Prozessoptimierung mittels Kommissionierautomaten – Teil 2

Vertragsstrafen als Schutz vor Überraschungen


Dr. Hubert Ortner

Nach dem einführenden Artikel zu den grundsätzlichen Fragen rund um Kommissionierautomaten gehen wir diesmal in die Tiefe. Im Interview mit dem profunden Marktkenner Heinz Senkler (Ingenieurbüro Senkler) beleuchten wir, welche Herstellerangaben wie glaubhaft sind, welche Versprechen wie seriös, und warum es sich lohnt, bei den AGB nachzuverhandeln.

Kommissionierautomaten, Teil 2 (@Olivier Le Moal/stock.adobe.com)

"2005 lag die durchschnittliche Ausfallzeit über alle Hersteller und Modelle hinweg bei etwa drei Minuten pro Tag. Heutzutage ist sie deutlich geringer. Meine Empfehlung: Handeln Sie eine angemessene Kompensation aus, falls der Automat mehr als sechs Minuten am Tag gestört sein sollte!"

Welche Angaben in den Angeboten der Hersteller sollte man besonders kritisch hinterfragen? Kann man sich z.B. auf die Kapazitätsangaben verlassen?

Senkler: Die Kapazitätsangaben – also die Anzahl der Packungen, die der Automat aufnehmen kann, – errechnen die Hersteller nach ihren jeweiligen Erfahrungswerten. Manchmal stellt man erst zu spät fest, dass statt der ursprünglich versprochenen 10.000 Packungen nur 7.000 oder 8.000 in den Automaten passen. Dann ist es allerdings meist zu spät und man muss damit leben.

Wie kann man sich vor solchen Übertreibungen schützen?

Senkler: Der beste Weg ist, dem Hersteller die Inventurdaten zur Verfügung zu stellen. Dann kann er sich nicht so leicht damit herausreden, dass er die Kapazitätszahlen auf Basis seiner eigenen Standardpackung errechnet hat. Sinnvoll ist es auch, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, wenn die zugesagte Kapazität unterschritten wird.

Außerdem können die Hersteller mit einer Lageranalyse ermitteln, welche Artikel automatenfähig sind und welche nicht. Plant man eine vollautomatische Einlagerung, sollte der Anbieter zudem differenzieren können, wie viele Packungen zwar automatenfähig, aber nicht vollautomatisch einlagerbar sind.

Sind die für den Alltagsbetrieb in der Offizin sehr wichtigen Lautstärkeangaben der Hersteller verlässlich?

Senkler: Manche Hersteller geben diesbezüglich gar keine Werte an, sondern verweisen lediglich auf die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm oder die Schallschutzanforderungen nach DIN 4109, aus denen man jedoch keinen konkreten Wert für den Automaten herleiten kann.

Andere geben zwar einen mittleren Schalldruckpegel an, der erlaubt jedoch keine zuverlässige Einschätzung, weil er nichts über den maximalen Schalldruckpegel aussagt. Wenn die Ausgabe über eine Fördertechnik erfolgt, kann diese übrigens deutlich mehr Lärm erzeugen als der Automat.

Meine Empfehlung: Lassen Sie sich den maximalen Lärmpegel für den Automaten und die Fördertechnik schriftlich bestätigen! Dann haben Sie einen Anspruch darauf, dass der Hersteller alles daransetzt, die Lärmquelle zu ermitteln, zu beseitigen oder zumindest die Schallausbreitung durch eine entsprechende Einhausung zu reduzieren.

Wie schnell sind die Automaten bei der Ausgabe der Packungen?

Senkler: Die Hersteller überschlagen sich geradezu mit Angaben zur Ausgabegeschwindigkeit. Manche geben für Automaten mit einem Greifarm 600 Packungen je Stunde an, einer sogar bis zu 900 Packungen. In der Theorie ist das nur möglich, wenn man bei jedem Zugriff in das Lagerregal zwei oder drei Packungen auf einmal greift. In der Praxis ist das jedoch völlig unrealistisch. Ausgenommen sind Schnelldreherautomaten, die Packungen aus Schächten ausgeben. Diese sind in Deutschland allerdings selten, weil wir ein viel zu breites Artikelspektrum haben.

In der Praxis reicht eine Ausgabegeschwindigkeit von 200 bis 250 Packungen für 120 bis 150 Kunden je Stunde aus. Wenn man jedoch mehr als drei Kassen im Handverkauf hat, die häufig voll ausgelastet sind, sollte man die Automatengeschwindigkeit genauer in den Blick nehmen.

Wann braucht man einen Automaten mit zwei Greifarmen?

Senkler: Einen Automaten mit zwei Greifarmen empfehle ich erst ab einer durchschnittlichen Kundenzahl von 450 pro Tag. Wenn ein Automat dann 700 bis 800 Packungen täglich einlagern muss, ist er mit nur einem Greifarm zwei bis drei Stunden beschäftigt. Lässt sich die Einlagerung nicht auf Zeiträume außerhalb der Öffnungszeiten verlegen, behindert das die Ausgabe in der Offizin erheblich. In solchen Fällen kann die Nachrüstung eines zweiten Armes durchaus sinnvoll sein, selbst wenn eine solche mit 20.000 € bis 30.000 € zu Buche schlägt.

Bei manchen Automaten können beide Greifarme morgens vor Öffnung der Offizin gleichzeitig einlagern, in Stoßzeiten stehen beide für die Auslagerung zur Verfügung, und im Normalbetrieb lagert ein Arm ein, während der zweite im Stand-by steht, um ggf. sofort eine Packung abzugeben.

Wie lange dauert es, bis die Packung im Ausgabefach ist?

Senkler: Die Automaten brauchen in der Regel 10 bis 15 Sekunden, um mit dem Greifarm zur Packung zu fahren, diese zu entnehmen und abzugeben. Hinzuzurechnen ist dann noch die Zeit auf dem Förderband, das mit einem halben bis einem Meter pro Sekunde läuft.

Aber auch lange Förderstrecken sind in der Regel kein großes Problem: Selbst wenn es 30 bis 40 Sekunden braucht, bis die erste Packung im Ausgabefach angekommen ist, werden alle weiteren Packungen im Zehn- bis Zwölf-Sekunden-Takt danach ankommen, da das Förderband ein Stetigförderer ist.

Wie steht es um die Ausfallsicherheit von Kommissionierautomaten?

Senkler: Ich beobachte den Markt seit über 15 Jahren. 2005 lag die durchschnittliche Ausfallzeit über alle Hersteller und Modelle hinweg bei etwa drei Minuten pro Tag. Heutzutage ist sie bei den meisten Herstellern deutlich geringer. Es gibt Automaten, die tagelang oder gar wochenlang ohne Störung durchlaufen. Aber es gibt leider auch immer noch Geräte, die man gemeinhin als "Montagsproduktionen" bezeichnen müsste.

Meine Empfehlung: Handeln Sie eine angemessene Kompensation aus, falls der Automat mehr als sechs Minuten am Tag gestört sein sollte!

Wie sicher ist die Ersatzteilversorgung?

Senkler: Leider kann man die Ersatzteilbevorratung nicht mehr als selbstverständlich voraussetzen. Insbesondere in der aktuell angespannten Situation durch gestörte Lieferketten sollte man sich die Ersatzteilversorgung über die Laufzeit des Wartungsvertrages oder – noch besser – pauschal über mindestens 15 Jahre schriftlich garantieren lassen.

"Lassen Sie sich den maximalen Lärmpegel für den Kommissionierautomaten und die Fördertechnik schriftlich bestätigen! Dann haben Sie einen Anspruch darauf, dass der Hersteller alles daransetzt, die Lärmquelle zu ermitteln und zu beseitigen."

Warum sind die Wartungsverträge so teuer?

Senkler: Eine 24-Stunden-Hotline, die stetige Weiterentwicklung der Software, die Anpassung an die Schnittstellen zur Warenwirtschaft, das Vorhalten von Ersatzteilen und Material sowie die Arbeitszeit für Reparaturen – all das kostet zweifelsohne eine Menge Geld. Dennoch sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass sich 500 € Servicepauschale monatlich in 15 Jahren auf 90.000 € hochaddieren ...

Sind die Hersteller-Hotlines tatsächlich rund um die Uhr besetzt?

Senkler: In der Regel bieten die Hersteller einen 24-Stunden-Hotline-Service an, der auch an Sonn- und Feiertagen erreichbar ist. Dort können meist deutlich über 99% aller Probleme per Telefon und Fernwartung gelöst werden. Diese 24/7-Hotline ist aber nicht bei allen Herstellern automatisch im Wartungsvertrag enthalten. Daher lohnt es sich, den Leistungsumfang genau anzuschauen.

Wenn der Automat ausfällt und die Hotline das Problem nicht lösen kann: Wie schnell kommt der Servicetechniker?

Senkler: Je nach Hersteller kann es drei bis vier Stunden oder auch mal mehr als zwei Tage dauern, bis der Techniker tatsächlich vor Ort ist. Länger dauert es vor allem dann, wenn der Anbieter den Reparaturservice nur während seiner Geschäftszeiten anbietet. Die Angabe der durchschnittlichen Reaktionszeiten hilft in einem solchen Fall wenig.

Wie lange kann eine Reparatur maximal dauern?

Senkler: In der Regel wird ein Kommissionierautomat nach drei bis sechs Stunden wieder laufen. Liegt ein komplizierter Fehler in der Elektronik vor, oder ist ein Ersatzteil nicht vorrätig, kann die Reparatur aber auch mehrere Tage dauern.

Wer trägt den Aufwand für das Aus- und Wiedereinräumen des Automaten, wenn dies die Voraussetzung für eine Reparatur ist?

Senkler: Das ist je nach Hersteller unterschiedlich: Bei manchen ist das ganz klar in der Kundenverantwortung, andere Anbieter übernehmen selbst den Aufwand dafür.

Was passiert, wenn der Rechner, der den Kommissionierautomaten steuert, ausfällt? Wie lange dauert in einem solchen Fall die Wiederinbetriebnahme?

Senkler: Bei manchen Anbietern muss man in diesem Fall warten, bis der Techniker mit einem Ersatz-Rechner vor Ort ist. Andere Hersteller haben ein Sicherheitskonzept mit zwei vollständig redundanten Rechnern und einer zusätzlichen Datensicherung in der Cloud.

"In der Praxis reicht eine Ausgabegeschwindigkeit von 200 bis 250 Packungen für 120 bis 150 Kunden je Stunde aus. Einen Automaten mit zwei Greifarmen empfehle ich erst ab einer durchschnittlichen Kundenzahl von 450 pro Tag."

Was passiert eigentlich bei einem Stromausfall?

Senkler: Der Automat selbst ist – abgesehen von wenigen Ausnahmen – entweder nicht mehr betriebsbereit, oder er läuft nur mit geringer Geschwindigkeit. Durch Einsatz einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) kann der PC über Bildschirmanzeige, Sprachausgabe oder einen Drucker Auskunft geben, an welchen Koordinaten innerhalb des Automaten eine benötigte Packung liegt, sodass man diese per manueller Notentnahme herausholen kann.

Diese ist immer dann eine besondere Herausforderung, wenn die Packungen im Automaten sortenunrein mehrfach hintereinander liegen: Dann besteht nämlich die Gefahr, dass man eine Nachbarpackung verschiebt, die sich beim nächsten Zugriff endgültig querlegt, dann in weiterer Folge das Lagerbild an der Stelle zerstört und vielleicht sogar durchstochen wird.

Was gilt es bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu beachten?

Senkler: Viele glauben, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Stein gemeißelt sind – das stimmt aber nicht. Nach meiner Erfahrung kann man bei den meisten Herstellern auch über einzelne Passagen in den AGB durchaus verhandeln.

Meine Empfehlung: Lesen Sie die AGB genau durch und überlegen Sie in Ruhe, ob Sie alle Punkte akzeptieren können. Falls nicht, sollten Sie kritische Punkte offen ansprechen. Denn als Apotheker sind Sie Unternehmer und können sich nicht so leicht wie ein Verbraucher darauf berufen, dass in den AGB überraschende Klauseln enthalten sind.

Können Sie uns dazu ein paar konkrete Beispiele aus der Praxis nennen?

Senkler: Unter dem Punkt Eigentumsvorbehalt heißt es oft, dass der Kommissionierautomat Eigentum des Herstellers bleibt, solange eine offene Saldoforderung besteht.

Oder es wird jegliche Haftung ausgeschlossen, außer wenn der Schaden durch grobe Fahrlässigkeit leitender Angestellter verursacht wird. Während der Installation oder bei Wartungseinsätzen sind diese aber oft nicht anwesend.

Auch der Satz, dass der Auftraggeber die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigern kann, ist heikel: Es stellt sich dort nämlich die Frage, was man letztlich als unwesentlich bezeichnet. Ist der Automat schon am Tag der Abnahme eine halbe Stunde gestört, könnte der Hersteller dies unter Berufung auf die europäische Norm FEM 9.221 als "unwesentlich" bezeichnen und die Unterschrift unter das Abnahmeprotokoll verlangen.

Last but not least sind die im Angebot oder in den beigefügten Prospekten genannten technischen Daten laut Hersteller-AGB nur unverbindliche Angaben, von denen abgewichen werden kann.

"Wenn Sie dem Hersteller Ihre Inventurdaten zur Verfügung stellen, kann er sich nicht so leicht damit herausreden, dass er die Kapazitätszahlen auf Basis seiner eigenen Standardpackung errechnet hat. Sinnvoll ist es auch, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, wenn die zugesagte Kapazität unterschritten wird."

Was ist Ihre abschließende Empfehlung für Apothekeninhaber, die sich mit dem Gedanken tragen, einen Kommissionierautomaten anzuschaffen?

Senkler: Unbedingt zu empfehlen ist, bei den Einkaufsverhandlungen ein schriftliches Protokoll zu führen, in dem die Zusagen des Herstellers, die einem wichtig sind, genau festgehalten werden. Ich begleite meine Kunden bis zum Abschluss der Verhandlung und schaffe es in der Regel, für sie auch noch einen deutlichen finanziellen Vorteil auszuhandeln.

Service

Eine Checkliste für den Automatenkauf – zum kostenlosen Download bereit – finden Sie auf der Webseite von Heinz Senkler. Im Gästebuch können Sie zudem
zahlreiche Erfahrungsberichte von Apotheker-Kollegen nachlesen.

Dr. Hubert Ortner, Biochemiker, Chefredakteur AWA, E-Mail: hortner@dav-medien.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(03):6-6