Innere Kündigung beim Apothekenpersonal – Teil 1

Warum Mitarbeiter Dienst nach Vorschrift machen


Katja Löffler

In der aktuellen wirtschaftlichen wie personellen Situation kann sich keine Apotheke Mitarbeiter leisten, die innerlich gekündigt haben, denn durch nachlassendes Engagement und steigende Fehlzeiten entsteht dem Betrieb ein erheblicher Schaden. Doch wer als Führungskraft die Anzeichen für innere Kündigung kennt und weiß, wie diese entsteht, kann rechtzeitig gegensteuern.

Als Apothekeninhaber oder Filialleiter sollten Sie achtsam dafür sein, ob es in Ihrem Team Mitarbeiter gibt, die zwar physisch noch anwesend sind, innerlich aber bereits gekündigt haben. (© AdobeStock/C_stockpics)

Das Phänomen der inneren Kündigung hat in den letzten zehn Jahren stetig zugenommen. So zeigt der Gallup-Bericht von 2022, wie es aktuell in Deutschland um die emotionale Mitarbeiterbindung steht: Nur noch 13 % der Beschäftigten verfügen über eine hohe emotionale Bindung an ihren Betrieb, 18 % haben bereits innerlich gekündigt und nur 39 % der Befragten glauben, in drei Jahren noch für denselben Arbeitgeber tätig zu sein. Damit befinden sich mehr als 60 % der Mitarbeiter – zumindest gedanklich – auf dem Absprung. Diese geringe emotionale Bindung von Arbeitnehmern kostete dem Gallup Engagement Index zufolge die deutsche Wirtschaft 2022 zwischen 118,1 und 151,1 Milliarden Euro. 

Kündigung des psychologischen Vertrags

Bei einer inneren Kündigung besteht zwar der formale, rechtsverbindliche Arbeitsvertrag weiter, allerdings wird der so genannte „psychologische Vertrag“ einseitig vom Arbeitnehmer gekündigt. Dieser beinhaltet eine Vielzahl unausgesprochener, gegenseitiger Erwartungen und Vorstellungen über die konkrete Zusammenarbeit.

Dazu zählen unter anderem eine faire Behandlung und Bezahlung, das Einhalten von Versprechen, Arbeitsplatzsicherheit, ein gutes Betriebsklima, Wertschätzung, individuelle Unterstützung und Förderung, Entwicklungsmöglichkeiten, Loyalität, Flexibilität, freiwilliges zusätzliches Arbeitsengagement sowie das Einspringen im Krankheitsfall.

Stolz auf den Arbeitgeber

Im Allgemeinen streben Menschen nach sinnvollen Tätigkeiten, die anderen einen Nutzen bringen und die mit den eigenen Wertevorstellungen und Zielen kompatibel sind. Deshalb sind Arbeitnehmer in ihrem Job in der Regel intrinsisch motiviert. Sie tragen gerne zum Erfolg der Apotheke bei, denn sie möchten stolz auf ihren Arbeitgeber sein.

Wer das Gefühl hat, etwas Wichtiges beizutragen, steigert sein Selbstvertrauen und seinen Selbstwert. Eine sinnvoll empfundene Tätigkeit ist nachweislich ein wichtiger Baustein für eine hohe Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung.

Sinkende emotionale Bindung

Nehmen Apothekenmitarbeiter allerdings Brüche im psychologischen, manchmal auch im schriftlichen Arbeitsvertrag wahr, kommt es im Laufe der Zeit zu dem schleichenden Prozess der inneren Kündigung: Fühlen sie sich unfair behandelt, stehen unter permanentem Leistungsdruck, oder werden ihre Erwartungen an den Arbeitgeber enttäuscht, steigt ihre Unzufriedenheit. Motivation, Engagement und Leistung nehmen ab.

Haben sie das Gefühl, den Arbeitsbedingungen ausgeliefert zu sein, ohne selbst etwas daran ändern zu können, nehmen Resignation und Frustration zu. Je länger dieser Zustand anhält, umso weniger fühlen sich Betroffene ihrem Betrieb verbunden. Ignorieren Führungskräfte diese Entwicklungen, droht eine Abwärtsspirale.

Gesundheitliche Folgen

Resignation, Frustration und dauerhafte Überlastung führen zu Stress und langfristig zu massiven gesundheitlichen Problemen, z. B. Herz-Kreislauferkrankungen, Burnout, Depressionen, Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Infektanfälligkeit etc. Die Folge: Fehlzeiten nehmen zu.

Allerdings folgt auf eine innere Kündigung nicht zwangsläufig eine tatsächliche Kündigung. Zunächst hoffen Mitarbeiter, dass sich die Situation wieder bessert. Doch je länger Unzufriedenheit und Demotivation andauern und je besser die Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen, desto leichter fällt es, offiziell zu kündigen.

Die aktuelle Arbeitsmarktsituation spielt den Apothekenangestellten zusätzlich in die Karten und begünstigt einen solchen Wechsel.

Finanzieller Schaden für die Apotheke

Nicht nur der tatsächliche Verlust qualifizierter Mitarbeiterinnen, sondern bereits die innere Kündigung schadet einer Apotheke erheblich. Hier schlagen in erster Linie die sogenannten Opportunitätskosten zu Buche. Diese entstehen, wenn …

  • die Arbeitsleistung aufgrund von Demotivation und Frustration nachlässt,
  • die Unzufriedenheit eines Teammitglieds sich auf Kollegen und Kunden überträgt,
  • Fehlentwicklungen übersehen werden, weil keine Verbesserungsvorschläge mehr gemacht werden,
  • Spezialwissen zurückgehalten wird,
  • sich Fehler häufen und z. B. zu Retaxationen führen,
  • Teammitglieder im privaten Umfeld schlecht über den Arbeitgeber sprechen,
  • Fehlzeiten zunehmen und das übrige Team Überstunden leisten muss und
  • das Image der Apotheke leidet.

 

Im Gegensatz zu den bei einer Neubesetzung zusätzlich anfallenden Austritts-, Such- und Eintrittskosten sind Opportunitätskosten meist nicht exakt messbar, weshalb sie bei der Kostenkalkulation oft übersehen werden. Dabei verursachen sie langfristig den größten Schaden.

Mangelhafte Personalführung

Sowohl die innere Kündigung als auch der tatsächliche Verlust qualifizierter Arbeitskräfte ist oft die Folge schlechter Personalführung (s. auch Kasten unten). Häufige Führungsfehler, die Mitarbeiter in die (innere) Kündigung treiben, sind:

  1. Fehlende Entwicklungs- bzw. Aufstiegschancen: Arbeitnehmer wollen Perspektiven haben. Sie möchten wissen, wohin sie sich in einer Apotheke entwickeln können. Dabei geht es nicht nur darum, eine Führungsposition zu erlangen. Manch eine Mitarbeiterin würde sich in einer Expertenfunktion wohler fühlen. Doch wer dauerhaft auf der Stelle tritt und keine Chancen für sich sieht, wird frustriert.
  2. Mangelnde Anerkennung und Wertschätzung: Jeder von uns hört es gerne, wenn seine Leistung anerkannt wird. Dann fühlen wir uns gut, denn durch positives Feedback erhalten wir Bestätigung. Echte Wertschätzung geht jedoch darüber hinaus: Sie sieht die Mitarbeiter mit ihren Fähigkeiten und ihrer individuellen Persönlichkeit. Echte Wertschätzung beflügelt und kann wahre Wunder bewirken, denn sie steigert unseren Selbstwert. Fehlt sie jedoch, dann sinkt insbesondere die emotionale Mitarbeiterbindung. Wichtig: Auch das Gehalt ist eine Form der Wertschätzung, selbst wenn das in der Management-Literatur oft in Abrede gestellt wird. Diese These ist längst widerlegt.
  3. Über- oder Unterforderung: Dauerhaft hohe Arbeitsbelastung und Zeitdruck führen zu einem erhöhten Stresserleben mit negativen Folgen für die Gesundheit. Doch auch Unterforderung kann zu innerer Kündigung führen, wenn Betroffene ihr Potenzial nicht nutzen können.
  4. Konflikte: Unstimmigkeiten im Team oder mit der Führungskraft sowie Mobbing führen langfristig zu Unzufriedenheit.
  5. Unsicherheit: Auch wer Angst um seinen Arbeitsplatz hat, kann sein Potenzial nicht voll ausschöpfen, denn Angst blockiert. Unzuverlässige Dienstpläne und häufiges, kurzfristiges Einspringen für Kollegen führen zu Stress. Krankheitsanfälligkeit und Fehlzeiten nehmen zu.

 

Verhalten erkennen, das auf innere Kündigung hinweist

  • Eine ehemals engagierte und motivierte Mitarbeiterin bringt kaum noch neue Ideen, Verbesserungsvorschläge oder Kritik ein.
  • Ein HV-Mitarbeiter macht kaum noch Zusatzverkäufe.
  • Der Umgangston im Team und/oder gegenüber den Kunden wird rauer.
  • Einzelne Personen nehmen nicht mehr an Apothekenevents wie z. B. der Weihnachtsfeier oder dem Sommerfest teil.
  • Die Fortbildungsbereitschaft sinkt.
  • Ein Teammitglied wirkt gelangweilt, gleichgültig oder desinteressiert.
  • Andere zeigen passiv-aggressives Verhalten, indem sie z. B. Gerüchte verbreiten, E-Mails nicht beantworten, immer wieder zu spät kommen oder Zusagen nicht einhalten.
  • Eine oder mehrere Personen verbreiten negative Stimmung im Team.
  • Die Bereitschaft, für Kollegen einzuspringen, lässt nach.
  • Das Betriebsklima verschlechtert sich.
  • Kundenbeschwerden häufen sich.
  • Fehlzeiten nehmen zu.

Ausblick: Wie Sie als Apothekeninhaber oder Filialleiter diese Abwärtsspirale durchbrechen und innere Kündigung vermeiden können, erfahren Sie im Teil 2 dieser Serie.

 

Katja Löffler, Wirtschaftspsychologin (M. Sc.), Dipl. Kffr. (FH) und PTA, 85630 Grasbrunn

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(01):14-14