Oliver Vorberg
Seit 2015 ist der Kassenabschlag gesetzlich auf 1,77 € pro verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel festgesetzt. Mit dem im November 2022 beschlossenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz erlegte der Gesetzgeber den Apotheken eine auf zwei Jahre befristete (vom 01.02.2023 bis 31.01.2025) Erhöhung des Abschlags auf 2,00 € auf, um damit einen Beitrag zur kurzfristigen Stabilisierung der GKV-Finanzen zu leisten. Den Apotheken bescherte dies eine Belastung in dreistelliger Millionenhöhe, die ABDA bezifferte sie auf etwa 120 Mio. € pro Jahr. Ab 2025 muss die Apothekerschaft der GKV nun wieder weniger Rabatt gewähren. Bei durchschnittlich rund 37.000 abgegebenen GKV-Rx-Packungen je Apotheke und Jahr sowie 19 Cent netto mehr pro Rx-Packung ergeben sich etwa 7.000 € mehr Rohertrag.
Tariflohnerhöhung Stufe 3 ab 2026
Zum 01.07.2024 hatten sich der Arbeitgeberverband ADA und die Apothekengewerkschaft ADEXA auf einen neuen Gehaltstarifvertrag geeinigt.
Dieser sah in Stufe 1 eine Erhöhung der monatlichen Gehälter für alle Berufsgruppen um 100 € bzw. 150 € vor. Zum 01.08.2024 trat mit Stufe 2 dann auch ein neuer Bundesrahmentarifvertrag in Kraft, der eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 39 Stunden sowie einen Urlaubstag mehr (35 statt 34 Tage/Jahr) vorsah. Zum 01.01.2026 wird Stufe 3 mit einer weiteren, linearen Gehaltserhöhung von 3,0 % für alle Berufsgruppen in Kraft treten, die den Inhabern durch den Zeitversatz etwas Luft in der Kostenentwicklung verschafft.
Nicht außer Acht gelassen werden sollte außerdem, dass die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit vielerorts durch zusätzliche Personalkapazitäten (Aufstockung, freiwillige Erhöhung der Arbeitszeit auf mehr als 39 Wochenstunden und damit verbundener Vergütung) kompensiert werden muss. Dies führt zu einem zusätzlichen Anstieg der Personalkosten.
Für die Durchschnittsapotheke wird sich die finanzielle Zusatzbelastung durch den neuen Gehaltstarifvertrag ab 2026 in Summe auf 30.000 € bzw. 35.000 € p. a. summieren. Je nach Umsatzgröße können die Werte deutlich variieren und bei den personalstarken Markführern sogar bis zu 80.000 € erreichen.
Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Erhöhung des Rx-Fixums würde bei einer Durchschnittsapotheke zu einem Rohgewinnplus von knapp 55.000 € führen. Zwar würde ein Teil dieser Mehreinnahmen durch höhere Kosten aufgezehrt. Dennoch bliebe ein deutliches Plus.
dm-Apotheken in Tschechien
Kunden der Drogeriemarktkette dm sollen ab der zweiten Jahreshälfte 2025 die Möglichkeit haben, rezeptfreie Arzneimittel online kaufen zu können. Um dies umzusetzen, gründete man am Sitz seines Online-Verteilzentrums im tschechischen Bor u Tachova eine Präsenzapotheke.
Etwa 25 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt verfügt das Karlsruher Unternehmen über eine 60.000 qm große Logistikfläche mit Distributionszentrum. Der Konzern hat zwar angekündigt, für seine „dm-Apotheke“ eine Versandhandelserlaubnis zu erwerben – in Deutschland wolle man aber nicht als Online-Apotheke auftreten. Stattdessen soll der dm-Online-Shop um verschreibungspflichtige Arzneimittel ergänzt werden. Nach außen soll die „dm-Apotheke“ als Drittanbieter für den dm Online-Shop auftreten, sodass alle OTC-Produkte als Angebote des externen Partners deklariert werden können. Rx-Arzneimittel sollen nach Angaben von dm nicht abgegeben werden.
Das Unternehmen gibt an, mit seiner „dm-Apotheke“ eine vermeintliche Lücke zwischen Versendern und Vor-Ort-Apotheken zu schließen. Wie stark sich dieses neue Konzept auf die OTC-Umsätze der Vor-Ort-Apotheke auswirken wird, bleibt abzuwarten und hängt u. a. von der Apothekendichte der jeweiligen Region ab.
Apothekenfreundlicher Koalitionsvertrag
Laut dem am 09. April 2025 veröffentlichten Koalitionsvertrag der neuen Koalition aus CDU und SPD ist geplant, das Apothekenpackungsfixum einmalig auf 9,50 € anzuheben. Dies würde bei einer Durchschnittsapotheke mit 47.000 abgegebenen Rx-Packungen p. a. zu einem Rohgewinnplus von 54.000 € führen.
In Abhängigkeit vom Versorgungsgrad kann das Fixum in ländlichen Lagen sogar auf bis zu 11,00 € ansteigen. Zwar würde ein Teil dieser Mehreinnahmen durch höhere Kosten – insbesondere die o. g. 3. Stufe der Tariflohnerhöhung – aufgezehrt. Um diesen Effekt bereinigt bliebe dennoch ein deutliches Plus.
Vor einem Jahr wurde an dieser Stelle über die Aufhebung des Skonti-Verbots spekuliert. Nun soll diese Spekulation gemäß Koalitionsvertrag Realität werden.
Da ein Teil der Ertragseinbußen bei Einführung des Verbots von den Lieferanten kompensiert wurde, könnte die erneute Gewährung von Skonti den Apotheken einen Mehrertrag zwischen 10.000 € und 15.000 € bescheren. Vorausgesetzt natürlich, die Apotheken bezahlen ihre Großhandelsrechnungen frühzeitig, was eine ausreichende Liquidität voraussetzt.
Gleichzeitig sieht der Koalitionsvertrag die Abschaffung von Nullretaxationen aus formellen Gründen und vereinheitlichte Vorgaben für Vor-Ort- und Versandapotheken – u. a. bei der Einhaltung der Kühlketten – vor.
Nullretaxationen bringen nicht nur z. T. empfindliche Einbußen, sie sind überdies ein stetes Ärgernis und binden unnötige Personalressourcen.
Handlungsempfehlungen
Das wichtigste Merkmal der Vor-Ort-Apotheken ist und bleibt ihre Beratungskompetenz und persönliche Betreuung. In diesem Kontext gewinnen pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) an Bedeutung. Häufig wird die Beratungsleistung bereits erbracht, ohne jedoch dokumentiert und abgerechnet zu werden. Ganz vorne stehen die Beratung bei Bluthochdruck, zur Inhalationstechnik sowie bei Polymedikation. Im Gegensatz zu vielen anderen, oft bürokratischen Aufgaben steht hier die Beratungskompetenz klar im Vordergrund. Davon profitiert die Kundenbindung und die Motivation der Mitarbeiter. Es gilt allerdings, die pDL gut zu organisieren, indem z. B. feste Zeiten dafür eingeplant und angeboten werden und mit (digitalen) Checklisten für die Medikationsanalyse gearbeitet wird. Letztere lassen sich teilweise auch im Homeoffice auswerten, was der zunehmend geforderten Flexibilität entgegenkommt.
Apropos Mitarbeiter. Als Aushängeschild der Apotheke und Bindeglied zu den Kunden gilt es, dem Team erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Darunter ist nicht zu verstehen, jeden Wunsch erfüllen zu müssen. Gute Personalführung, die Möglichkeit, sich fortzubilden, klare Rollenverteilung und eine gesunde Teamkultur sind heutzutage aber unerlässlich. Da nicht jede Inhaberin und jeder Inhaber Zeit und Muße dafür haben, kann eine professionelle Beratung wertvolle Impulse bieten.
Als zentrales Digitalisierungsthema steht nach wie vor das E-Rezept im Fokus. Das Cardlink-Verfahren ermöglicht die Rezeptzuweisung an die Apotheke vor Ort, so dass Rezepte nicht zu Online-Anbietern abwandern. Der Kunde sollte diesbezüglich gezielt informiert und ggf. bei der Einrichtung der App-Lösung unterstützt werden. Einmal eingerichtet ist die Schwelle zum Wechsel in eine andere App hoch. Sollten die Personalkapazitäten für die Hilfestellung fehlen, kann zur Erleichterung bei der App-Installation ein QR-Code auf Karten gedruckt werden, der nur noch eingescannt werden muss. Über die App können, wie eingangs bereits beschrieben, auch Vorbestellungen getätigt, Erinnerungen versendet und der Newsletter zugestellt werden. Bestenfalls stimmt der Kunde sogar zu, Push-Mitteilungen zu erhalten.
Um für die nächsten Jahre gewappnet zu sein und dem wirtschaftlichen Druck standzuhalten, muss das Rad sicher nicht neu erfunden werden. Außerdem sind viele Apotheken ohnehin bereits auf dem richtigen Weg. Gröbere Schnitzer sollte man sich allerdings nicht mehr leisten: Das geben die kontinuierlich zurückgegangenen Margen nicht mehr her.
In Zeiten der Telemedizin gewinnt auch die Telepharmazie an Bedeutung. Gerade Kunden in ländlichen Lagen und solche mit wenig Zeit oder eingeschränkter Mobilität wissen digitale Beratung zu schätzen.
Zusammenfassend kann von einem digitalen Ökosystem gesprochen werden, das es zu installieren gilt. Nicht jeder Inhaber steht dem offen gegenüber. Im fortschreitenden Verdrängungswettbewerb führt aber kein Weg daran vorbei, alle Kanäle zu bespielen, die von den Kunden genutzt werden, um nicht nur vor Ort die bestmögliche Performance zu bieten.
Oliver Vorberg, Dipl. Betriebswirt (FH), Unternehmensberater bei Dr. Schmidt und Partner, Geschäftsführer der SuPport GmbH, 56068 Koblenz, E-Mail: oliver.vorberg@support-gmbh.com
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(12):6-6