Prozessoptimierung durch Kommissionierautomaten

Backoffice-Abläufe substanziell verschlanken


Joachim Ullrich

Mit einem Kommissionierautomaten lassen sich viele Prozesse in der Apotheke effizienter gestalten und damit wertvolle Arbeitszeit einsparen. Der Artikel beleuchtet im Detail, welche Auswirkungen sich speziell auf die Abläufe im Backoffice – Wareneingang, Inventur, Verfalldaten-Kontrolle – ergeben.

Kommissionierer sind einer der wichtigsten Hebel, um die Prozessabläufe in Apotheken effizienter zu gestalten. (© AdobeStock)

 

Über den Einsatz von Kommissionierautomaten in der Apotheke ist schon viel diskutiert und geschrieben worden. Allein im AWA gab es im letzten Jahr eine ganze Serie zu diesem wichtigen Thema (vgl. AWA 1/2023, S. 8 f. sowie AWA 3/2023, S. 6 f.). Die wirtschaftliche Seite und Kalkulation haben Prof. Reinhard Herzog (AWA 4/2023, S. 4 f.) sowie zuletzt Lukas Frigger (vgl. AWA 21/2023, S. 7 f.) in den Fokus ihrer Beiträge gerückt. 

In dem nachfolgenden Bericht sollen die Vorteile, die sich aus dem Einsatz eines elektronischen Warenlagers – nichts anderes ist ein Kommissionierer – speziell für die Backoffice-Prozesse ergeben, im Detail beleuchtet werden. Denn mit einem Automaten verändern sich die kompletten Arbeitsabläufe im Back-Office. Die Umstellung ist für alle Mitarbeiter zunächst sicher gewöhnungsbedürftig, dafür wird man mit deutlich effizienteren Prozessen sowie einer substanziellen Einsparung von Arbeitszeit belohnt.

Wareneingang: Stupide und langweilig

Beginnen wir mit der Warenvereinnahmung, auch Wareneingang genannt. In der Warenwirtschaft befindet sich ein offener Auftrag an den Großhandel, der nun mit der tatsächlich gelieferten Ware abgeglichen werden muss. Da eine Sendung des Großhandels selten aus nur einer Wanne besteht, müssen zuerst alle Wannen geöffnet, die gelieferten Artikel entnommen und dann auf dem Lieferschein abgeglichen werden. Das ist zeitintensiv, für die Mitarbeiter anstrengend und wiederholt sich am Tag mehrfach, je nachdem wie viele Anlieferungen die Apotheke täglich erhält.

Nach der Eingangskontrolle muss die Ware, welche für den Vorrat bestimmt ist, in alphabetischer Reihenfolge in die Schubsäulen verräumt werden. Dabei müssen die Abtrenner in einem Schub oft noch verändert werden, falls neue Artikel hinzukommen oder die Menge eines Artikels verändert wird. Allein die Beschreibung dieses Vorgangs zeigt auf, wie stupide und langweilig dieser ist …

Der Einsatz eines Kommissionierautomaten vereinfacht diesen Wareneingangs-Prozess deutlich und macht ihn ungleich effizienter als eine händische Einlagerung. Grundsätzlich gibt es hier zwei Optionen:

  • Ist der Automat mit einer vollautomatischen Einlagerung ausgestattet, muss der Mitarbeiter nur noch die Wannen öffnen, die Lieferscheinnummer des Großhandels eingeben und dann alle Packungen in die Einlagerung schütten. Der Automat holt sich die einzelnen Artikel selbst, scannt sie und lagert sie dann chaotisch in die Fächer ein. Ein Soll/Ist-Abgleich findet automatisch statt, und am Ende werden Lieferdifferenzen angezeigt – oder im besten Fall keine Differenzen festgestellt.
  • Bei einer manuellen Einlagerung muss der Artikel vor der Übergabe an das Einlagerungsmodul noch gescannt werden, das Einlagern besorgt der Automat ohne Zutun der Mitarbeiter.

 

Fazit: Durch den Einsatz eines Kommissionierautomaten wird erstens der Zeitaufwand für den Prozess des Wareneingangs deutlich verringert und zweitens der Arbeitsablauf deutlich gestrafft. Ein dritter Vorteil ergibt sich für die Mitarbeiter, dass ein langweiliger und stupider Prozess weitgehend automatisiert wird.

Niemand macht eine dreijährige Ausbildung, oder studiert gar Pharmazie, um dann täglich hunderte Arzneimittel-Packungen manuell in Schubladen einzusortieren. Menschen suchen heute zunehmend Sinn bei ihrer Arbeit und wollen mit Tätigkeiten beschäftigt sein, die als sinnvoll und motivierend wahrgenommen werden. Dagegen vermittelt das manuelle Einsortieren von Ware eher das Gefühl, es handle sich um ein notwendiges Übel, für das der Chef keinen anderen Mitarbeiter gefunden hat.

Nicht vergessen sollte man auch, dass die Technik bis zu einem gewissen Grad auch die Abhängigkeit von den Mitarbeitern etwas abmildert. Die Coronapandemie hat diesbezüglich einige Apotheken zum Umdenken gebracht.

 

Inventur: Fehlerfreies Ergebnis binnen Sekunden

Ebenfalls deutlich effizienter wird durch den Einsatz eines Kommissionierautomaten die regelmäßige Inventur in der Offizin: An die Stelle der manuellen Überprüfung der Lagerbestände bieten die Maschinen eine Bestandsabfrage auf Knopfdruck. Bei der manuellen Listenbearbeitung kann es sogar vorkommen, dass der Mitarbeiter verschiedene Lagerorte kontrollieren muss, um zum richtigen Ergebnis zu kommen. Ein Automat liefert – vorausgesetzt alle Packungen einer PZN befinden sich im Kommissionierer – binnen Sekunden ein vollständiges und fehlerfreies Ergebnis. Soll-/Ist-Vergleiche auf Artikelebene werden vom Finanzamt als gezählt und kontrolliert anerkannt. Auch diese werden durch die Technik deutlich vereinfacht, sind weniger fehlerbehaftet und werden ungleich schneller erledigt.

 

Verfalldatenkontrolle: Verluste minimieren

Ein weiterer zeitraubender und zudem nervtötender Prozess im Backoffice ist die Verfalldatenkontrolle. Diese soll gewährleisten, dass der Apotheke kein Schaden durch die Überschreitung des Verfalldatums eines Arzneimittels entsteht. Bei einer manuellen Kontrolle müssen die Mitarbeiter bei jedem neuen Wareneingang die Verfalldaten aller Packungen einer PZN vergleichen und diese dann so im Schub einlagern, dass immer die Packung mit dem kürzesten Verfall bei nächster Gelegenheit abgegeben wird. Hier passieren in der Praxis häufig Fehler, die durch Zeitdruck bei der Abgabe oder eine falsche Einlagerung verursacht werden. 

Beim Einsatz eines Kommissionierautomaten werden entweder die Verfalldaten beim Einlagern manuell mit eingegeben, oder die Vollautomatik ist in der Lage, diese Informationen direkt von der Packung auszulesen. Ist die Packung erst einmal im Automaten, gibt dieser bei Anforderung einer PZN immer die Packung mit dem kürzesten Verfall oder der längsten Liegezeit im Automaten ab. Zusätzlich können sich Mitarbeiter jederzeit eine Liste mit allen Packungen einer eingelagerten PZN anzeigen lassen, sortiert nach dem Einlager- oder Verfallsdatum. Damit lässt sich der wirtschaftliche Schaden durch den Verfall von Packungen deutlich vermindern, überdies vereinfacht sich dadurch auch die Bearbeitung von Retouren an den Großhandel. In den Retouren-Vereinbarungen ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Fristen Retouren möglich sind. Werden diese Parameter nicht eingehalten, muss der Großhandelspartner die Ware nicht mehr zurücknehmen, und somit trifft der vermeidbare Verlust die Apotheke.

Offene Aufträge: Fehler vermeiden

Alle bislang betrachteten Prozessverbesserungen durch den Einsatz eines Kommissionierautomaten betreffen das Backoffice. Es gibt aber auch einen Bereich, der den Mitarbeitern in der Offizin und ihren Kollegen im Backoffice gleichermaßen Vorteile bringt – nämlich die Verwaltung offener Aufträge. Das sind Vorgänge, bei denen ein Kunde ein Rezept in die Apotheke bringt, diese aber nicht alle Artikel des Rezeptes vorrätig hat und somit Teile erst noch bestellen muss. Nun hat der Kunde die Wahl, die vorrätigen Arzneimittel gleich mitzunehmen und die übrigen nach Lieferung durch den Großhandel abzuholen. Oder er kommt nochmal in die Apotheke, wenn alle Artikel für das Rezept fertig vorliegen. Diese Arbeitsweise führt in vielen Apotheken zu vollen Abholregalen, auf denen sich Ware und Rezepte stapeln, die auf die Vervollständigung nach der Großhandelslieferung warten. Ein solches Abholregal wirkt immer unübersichtlich, chaotisch und ist ein Quell für viele Fehler – sei es durch falsche Zuordnung oder die Suche vor der Abgabe an den Patienten.

Auch diese Herausforderung lässt sich sehr gut mit einem Kommissionierer meistern, denn dieser prüft automatisch, ob zu einem offenen Auftrag alle Packungen im Lager vorhanden sind und dann sofort ausgelagert werden können. Das unübersichtliche Abholregal mit den Teillieferungen wird dadurch überflüssig.

Betrachtet man nun all diese Prozesse, deren Effizienz sich durch den Einsatz eines Kommissionierautomaten durchweg erhöht, so versteht man das hohe wirtschaftliche Potential für Apotheken. Vorausgesetzt natürlich die Kundenfrequenz ist hoch genug, um eine ausreichend hohe Auslastung sicherzustellen. Zudem profitieren auch Ihre Mitarbeiter, weil die Abläufe einfacher werden, der Verwaltungsaufwand sinkt und deutlich mehr Zeit für anspruchsvollere Tätigkeiten als dem Befüllen von Schubladen verbleibt.

Last but not least sollte man bedenken, dass das Arbeitsklima in Apotheken mit einem Automaten als ruhiger, entspannter und angenehmer beschrieben wird als in Apotheken ohne Automat. Somit gibt es einige handfeste Gründe, auf ein elektronisches Warenlager umzustellen – vorausgesetzt die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen sind erfüllt.

 

Joachim Ullrich, Apothekenberatung und -entwicklung, 61381 Friedrichsdorf, E-Mail: info@apothekenberatung-ullrich.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(04):6-6