Ausstieg aus dem Hamsterrad, Teil 1

Der toxischen One-Man-Show den Kampf ansagen!


Nicolas Klose

Für viele Apothekeninhaber hat sich der Berufsalltag in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert – und das nicht zum Positiven. Was einst als erfüllende Leitungsaufgabe begann, ist für viele heute zu einem permanenten Kraftakt geworden: 60-Stunden-Wochen, kaum Urlaub, dazu die nervige Bürokratie, Lieferengpässe sowie der große wirtschaftliche Druck. Familie und Freizeit? Meist nur Randnotizen im Kalender.

Hamster springt aus dem Hamsterrad

Der Ausstieg aus dem Hamsterrad lohnt sich!
(AdobeStock_Johannes Menge)

Während der persönliche Einsatz vieler Apothekeninhaber an der Belastungsgrenze kratzt, bleibt der betriebswirtschaftliche Erfolg bei einer wachsenden Zahl von Betrieben aus. Die Gewinne sinken, der Handlungsspielraum wird enger – und das Bild vom Chef, der sein Unternehmen souverän steuert, weicht dem Gefühl, permanent nur noch hinterherzulaufen: den Kunden, dem Geld, den Mitarbeitern – und nicht zuletzt der Zeit.

Unter vielen Inhabern macht sich eine stille Resignation breit. Die Devise lautet "Augen zu und durch" - in der Hoffnung, dass sich die politische Rahmenbedingungen schon irgendwann wieder verbessern werden. Vielleicht durch höhere Lieferengpässe oder durch eine Rückkehr zu den "guten alten Zeiten".

Doch die Hoffnung auf bessere Rahmenbedingungen ist trügerisch. Denn der Apothekenmarkt hat sich dauerhaft verändert: Fachkräftemangel und Konkurrenz durch die niederländischen Versandapotheken werden bleiben. Gleichzeitig steigen die Anforderungen – insbesondere in den Bereichen Personalführung und Kundenbindung.

Statt auf bessere Bedingungen zu hoffen, sollten Inhaber heute strategisch und aktiv handeln, um ihre Betriebe fit für die Zukunft zu machen.

Der kritische Blick auf den Status-Quo

Dabei liegt die größte Hürde für unternehmerische Entwicklung oft nicht im fehlenden Engagement – sondern im fehlenden Abstand.

Denn wer gedanklich dauerhaft im Tagesgeschäft gefangen ist, kann sein Unternehmen nicht strategisch weiterentwickeln. Es wird von Tag zu Tag gedacht – nicht von Ziel zu Ziel.

Echte Veränderung entsteht jedoch nicht in der Situation, sondern durch den Blick auf die Situation. Der erste Entwicklungsschritt ist deshalb nicht die nächste Maßnahme, sondern die bewusste Analyse: Wo steht das Unternehmen – und wo stehe ich selbst als Inhaber?

Der Blick aufs eigene Unternehmen

Der erste Schritt ist eine nüchterne Betriebsanalyse, die nicht auf Bauchgefühl, sondern auf belastbaren Fakten basiert. Die konkreten Fragen zur Betriebsanalyse:

  • Welche Prozesse laufen bereits standardisiert oder sogar automatisiert ab – z. B. Rezeptmanagement, Nachbestellungen, Übergaben?
  • Wo verliert das Team täglich Zeit – z. B. bei mehrfachen Rückfragen, schlecht dokumentierten Prozessen oder unklaren Verantwortlichkeiten?
  • Welche wichtigen Kennzahlen (KPIs) werden regelmäßig erfasst und als Entscheidungsgrundlage genutzt – z. B. Umsatz pro Stunde, Beratungsquote, Deckungsbeitrag pro Mitarbeiterstunde?
  • Gibt es feste Ansprechpartner und klare Stellvertreterregelungen – oder läuft am Ende alles über den Inhaber?

 

Eine ehrliche Betriebsanalyse zeigt, wie stark die Apotheke bereits als eigenständig funktionierende Organisation arbeitet, oder ob sie ausschließlich vom persönlichen Einsatz des Inhabers abhängt.

Der Blick auf den eigenen Alltag

Ein bewährter Ansatz zur Selbstanalyse besteht darin, eine Woche lang alle 30 Minuten die jeweils gerade ausgeführte Tätigkeit schriftlich festzuhalten. Am Ende dieser Woche folgt eine systematische Auswertung, bei der folgende Frage im Mittelpunkt steht:

Welche dieser Tätigkeiten ...

  1. hatten einen direkten finanziellen Effekt auf die Apotheke (wie z. B. die Entwicklung von Maßnahmen zur Neukundengewinnung) oder
  2. führten zu einer strukturellen Verbesserung interner Abläufe (z. B. durch die Einführung effizienterer Prozesse, klarer Verantwortlichkeiten oder digitaler Lösungen)?

Idealerweise liegt der Anteil solcher wirksamen Tätigkeiten bei mindestens 80 %. Ist er deutlich geringer, zeigt sich ein Muster: Es wird zwar gearbeitet – aber zu einem großen Teil reaktiv, kurzfristig und ohne nachhaltige Hebelwirkung.

In die Unternehmer- Perspektive wechseln

Vielen Apothekeninhabern ist längst klar: Der Markt erfordert unternehmerisches Denken. Als erste Reaktion werden BWL-Kurse belegt, Fachvorträge besucht, oder man nimmt an Managementseminaren teil. All das sind Schritte in die richtige Richtung – greifen jedoch zu kurz. Denn eine zukunftsfähige Apothekenführung erfordert heute weit mehr als punktuelles BWL-Wissen. Es braucht einen grundlegenden Perspektivwechsel: weg vom allgegenwärtigen Problemlöser hin zum strategisch denkenden Unternehmer. Insofern liegt die zentrale Aufgabe eines Inhabers heute nicht mehr im Anhäufen von Wissen, sondern im bewussten Hinterfragen der eigenen Haltung, von Routinen und Überzeugungen.

Besonders toxisch sind folgende drei Überzeugungen:

1. Ich muss ständig präsent sein

Im klassischen Rollenverständnis gilt ständige Präsenz als selbstverständlich – sie wird oft sogar als Voraussetzung für eine funktionierende Apotheke verstanden. Ob am HV-Tisch, als Ansprechpartner für Kollegen oder beim Lösen technischer Alltagsprobleme: Der Inhaber ist immer mittendrin. Doch genau das wird in der Unternehmerrolle zum Bremsklotz. Die Folge: Das Team bleibt abhängig, die Apotheke stagniert. Im Gegensatz dazu bauen „echte Unternehmer“ Strukturen, die ohne ihre permanente Anwesenheit funktionieren.

Wer ständig präsent ist, verheddert sich zwangsläufig im Tagesgeschäft und verliert den Blick für‘s große Ganze. Der Fokus rutscht weg von strategischen Entscheidungen hin zu operativen Kleinstproblemen.

2. Ich muss die akuten Herausforderungen lösen

Viele Inhaber erleben sich im Alltag als Feuerwehrmann: Lieferengpass? Fehlendes Rezept? Der Chef kümmert sich persönlich darum – schnell, kompetent, engagiert. Doch diese ständige Reaktion auf akute Probleme bindet Ressourcen und verhindert eine nachhaltige Entwicklung.

Der unternehmerische Denkansatz setzt früher an – und geht tiefer: Er dreht die Perspektive. Die entscheidende Frage lautet nicht mehr „Wie löse ich das Problem heute?“, sondern: „Warum tritt es immer wieder auf – und wie kann ich es dauerhaft abstellen?“ Der Fokus verschiebt sich von punktuellen Einzellösungen zu systemischen Antworten. Das gilt für eine vorausschauende Personalplanung ebenso wie automatisierte Prozesse, klare Verantwortlichkeiten und ein gelebtes Qualitätsmanagement.

3. Ich muss aus dem Bauch heraus die richtigen Entscheidungen treffen

Im Apothekenalltag sind schnelle Entscheidungen gefragt – oft basierend auf Erfahrung, Intuition und einer situativen Einschätzung. Geht es jedoch um große Projekte und Investitionen, dann funktioniert das nicht. Statt auf sein Bauchgefühl setzt der Unternehmer auf klare Entscheidungsregeln, messbare Ziele und nachvollziehbare Kriterien. Wer investiert, sollte dies nicht tun, weil es „gefühlt wichtig“ ist – sondern weil es ganz konkret zusätzliche Kunden bringt, Abläufe verbessert oder die Rentabilität erhöht.

Der entscheidende Schritt in die Unternehmerrolle ist nicht das Erlernen neuer Kompetenzen, sondern vor allem ein Wechsel der Perspektive und die Einsicht, dass alte Verhaltensmuster verworfen werden müssen.

Schwierigkeiten werden kommen

Wer den Schritt in die Unternehmerrolle wagt, wird zwangsläufig in Situationen kommen, die dazu verleiten, in alte Muster zurückzufallen. Mitarbeiter, die fragen, wo der Chef bleibt. Das nächste Alltagsproblem, das scheinbar nur vom Inhaber gelöst werden kann. Und genau hier liegt die größte Gefahr: Der Rückfall in den Trott, den man eigentlich verlassen wollte.

In solchen Momenten entscheidet sich, ob der Weg vom „Malocher“ zum Unternehmer wirklich gelingt. Nicht durch perfekte Prozesse, sondern durch klare Haltung.

Strategisch arbeiten heißt, Chaos aushalten und Verantwortung teilen. In all dem muss die Vision klar bleiben: eine Apotheke, in der Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln, Prozesse verlässlich funktionieren – und der Inhaber nicht im Klein-Klein untergeht, sondern führt. Nur wer diesen inneren Kurs hält, verlässt das Hamsterrad nicht nur für einen Moment – sondern dauerhaft.

Viele Inhaber arbeiten mit hohem Einsatz – doch Fleiß allein ist nicht gleichbedeutend mit unternehmerischer Wirksamkeit.

 

Nicolas Klose, Geschäftsführer, Klose Consulting GmbH, E-Mail: kontakt@kloseconsulting.de

Dies war der erste Teil unseres Beitrags

Ausstieg aus dem Hamsterrad

In Kürze lesen Sie hier die Fortsetzung von Nicolas Kose, bleiben Sie dran.

 

Hamster springt aus dem Hamsterrad

Steigen Sie aus Ihrem Hamsterrad aus!
(AdobeStock_Johannes Menge)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(15):6-6