Prof. Dr. Reinhard Herzog

Keine Angst vor davon galoppierenden Personalkosten – zumindest nicht aufgrund der Mindestlohn-Entwicklung!
(AdbeStock_loya_ya)
Es wurden ja bereits die schlimmsten Szenarien herumgereicht: Selbst wenn eine Honorarerhöhung auf 9,50 € für die Rx-Packungen käme, sollte diese bereits wieder zu einem guten Teil von drohenden Lohnerhöhungen geschluckt werden.
Ein Haupttreiber: Der Mindestlohn, ja vor Kurzem noch mit 15 € je bezahlte Stunde angepeilt. Das wären bei einer 40-Stunden-Woche (173 Monatsstunden) rund 2.600 € brutto. Da liegen bisher einige Lohngruppen in der Apotheke tatsächlich darunter.
Doch nun gelten andere Werte, und zudem ist eine tarifliche, dreiprozentige Lohnsteigerung ab Anfang 2026 bereits vereinbart worden. Seinerzeit waren die Löhne zur Jahresmitte 2024 deutlich angehoben und dann in 2025 unverändert belassen worden.
Wie sieht es dann 2026 auf dieser Basis aus? Tabelle 1 gibt Aufschluss. Wir beschränken uns auf Approbierte, PTA und PKA, die (auslaufenden) Apothekerassistenten und Pharmazieingenieure seien außen vor; von der Mindestlohnproblematik sind diese zudem nicht betroffen. Tatsächlich liegen nächstes Jahr mit der 3 %igen Erhöhung alle Berufsgruppen über der Mindestlohnschwelle von 13,90 €. Dabei wird das Bruttogehalt auf 169,5 Stunden pro Monat (entsprechend 39 h pro Woche) umgerechnet; Sonderzahlungen (13. Gehalt) und Sonderleistungen bleiben sogar außen vor.

alle Werte gerundet auf Basis von 39 Wochenstunden bzw. 169,5 Stunden monatlich; Erhöhung 2026: bisher 3,0 % tariflich vereinbart, von der heutigen Lohnbasis ausgehend; alles jeweils ohne Sonderzahlungen bzw. 13. Gehalt und sonstige Lohnbestandteile; Werte gelten nicht für Sachsen und Nordrhein
Selbst die unterste Lohngruppe (PKA im 1. und 2. Berufsjahr) überschreitet den Mindestlohn, wenn auch nur sehr knapp. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass sich nur aus den Mindestlohnerfordernissen heraus kein zusätzlicher Handlungsbedarf ableiten lässt. Die Tarife sind insoweit in 2026 noch mindestlohnfest (Ausnahme: Sachsen!). Praktisch gilt es umso mehr, als in der Praxis durchwegs und teils sehr deutlich über Tarif bezahlt wird. Anders als bei den großen Arbeitgebern in Einzelhandel, Industrie oder öffentlichem Dienst, wo centgenau nur das Tarifgehalt ausbezahlt wird, ergeben sich in den Apotheken doch erhebliche, individuelle Spielräume. Man kann schlicht miteinander reden und sich verständigen – ein Vorteil, den es herauszustellen gilt.
Tarife noch angemessen?
Eine ganz andere Frage ist, ob die Tariflöhne noch angemessen und vorzeigbar sind. Diese Frage ist nicht neu, und die Antwort ist weiterhin eindeutig: Nein, sie sind es nicht. Wir hatten das schon einmal zusammen mit einem Vorschlag zur Umgestaltung der Tarifstruktur mit neuen Aufstiegsmöglichkeiten in Form von Qualifikationsstufen neben dem heutigen Aufstieg nach Berufsjahren erörtert, siehe AWA 11/2024, Seite 14 f.
Tabelle 2 zeigt einige Vergleichslöhne, wie sie im öffentlichen Dienst, in der chemisch-pharmazeutischen Industrie oder im Einzelhandel gezahlt werden. Wir beziehen uns hier vornehmlich auf den Tarifbereich. Gerade für Approbierte in (höheren) Leitungsfunktionen ergeben sich selbstredend ganz andere Einkommensregionen, die allerdings mit den industrietypischen Anforderungen und Unsicherheiten einhergehen.

Eklatant sind die Differenzen bei den PTA, aber auch die Tariflöhne der PKA können einem Vergleich z. B. mit dem Einzelhandel, von untersten Hilfstätigkeiten vielleicht abgesehen, nicht standhalten.
So kann eine PTA im Krankenhaus selbst in unterer Einstufung von Anfang an gut 20 % mehr verdienen, und die Differenz vergrößert sich mit den Berufsjahren eher. In der Industrie liegt der Unterschied eher bei 40 % und mehr, wobei es je nach Bundesland bei den Chemietarifen Unterschiede gibt. Im Norden und Osten wird etwas weniger gezahlt als im Westen oder Süden.
Allerdings gibt es potente Industrie-Arbeitgeber nicht an jeder Ecke, Apotheken schon. Auch sollen manche Industriearbeitsplätze durchaus kriseln, selbst in der vermeintlich krisensicheren Pharma- und Chemiebranche. Strukturveränderungen gibt es dort ebenfalls. Fahrzeiten und -kosten sind ein weiterer Faktor, der für die Apotheken spricht. Und nicht zuletzt ist das Anforderungsprofil für Industriestellen noch einmal ein teils deutlich anderes, wie auch die Arbeitsweisen. Monetär bleibt die Erkenntnis: Mit 20 % bis 30 % über Tarif wird man unter Betrachtung aller Faktoren halbwegs konkurrenzfähig.
Fazit
Der Titel bringt es auf den Punkt: Man muss nicht in einen tariflichen Anpassungswettlauf verfallen, denn der Apothekentarif (ohne Sachsen) wird 2026 durchwegs über dem Mindestlohn von 13,90 € liegen, wenn auch teilweise nur sehr knapp. Also sind insoweit Ängste vor davon galoppierenden Personalkosten, wie verschiedentlich in den Raum gestellt, unangebracht. Die bereits vereinbarten 3 % werden die Durchschnitts-Apotheke indes bereits um die 12.000 € kosten – wenn es dabei bleibt. Doch der zweite Teil der Überschrift gilt ebenfalls: Glücklich kann man mit einem solchen Tarif nicht sein, er ist alles andere als ein Aushängeschild, welches Lust auf Apotheke macht. Aber das ist ein grundsätzliches Thema …
Was bedeutet Mindestlohn in der Lebensrealität?
Ein Mindestlohn von 13,90 € läuft bei einer 40-Stunden-Stelle auf 2.405 € brutto monatlich und somit bei Ledigen in diesem Jahr auf gut 1.710 € netto hinaus (ohne Kirchensteuer), bei einem Zusatzbeitrag von 2,5 % für die Krankenversicherung.
Allein die Sozialabgaben machen hier schon 518 € aus (plus ähnlich hohe Beträge seitens des Arbeitgebers), die Lohnsteuer schlägt dagegen „nur“ mit 175 € zu. In 2026 dürfte sich unter dem Strich nicht allzu viel ändern: geringfügigen Verminderungen bei der Einkommensteuer stehen mutmaßlich weitere Erhöhungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken- und Pflegeversicherung) entgegen, was diese Lohngruppen besonders trifft.
Und was ist mit der Rente? Nach heutigem Rentenpunktwert und gemessen am Durchschnittseinkommen erhält man für 2.405 € Monatsgehalt mal angenommen 12 Gehältern im Jahr rund 0,572 Rentenpunkte entsprechend circa 23,30 € Rentenanspruch pro Monat. 45 Beitragsjahre würden insoweit aus heutiger Sicht 1.049 € Rente ergeben.
Bereits mit diesem kleinen Gehalt zahlt man aufs Jahr allein 4.935 € in die Krankenversicherung ein (mit Arbeitgeberanteil); im Durchschnitt muss aber ein Mitglied in 2025 etwa 5.600 € aufbringen, damit die Gesamtrechnung der GKV aufgeht. Insoweit müssen Niedrigverdiener quersubventioniert werden.
Mit den ursprünglich geforderten 15,00 € bzw. dann 2.595 € Monatssalär bei 40 Wochenstunden blieben Ledigen rund 1.820 € netto (etwa 110 € mehr als nun mit vorerst 13,90 €) und ein Rentenanspruch von 25,15 € je Arbeitsjahr, nach 45 Jahren 1.132 €, auf heutiger Abrechnungsbasis.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(15):4-4