Prozessoptimierung mit Kommissionierautomaten – Teil 3

Die wirtschaftlichen Aspekte


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Können 5.000 Apotheken irren? So sybillinisch könnte man die Frage nach der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit eines Kommissionierautomaten auch abhandeln. Ganz so einfach wollen wir es uns an dieser Stelle nun nicht machen, aber eben nicht zu kompliziert.

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können Sie mit einem Kommissionierautomaten einiges an Prozesskosten einsparen. (© AdobeStock/Olivier Le Moal) 

Die Kurzfassung oder im Beratersprech „long story short“: Hat Ihr Betrieb eine längerfristige Zukunft, ist eine Lagerautomatisierung regelhaft erwägenswert. Ausnahmen sind Sonder- und Nischensituationen: beengte Räumlichkeiten, die einen Umbau nur unter zu hohem Aufwand bzw. gar nicht gestatten, oder eine zu niedrige Kundenzahl bei gleichzeitig so günstiger Personal- und Kostensituation, dass ein Betrieb überhaupt noch rentabel möglich ist. Das Modell „Ein-Mann/Frau-Automaten-Apotheke“ geht nicht auf – nicht zuletzt, weil einfach zu viele nicht automatisierbare Peripherietätigkeiten anfallen. Bei Neugründungen wird seit Jahren üblicherweise fast immer ein Kommissionierautomat fest mit eingeplant. Ähnliches gilt, wenn eine umfassende Modernisierung bzw. „Generalüberholung“ (Komplettumbau) ansteht.

Die wirtschaftliche Seite ruht dabei auf mehreren Säulen (Abbildung 1): Im Backoffice vereinfacht sich die Logistik der Packungen, vielleicht kann sogar das Lager gestrafft werden. Letzteres gilt verstärkt, wenn die Lagerautomatisierung und Digitalisierung der Warenpräsentation („Bildschirm-Sichtwahl“) Hand in Hand gehen. Die digitale Warenpräsentation macht ja erst mit einem Lagerautomaten wirklich Sinn. Im Verkaufsbetrieb entfallen viele Laufwege sowie die Zeit des Heraussuchens der Ware aus den Schubladen, was je nach Betrieb unterschiedlich ausfällt. Das spart (teure) Zeit im Handverkauf und macht aus „Schubladenziehern“ erheblich kundenorientiertere Berater. Damit müssen sich manche erst anfreunden.

Abb. 1: Die Automaten-Wirtschaftlichkeit ruht auf mehreren Säulen

Als weitere Säule können Raumgewinne und die Eröffnung neuer Optionen gelten (z. B. erweiterte Offizin, neue Verkaufs- oder Nutzflächen), mitsamt der damit verbundenen Umsatzchancen. All dies gilt es bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Einzelnen zu quantifizieren. Heute kommt ein weiteres Argument zum Tragen – der Personalmangel. Ungeachtet der finanziellen Aspekte ist man froh um jede Tätigkeit, die keine Personalressourcen mehr bindet.

Eignungsvoraussetzungen

Dennoch gibt es für die Lagerautomation geeignetere und weniger geeignete Apotheken. Ein Parameter ist der „Kommissionier-Grad“, also der Anteil der abgesetzten Packungen, der tatsächlich über den Automaten läuft – und vice versa der Rest, der dort entweder keinen Platz findet (bzw. aus räumlichen Gründen finden kann), oder aufgrund der Absatzstruktur nicht infrage kommt. Weitere Parameter sind die Kundenzahl und der bisherige Personal-Auslastungsgrad. Teure Maschinen benötigen, wirtschaftlich betrachtet, einen möglichst guten Auslastungsgrad. Ein 100.000-Euro-Automat, der nur 100 Packungen am Tag ausreicht, während sich zwei HV-Kräfte um 90 Kunden täglich bemühen, ist insoweit wenig sinnvoll.

Wie effizient ein Kommissionierer arbeiten kann, richtet sich demzufolge danach, wie viele Kunden idealerweise schnell und vollständig mit Automatenware bedient werden können, ohne dass noch eigene Laufwege nötig werden. Das entscheidet die Warenkorbstruktur, und diese setzt sich in der Warenlogistik fort – was muss also noch manuell eingeräumt, ausgezeichnet und gepflegt werden: Freiwahlartikel, (Teile der) Sichtwahl, ungewöhnliche Packungsformate wie Verbandstoffe, Kühlware (sofern keine Automaten-Kühlzelle)? „Rezept-Apotheken“ mit viel Ware aus dem „Alphabet“ sind da im Vorteil gegenüber sehr freiwahl- und barverkaufsorientierten Betrieben.

Entscheidende Automatendimensionierung

Zu einem guten Teil haben Sie es selbst durch ausreichende Dimensionierung in der Hand, was sie alles einlagern und insoweit den Kommissioniergrad mitsamt Automatenauslastung steigern können. Lieber größer als zu klein! Die schon erwähnte digitale Warenpräsentation sollte sich in Lagerkapazitäten auch für OTC-Artikel spiegeln. Eine Kapazität um 15.000 bis 20.000 Packungen ist in frequenzstarken Apotheken schnell ausgeschöpft. Zur Wirtschaftlichkeit zählt auch, wie Sie Ihre Übervorräte managen bzw. durch eine andere Einkaufspolitik minimieren, um teures Umlagern zu reduzieren.

Andererseits zeigen die praktischen Rechnungen (Tabelle 1), dass die Messlatte zur Wirtschaftlichkeit, sofern es nicht gerade um Mini-Apotheken geht, nicht allzu hoch hängt. Mit nur einer halben bis dreiviertel Personalstelle Einsparung – im Mix aus Backoffice und Handverkauf – oder aber deren Umwidmung hin zu rentableren Tätigkeiten bzw. mit dem Auffangen von Personalmangel finanziert sich der Automat quasi von selbst.

Tab. 1. Beispielrechnungen Kommissionierautomat und Peripherie

Variante 1 – klein

Variante 2 - groß

Investition netto, „all inclusive“

80.000

160.000

… umfasst u. a.

kleinerer Automat mit einer oder zwei Ausgabestellen im HV, manuelle Einzeleinlagerung

großer Automat, Einlagerungseinheit, mehrere Ausgaben, digitale Sichtwahl

Automaten-Lagerkapazität maximal

7.500 Packungen

20.000 Packungen

(kalkulatorischer) Zinssatz auf die Investition

5,0 %

5,0 %

kalkulatorische Amortisationszeit

10 Jahre

10 Jahre

= Kapitalkosten, kalkulatorisch pro Jahr

12.000 €

24.000 €

Wartung und Unterhalt pro Jahr

7.000 €

10.000 €

Kostensumme pro Jahr:

19.000

34.000

Kosten aufteilen zu 50 % Backoffice / 50 % HV:

… entspricht … PKA-Stunden je z. B. 24 €

… entspricht … HV-Stunden je z. B. 36 €


395 (= 0,23 Stellen)

265 (= 0,15 Stellen)


710 (= 0,41 Stellen)

470 (= 0,27 Stellen)

A: 70.000 Packungen + 25.000 Rezepte p. a.

minimal nötige Zeitersparnis je Pckg. / Rp. im HV

60 % KoG*:

34 / 38 Sekunden

OTC einlagern, 80 % KoG*:

46 / 68 Sekunden

B: 150.000 Packungen + 50.000 Rezepte p. a.

minimal nötige Zeitersparnis je Pckg. / Rp. im HV

OTC draußen, 40 % KoG*:

24 / 19 Sekunden

OTC einlagern, 75 % KoG*:

23 / 34 Sekunden

Zusatzeffekte, u. a.

HV-Zeit intensiver nutzen, Warenlager besser optimierbar

… dto., + neue Chancen mit digitaler Warenpräsentation, OTC-Warenlager somit reduzierbar

* KoG: Kommissionier-Grad, d. h. Anteil der Packungen an der Gesamtzahl, die durch den Automaten laufen; HV: Handverkauf

Meist ist dann rein betragsmäßig sogar noch eine digitale Sichtwahl mit drin. Im Handverkauf sollte rund eine Minute je Rezept an Zeitersparnis herausschauen, im Backoffice nochmals zwei, drei Stunden täglich. Das ist sehr realistisch erreichbar, oft mehr. Mit dem E-Rezept verbessert sich der „digitale Flow“ noch einmal deutlich.

Fazit

In der Praxis stellt sich für zukunftsfähige Apotheken spätestens bei einer umfassenden Modernisierung weniger die Frage des „Ob“. Die Herausforderung liegt vielmehr im „Wie“, nämlich einer klugen Dimensionierung der Automaten-Lagerkapazität unter optimaler Ausnutzung der Räumlichkeiten sowie der Einpassung in den Gesamtbetrieb je nach Digitalisierungsgrad. Trotz neuer Abhängigkeiten spricht mehr für als gegen eine Lagerautomation.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(04):4-4