ein auskömmliches Ergebnis erzielen. Unterm Strich müssen wir davon ausgehen, dass weitere 2.300 Apotheken ihre Tore in den nächsten vier Jahren für immer schließen werden – sofern die Politik nicht endlich gegensteuert!
Unstrittig ist, dass Apotheken in der Umsatzklasse bis 2,0 Mio. € kaum mehr veräußerbar sind, da der Ertragswert unter dem Substanzwert liegt und größere Investitionen langfristig nicht mehr refinanzierbar sind.
Apotheken, deren Umsatzerlöse über der Schwelle von 2,5 Mio. € Umsatz liegen, dürften bei guter Unternehmensführung hingegen – zumindest bis 2029 – nicht gefährdet sein. Der Durchschnittsumsatz einer typischen deutschen Offizin-Apotheke liegt übrigens zwischen 2,5 und 3,25 Mio. €.
André Butterweck, Dipl.-Ök., Dipl.-Arb.wiss., ö. b. u. v. Sachverständiger für Apothekenbewertung, RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, 45128 Essen, E-Mail: abutterweck@rst-beratung.de
Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, geschäftsführende Gesellschafterin der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, 45128 Essen, E-Mail: dzurmuehlen@rst-beratung.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(12):8-8