Prof. Dr. Reinhard Herzog

Prof. Reinhard Herzog stellt die Öffnungszeiten auf den Prüfstand!
(AdobeStock_Zerbor)
Wir hatten schon vor Längerem (AWA 14/2024, Seite 4 f.) die Zeit im Kontext der Personalplanung aufgegriffen: Was bekomme ich für meine Lohnkosten?
Heute richten wir den Fokus auf die Öffnungs- und Notdienstzeiten: Was müssen Sie pro Stunde erwirtschaften? Was müsste ein Notdienst wirklich kosten? Welche Implikationen auf Ihre Rendite (bzw. dessen Optimierung) ergeben sich daraus?
Öffnungszeiten ermitteln
Die regulären Öffnungszeiten ohne Notdienste nehmen je nach Lage der Apotheke sehr unterschiedliche Werte an:
- Auf dem Land: 7 bis 9 Stunden unter der Woche täglich (oftmals mit Mittagspause) und drei bis vier Stunden am Samstag: macht um 2.000 bis 2.500 Stunden pro Jahr oder knapp unter 40 bis allenfalls 50 Wochenstunden, Minimalwerte bei rund 1.800 Stunden jährlich (u. a. bei Schließung samstags),
- typische Stadt-Apotheken, ähnlich auch viele Ärztehaus-Apotheken: durchgehend geöffnet, um 9 bis 10,5 Stunden unter der Woche täglich (meist durchgehend) und 5 bis 6 Stunden samstags, was auf rund 50 bis an die 60 Wochenstunden oder gut 2.500 bis 3.000 Stunden jährlich hinausläuft,
- Center- und Lauflagen: das typische Modell 8 Uhr bis 20 Uhr an sechs Wochentagen bedeutet 72 Wochen- bzw. 3.672 Jahresstunden. In Hochfrequenzlagen wie Bahnhöfen oder in besonderen Centerlagen können die Zeiten nochmals deutlich darüber hinaus gehen.
Wir rechnen mit 51 regulären Wochen, da gut eine Woche durch Feiertage in Beschlag genommen wird. Von Jahr zu Jahr ergeben sich aufgrund der Lage der Feiertage etwas unterschiedliche Werte.
Notdienste
Hinzu kommen die Bereitschaftszeiten für Notdienste, wobei wir die Volldienste betrachten. Bei einer Land-Apotheke, die regulär um 18.00 Uhr schließt und um 8.30 Uhr öffnet, bedeutet selbst ein Dienst unter der Woche eine Bereitschaftszeit von 14,5 Stunden (bis 8.30 Uhr am nächsten Tag gerechnet), bei einer Center-Apotheke, die sowieso von 8.00 bis 20.00 Uhr offen hat, dagegen nur 12 Stunden. An Feiertagen sind 24 Stunden anzusetzen, von Samstag auf Sonntag im Center 12, an typischen Standorten dagegen gern 6 bis 7 Stunden mehr, sprich 18 bis 19 Stunden.
Bei 30 Notdiensten pro Jahr auf dem Land addiert sich das gern zu rund 500 Bereitschaftsstunden (in Extremfällen weit mehr). Im Schnitt fallen rund 20 Dienste in den typischen Fällen an, die mit gut 300 bis 350 Stunden zu Buche schlagen, in Centerlagen sind es etwas weniger. Die geringeren regulären Zeiten auf dem Land werden also durch die regelhaft erheblich höheren Bereitschaftszeiten überschattet.
Abgeleitete Kennzahlen
Wir gehen von obigen Modellzeiten und Modell-Apothekentypen (siehe Tabelle 1) aus. Grundsätzlich macht es Sinn, sowohl mit als auch ohne Notdienstzeiten zu rechnen. Worauf sollten Sie sich vorrangig fokussieren?

- Der Rohertrag je Stunde: Nehmen Sie Ihren Jahres-Rohertrag, und dividieren Sie diesen sowohl durch die Zahl der regulären als auch durch die Gesamt-Bereitschaftszeiten – den Umsatz lässt man informell mitlaufen,
- analog die Personalkosten je Stunde,
- weiterhin die Gesamtkosten ohne Personal oder auch Grundkosten je Stunde,
- sowie die durchschnittliche Kundenzahl je Stunde.
Abgleich mit der Realität
Es ist heute ein Leichtes, sich die Kundenzahlen und Umsätze, ja sogar die Roherträge (sofern Ihr Rechnersystem entsprechend „gepflegt“, sprich mit realen Stückerträgen hinterlegt ist) je Zeitintervall ausgeben zu lassen. Daraus ergeben sich sofort die Stunden mit einem kalkulatorischen Verlust.
Nun mag man einwenden, dass man in Randstunden mit geringerer Besetzung arbeiten kann. Wer exakter rechnen möchte, nehme nur die Grundkosten ohne Personal und addiere stundengenau die tatsächliche Besetzung nach realen Stundensätzen (Praxishinweise siehe Textkasten).
Konsequenzen für die Praxis
- Faustregelhaft teilt sich der Rohgewinn bei Hauptapotheken im Verhältnis 50 : 25 : 25 (Personalkosten, Grundkosten, Gewinn) auf, mit einer Streubreite von etwa 5 Prozentpunkten. Bei Filialen verschieben sich die Gewinne zulasten höherer Kosten. Gewinne deutlich unter 20 % vom Rohertrag sollten aber auch hier im Hinblick auf künftige Krisenfestigkeit ein Warnsignal sein. Mit diesem Schlüssel lassen sich schnell und orientierend die Werte je Öffnungsstunde ermitteln.
- Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Kosten je Öffnungsstunde für die Mehrzahl der Apotheken gar nicht so stark wie gedacht, mit Ausnahme exponiert großer oder kleiner Betriebe. Auf dem Land schlagen höhere Notdienst-Bereitschaften auf die Stundenwerte durch, in Lauflagen verteilen sich die höheren Kosten dagegen auf mehr Öffnungsstunden.
- Die Grundkosten liegen oftmals in einem Bereich von 70 € bis 80 € je dienstbereite Stunde, zu denen die jeweiligen Personalkosten kommen. Im Notdienst ist das meist nur eine approbierte Kraft, im regulären Betrieb kommt i. d. R. mindestens eine Assistenzkraft hinzu. Damit sind etwa 150 € pro Stunde eine typische Rohertrags-Untergrenze im Normalbetrieb, die via Kunden abgedeckt sein sollten. Im Notdienst liegen die Kosten etwas niedriger (meist fehlende weitere Kraft), aus welchem sich rein kalkulatorisch betrachtet ein entsprechender Zuschussbedarf ableiten lässt.
2.000 € für einen Notdienst?
Unlängst ließ die Apothekerkammer Baden-Württemberg aufhorchen, proklamierte sie doch Kosten für einen durchschnittlichen Notdienst von rund 2.000 €. Man kann dort ein kleines Excel-Rechenblatt erhalten – und genau auf den Cent selbst rechnen. Sie müssen sich jedoch gar nicht in alle Details hineinknien, unser Überblick reicht völlig.
Tatsächlich müssen wir von Grundkosten in der Größenordnung von 70 € bis 80 € für jede Stunde Dienstbereitschaft ausgehen, plus Stundenlohnkosten für mindestens eine approbierte Kraft. Damit resultieren rund 120 € bis 130 € je Stunde, die erwirtschaftet werden müssten.
Spitz gerechnet müsste für jede Packung noch ein Ansatz von rund 1,00 € für die Warenbewirtschaftung vorgesehen werden, denn hier wie da kommen die Packungen ja nicht automatisch ins Regal oder in den Kommissionierer. Selbst wenn wir das weglassen, wären für 13,5 Stunden Dienstbereitschaft (18.30 Uhr bis 8.00 Uhr) rund 1.700 € Selbstkosten fällig, für 24 Stunden gar 3.000 € – abzüglich Notdienstpauschale und Einnahmen. Ist das wirklich realistisch durchsetzbar? Wir diskutieren das auf der letzten Seite 19.
Viel praxisrelevanter ist es jedoch, die regulären Öffnungsstunden zu hinterfragen. Werden in gewissen Stunden regelhaft nicht einmal die Kosten erwirtschaftet, sollten sie infrage gestellt werden. Hier kommt es darauf an, regelmäßige Muster zu erkennen (eine Aufgabe für die KI?). Kunden lassen sich übrigens heute leichter als früher an eingeschränkte Zeiten gewöhnen – andere Anbieter machen es längst vor.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(12):4-4